Banken

Verschwinden jetzt die Filialen an der Ecke?

20.06.2014
Von Cornelius Welp und Mark Fehr

Filialen werden nicht verschwinden

Ein überhasteter Rückzug kann leicht dazu führen, dass weniger technikverliebte Kunden dem Institut den Rücken kehren. Trotz gestiegener Akzeptanz zählen die Deutschen zu den Skeptikern: 58 Prozent aller Einkäufe zahlen sie bar. Und immerhin ein Drittel aller Kunden nutzt die Filiale noch für sämtliche Dienstleistungen. Die meisten von ihnen sind Senioren, die sich nur zögerlich für Technik begeistern. Dabei sind sie eine attraktive Kundschaft: Sie haben oft viel Geld gespart, das sie für sich oder ihre Enkel anlegen wollen. Wenn ihre gewohnte Zweigstelle zumacht, weichen sie zur Konkurrenz nebenan aus.

"Die Filiale wird in absehbarer Zukunft nicht verschwinden", sagt Bain-Berater Walter Sinn. Allerdings sieht er im deutschen Markt mittelfristig etwa ein Drittel der derzeitigen Standorte bedroht. "In die verbleibenden Filialen werden die Banken die neuen Technologien deutlich stärker integrieren", sagt Sinn. Das geschieht etwa durch in der Filiale ausgelegte Tablet-Rechner, die die Kunden mit aktuellen Finanzinformationen versorgen, und die Zuschaltung von Experten aus der Zentrale über Videokonferenzen. Zudem werde sich das Angebot stärker als bisher differenzieren, so Sinn: "Es reicht von noch kleineren Anlaufstellen für grundlegende Dienstleistungen zu Flaggschiff-Filialen, die mit ihrem Auftritt nach außen nicht zuletzt dem Image der Marke dienen."

Schmerzhafte Wechsel für die Sparkassen

Einen solchen Imagegewinn konnte etwa die Deutsche Bank mit ihrer Renommier-Filiale in der Berliner Friedrichstraße verbuchen. In dem Gebäude finden sich eine Lounge, ein "Trendshop" mit Designerartikeln und Kinderbetreuung. Aktuell will der Branchenprimus erheblich in neue Technologien investieren, hält aber gleichzeitig den Filialen die Treue. "Für uns gibt es trotz des schwierigen Umfelds keinen Anlass, an der Strategie und dem bestehenden Netz etwas zu ändern", sagt Privatkundenvorstand Rainer Neske. Das gelte auch für die Anfang 2012 komplett übernommene Postbank. Weil dort auch Postdienste im Angebot sind, gibt es einen regen Kundenzustrom. Allerdings können die Postbanker nur einen Bruchteil der Brief- und Paket-Laufkundschaft für sich gewinnen.

Besonders schmerzhaft ist der Wandel für Sparkassen und Volksbanken. Denn diese überzeugen ihre Kunden nicht durch günstige Preise, sondern mit kostspieliger flächendeckender Präsenz auch in entlegeneren Ortschaften. Nach wie vor gewinnen sie auch viele Kunden über die Filiale. Um diesen Wettbewerbsvorteil zu halten, wird bei der Miete gespart. So hat etwa der ostdeutsche Sparkassenverband das Projekt "Große Emma" aufgesetzt: Dabei teilen sich eine Sparkasse, ein Postdienst und ein Sozialdienst ein Gebäude.

Verbesserungen für berufstätige Kunden

Radikalere Konzepte setzt die Commerzbank um. Die Ausstattung der Filialen mit Beratern und Experten wird sich je nach Standort stark unterscheiden. Ausgesuchte Filialen in Innenstädten werden zu Flaggschiffen ausgebaut, die dortigen Mitarbeiter müssen sich auf flexiblere Arbeitszeiten einstellen. In einer Berliner Filiale testet die Bank Öffnungszeiten von acht Uhr morgens bis halb acht abends - eine deutliche Verbesserung für berufstätige Kunden.

In der Testfiliale hat das Unternehmen auch einen Videoautomaten installiert, an dem sich Kunden von einem über die Zentrale zugeschalteten Mitarbeiter beraten lassen können, wenn an Wochenenden kein Filialpersonal vor Ort ist. Bei einer Kontoeröffnung am Schalter können Kunden ihre Bankkarte gleich mitnehmen, statt wie bisher auf den Versand per Post zu warten. Allerdings wird es dauern, bis dieser Sofortservice überall zu haben ist. Erst mal wird er nur auf eine Reihe weiterer Teststandorte ausgeweitet.

Die Düsseldorfer Targobank hingegen baut ihr Filialnetz gegen den Online-Trend sogar aus. "Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Standorte bis 2017 von aktuell 350 auf 400 steigen wird", sagt Vorstandschef Franz Josef Nick. Die Bank ist auf Konsumentenkredite spezialisiert und muss daher in Fußgängerzonen Passanten auf dem Weg zum Einkauf anlocken. Wegen des Rückzugs der Konkurrenz dürfte Nick kein Problem haben, gute Lagen zu finden.

(Quelle: Wirtschaftswoche)