"Vernünftig ist, was dem Anwender nützt"

29.03.2006
Weblogs, Wikis und Podcasts eröffnen neue Weiterbildungschancen wie Siegfried Lautenbacher und Johannes Schnell in einem CW-Gespräch erläutern.

CW: Welche E-Learning-Trends zeichnen sich ab?

SCHNELL: Podcasts, Blogs und Wikis sind die Stichworte. Sie unterstreichen die Mobilität des Lernens. Diesen Trend finde ich sehr erfreulich, da er modernes Selbstlernen zugänglicher macht. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir in die reine Vermarktung von schnell erstellten Informationseinheiten abgleiten, deren Qualität nur bedingt steuerbar ist. Dies ist auch auf die ständig kleineren Budgets der Kunden zurückzuführen. Aber es ist vor allem in der Weiterbildung unseriös, alles darauf zu reduzieren, dem Lerner einen schnellen Zugang zu Informationseinheiten zu bieten

Ich erinnere an Elliot Masie, der tatsächlich der Meinung ist, der Lerner solle wie bei Napster Inhalte selbst aus ihrem Zusammenhang heraus zu neuen, auf ihn abgestimmte Lernmodule zusammenstellen. Eine solche Aussage weist darauf hin, dass wir dabei sind Informieren mit Lernen zu verwechseln.

Social Software und informelles Lernen

Informelles Lernen, auch gern in einem Atemzug mit Social Software genannt, wird klassische Lernkanäle wie Präsenztraining und E-Learning ergänzen. Weblogs, Wikis und Podcasts ergeben neue Möglichkeiten in der Weiterbildung. Das Institut für Medien- und Kompetenzforschung (MMB) hat in einer Expertenumfrage festgestellt, dass informelles Lernen in den kommenden drei Jahren in deutschen Unternehmen als wichtigstes Trendthema gesehen wird. Aus einer Liste von Methoden, Inhalten und Systemen des Lernens mit neuen Lerntechnologien geben Branchenkenner unter anderem Podcasts, also Audio-Blogs, gute Entwicklungschancen. Vier von fünf Experten rechnen gemäß MMB beispielsweise mit einer steigenden Nutzung von Podcasts im Unternehmens- und Weiterbildungsumfeld. Johannes Schnell ist Geschäftsführer von CBT+L, dem Spezialisten für Qualifizierung, Siegfried Lautenbacher ist Geschäftsführer der Beck et al. Services GmbH. Sie hat eher prozessbegleitende Wissensvermittlung im Fokus.

Siegfried Lautenbacher, Beck et al.: 'Der Mittelstand braucht kein E-Learning.'
Siegfried Lautenbacher, Beck et al.: 'Der Mittelstand braucht kein E-Learning.'

LAUTENBACHER: Der einzige Treiber ist und bleibt der Anwender, der Nutzer technologiegestützten Lernens. Das hat die Branche in den letzten Jahren ein wenig übersehen, dann schmerzhaft lernen müssen. Und vernünftig ist - platt gesagt - das, was dem Anwender Nutzen bringt. Insofern stehen wir dem informellem Lernen positiv gegenüber. Wir setzen dabei darauf, dass sich Lernen nicht mehr nur auf die kognitiven Fähigkeiten des Individuums beschränkt. Im Zeitalter schneller Veränderungen steht inhaltliches Lernen ("Know-how") nicht mehr im Vordergrund, sondern geographisches ("Know-where"). Effizientes Handeln ist nicht allein durch hohes Fachwissen gewährleistet, sondern durch schnelles und angemessenes Reagieren. Für die richtige Entscheidung ist aktuelles Wissen unabdingbar. Kurse im traditionellen Sinn - mit vorgeschalteter Konzeption und Präsenzterminen - können den Anforderungen an schnelles Lernen nicht vollständig gerecht werden.

CW: Wie reagieren Sie auf diese Entwicklungen?