IT im Maschinenbau/Eine Stunde null für den Maschinen- und Anlagenbau?

Versäumnisse mit CRM wieder gutmachen

11.04.2003
Wo bieten sich Lösungen, um die IT-Spezifika im Maschinen- und Anlagenbau in den Griff zu bekommen und neue Wettbewerbsvorteile zu erschließen? Eine Bestandsaufnahme am Beispiel spezialisierter CRM-Systeme.Von Anastasios Kotsilas*

Es geht um Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kunden-Management und einen Anglizismus, der ein als optimales Werkzeug zur Vermeidung aller Engpässe an der Kundenfront empfiehlt: Customer-Relationship-Management, kurz CRM. Kaum ein IT-Kürzel hat sich in den vergangenen Jahren derart abgenutzt. Im Grunde möchte keiner mehr davon hören, die Heilsversprechen sind in zahlreichen Fehlschlägen verpufft, die Bereitschaft der Anwender, sich mit neuen Lösungen auseinander zu setzen, tendiert gegen null.

Dabei benötigt die Fertigungsindustrie - gerade weil sie sich aufgrund ihrer spezifischen vertrieblichen Strukturen mit dem Einsatz komplexer CRM-Systeme immer schwer getan hat - heute deutlicher als viele andere Branchen innovativen IT-Input. Schon sprechen Beobachter der Szene von wettbewerbsrelevanten Versäumnissen und dem dringenden Bedarf an schnell greifenden Lösungen.

Eine Stunde null für den Maschinen- und Anlagenbau (MuA) und seine Partner in der IT-Branche? Vermutlich ja. Sich den Highend-Anforderungen komplexer Vertriebssysteme zu stellen verlangt von CRM-Entwicklern ein hohes Maß an Spezialistentum, Branchenkenntnis und Marktkonzentration und bei der Skepsis der Branche vielfach auch einen langen Atem.

CRM-Lösungen sollen möglichst komfortable und weit verzweigte Dialogplattformen bereitstellen, die Bieter und Kunden partnerschaftlich unterstützen können. Effizientes Prozess-Management, höhere Umsätze und mehr Stabilität im Wettbewerb sind die erstrebten Ziele.

Freisetzung brachliegender Potenziale

Mit ihren komplexen Produkt- und Leistungsangeboten arbeiten MuA-Unternehmen in der Regel für einen begrenzten Nachfrage- und Käufermarkt. Dieser fordert ein Höchstmaß an Betreuungs- und Serviceintensität, die selbst auf bewährten Beziehungsebenen kaum noch zu leisten ist. Soll zudem das Neugeschäft gesteigert und das Bestandskunden-Business erweitert werden, gerät die technische Ausrüstung vieler Unternehmen schon heute an ihre Grenzen. Um an dieser Stelle die Weichen neu zu stellen, muss zunächst ein strategischer Paradigmenwechsel hin zu konsequenter Kundenorientierung vollzogen werden. Erst dann kann die technische Aufrüstung im Unternehmen folgen. Nur zehn Prozent aller Investitionsgüterhersteller arbeiten heute mit spezialisierten CRM-Systemen an der Straffung und Rationalisierung ihrer Vertriebsprozesse. Gleichzeitig ist sich die Mehrheit der Unternehmen sicher, dass nicht nur ihr Angebotsdurchsatz, sondern auch die Qualität der Angebote deutlich steigen muss.

Eine global vernetzte "Realtime-Economy" verlangt nach extremer Beschleunigung der Prozesse, die in den unterschiedlichen Vertriebsprojekten des Maschinen- und Anlagenbaus nur äußerst schwer zu realisieren ist. Viele mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer leben von der Auftragsfertigung von Sondermaschinen. Die angebotenen Komponentenlösungen sind zum Großteil Einzellösungen (Engineered Components). Damit können statische und/oder standardisierte IT-Lösungen per definitionem nicht greifen, ebenso wenig wie die klassischen, operativen CRM-Tools. Der technische Vertrieb basiert maßgeblich auf einem synergetisch organisierten Zusammenspiel zwischen der Lösungskompetenz des Back-Office (technische Projektierung) und dem Beziehungs-Management des Front-Office (Vertrieb). Aus diesem Teamwork heraus Produkte und Leistungen erfolgreich anzubieten und zu verkaufen setzt projektorientiertes Denken und möglichst einfache Nutzungsoptionen vielschichtig integrierter IT-Lösungen voraus. Da die Aktivitäten der Fertigungsindustrie in der Mehrzahl international eingebunden sind, muss die unterstützende Informationstechnologie zusätzlich globalen Kommunikationsstandards genügen, das heißt, Dokumente in verschiedenen Formaten, Versionen und Sprachen bereitstellen und multilinguale Module zur Angebotsgenerierung bieten.

Kalkulierbarkeit des Return on Investment

Allein technisch ist das Thema jedoch nicht zu klären. Wie sich am Ende des Prozesses die Investitionen in eine modernisierte IT-Architektur und komplexe CRM-Komponenten rechnen und refinanzieren, birgt stets reichlich Diskussionsstoff. Zwar werden die Kostenersparnisse und positiven Zusatzeffekte, die sich aus der Geschäftsausweitung bei Bestandskunden, dem Mehrumsatz durch proaktive Services und schnellere Vertriebsprozesse ableiten, in der Regel kräftig unterschätzt, doch die Einstiegsinvestitionen erscheinen oft derart exorbitant, dass die Entscheidung zum "großen Wurf" schwer fällt. Zudem können die erwarteten Benefits - auch durch unzureichende Beratung und Aufklärung der IT-Partner - schwer erfasst und der Return on Investment deshalb nicht präzise genug kalkuliert werden. Darum ist von potenziellen IT-Partnern überdurchschnittliche technische Kompetenz zu fordern. Bewährte Branchen- und Strukturkenntnisse, handfeste wirtschaftliche Argumente und konkrete Ausführungsvorschläge müssen die fachliche Kompetenz so weit ergänzen, dass die Partner in der Umsetzung tatsächlich "auf Augenhöhe" operieren und schnelle (Teil-)Erfolge erzielen können.

Baugruppen- durch Funktionsvertrieb ablösen

In den vielfältigen Vertriebsprojekten des Maschinen- und Anlagenbaus müssen in der Regel eine ungeheure Fülle von Anforderungs- und Angebotsdaten sowie zahllose Dokumente und Korrespondenzen zusammengeführt werden. Für die Branche geeignete CRM-Systeme berücksichtigen diese spezifischen Besonderheiten und schaffen darüber hinaus Möglichkeiten, um das gesammelte Know-how aus parallelen und/oder abgeschlossenen Projekten für aktuelle Anfragen, Angebote und Auftragsabwicklungen zu nutzen sowie ein weit reichendes Varianten-Management zu implementieren. Allein über den Faktor der Projekt-Reproduzierbarkeit kann ein Rationalisierungspotenzial von geschätzten 30 bis 50 Prozent erschlossen werden. Die technischen Voraussetzungen bilden Filtersysteme mit integrierten kaufmännischen und technischen Filteroptionen.

Eine der großen Herausforderung der Branche ist, die kundenseitig erwünschten Funktionen oder Prozesse in konkrete Produktkomponenten umzusetzen. Ein Funktionsvertrieb gelingt jedoch nur mit IT-Werkzeugen, die sowohl das Leistungsportfolio des Unternehmens aus funktionaler Sicht darstellen können (Schnittstelle zum Kunden) als auch die Transformation der funktionalen Spezifikation in Produktkomponenten automatisieren (Schnittstelle zum Back-Office).

Dass es gelingen kann, Schwellenängste abzubauen und das IT-Investment präzise planbar und überprüfbar zu machen, zeigt sich in zahlreichen Beispielen einer projektweisen Einführung. Die konsequente Orientierung auf modulare CRM-Systeme und eine präzise abgestimmte Integration von Teilprojekten führt zu schnellen (Teil-)Ergebnissen, schont Ressourcen, schafft Raum für kontinuierliche Prozesskorrekturen und fordert vom Kunden schrittweise Investitionen, für die eine Rentabilität garantiert werden kann. (bi)

*Anastasios Kotsilas ist Geschäftsführer der Pisa Repository Technologies GmbH in Berlin.

Angeklickt

- Im Maschinen- und Anlagenbau muss im Hinblick auf die Kunden ein weitreichendes Umdenken angestoßen werden.

- Gewachsene Kompetenzen, technische Innovationen und branchenspezifische Umsetzungserfahrungen müssen in den Veränderunsprozess einfließen.

- Spezialisierte IT- und CRM-Profis sollten diesen Prozess begleiten.

- Für alle beteiligten Partner werden sich daraus neue Marktchancen ergeben.