Verpaßte Chancen

06.06.1975

Degoutante Nestbeschmutzung - oder längst überfällige kritische Selbstbesinnung: Lewis L. Copley jr., Systemanalytiker bei der Prudential Insurance Company of America in Roseland/New Jersey, einem der führenden US-Versicherungsunternehmen, sprach in der Computerworld vom 19. März 1975 ohne jede Beschönigung aus, was auch hierzulande ein noch nicht gelöstes Problem ist. Daß es nämlich weder den amerikanischen noch den bundesdeutschen Datenverarbeitern bis auf wenige Ausnahmen gelungen ist, den Absprung vom "überfüllten" Mittel-Management ins echte Top-Management zu schaffen.

Nach Copleys Meinung kann aber dafür keineswegs den Führungsspitzen in den Anwenderunternehmen der schwarze Peter zugeschoben werden. Vielmehr fallen die verpaßten Chancen zur Profilierung wie ein Bumerang auf die EDV'er selbst zurück.

Damals: Dieselbe Sprache

"AIs sich zu anfangs die DV-Konzepte herauszukristallisieren begannen, da war die Gelegenheit für die damals frischgebackene Zunft der EDV-Leiter günstig wie noch nie", betont Copley. Denn: Die Datenverarbeiter hatten ja in den meisten Fällen schon Management-Erfahrung und waren sich über die Unternehmensziele im klaren. Was aber noch wichtiger war, in diesen DV-Pionierzeiten sprachen die neu gekürten EDV-Bosse, die Unternehmensspitzen und die Kollegen in den Linien-Funktionen noch dieselbe Sprache.

Mit dem Aufkommen komplexer Hardware und Software jedoch, so Copley, begann der ehemals freie, vertrauensvolle Meinungsaustausch zwischen EDV- und den Fachabteilungen langsam aber sicher zu versiegen. Die Datenverarbeiter traten den "Marsch in den Elfenbeinturm" an. Beklagt Copley: "Wir verloren uns in der Bewältigung der technischen Informationen, Betriebssysteme und Software-Techniken. Der dem Außenstehenden noch heute überwiegend unverständliche EDV-Jargon wurde geboren."

Vernichtende Folgen

Als dann Multiprogramming, Multiprocessing aufkamen, wurde der "Meister", dem die Datenverarbeiter dienten - der Anwender höchst spärlich darüber unterrichtet - wohl auch, weil er nicht mehr folgen konnte oder wollte. "Die Folgen dieser Isolation waren", erklärt Copley, "geradezu vernichtend." Des Anwenders Unwissenheit gegenüber den neuen Technologien verstärkte seinen Widerstand gagen "die EDV-Technokraten". Die daraus resultierende Unfähigkeit der Fachabteilungen, ihre Bedürfnisse beziehungsweise die des Unternehmens zu definieren, endete in schwerfällig arbeitenden Computer-Systemen. "Des Anwenders Vertrauen in unsere Fähigkeit, einen akzeptablen Output zu liefern, war dahin."

Silberstreifen am Horizont

Copley sieht jedoch nunmehr einen Silberstreifen am Horizont. Er meint, daß gute Anstrengungen gemacht werden, diese Probleme zu lösen. "Aber erst dann, wenn wir wieder zum Hauptstrom einer Unternehmensstruktur gehören, uns mit den Unternehmenszielen identifizieren, das heißt, gelernt haben, selbst unternehmerisch zu denken und auf der anderen Seite das Top-Management mehr, EDV-Wissen von uns erfährt, haben wir die Isolation durchbrochen."

Vielleicht, so prophezeit Copley, wandeln sich dann hochqualifizierte Datenverarbeiter zu "Schlüsselfiguren" in den Anwender-Unternehmen.