Der Chip bestimmt die Entwicklung im Auto

Vernetzte Rechner-Systeme sorgen für größere Sicherheit

22.12.1989

WOLFSBURG (dow) - Grenzen zwischen mechanischen und elektronischer Teilsystemen in Autos sind nicht mehr eindeutig zu ziehen. Allerdings tun sich Zielkonflikte auf: zum Beispiel die Sicherheit von Elektronik im Kfz. Sie war Gegenstand der 9. Tagung des VDI mit der Volkswagen AG.

Rund 500 Teilnehmer aus zehn Ländern diskutierten während der zweitägigen Veranstaltung die Schnittstellen zwischen beiden Disziplinen. Dabei war allen Experten das Grundproblem hinlänglich bekannt. Begann die Ablösung der Mechanik durch die Elektronik doch schon vor mehr als zwanzig Jahren mit einfachen Systemen für Blinkgeber und Zündung. Heute gehören ein elektronisch gesteuertes automatisches Getriebe sowie ein Antiblockier-System bereits zur Standardausrüstung gehobener Fahrzeugklassen.

Der Anteil der Mikroelektronik in den Autos nimmt bis zum Jahre 2000 von derzeit 15 auf rund 25 Prozent zu, so war auf der Fachtagung in Wolfsburg von mehreren Seiten zu hören. Das Marktvolumen beispielsweise von Sensoren für Pkw und Nutzfahrzeuge soll von jetzt rund 5 Milliarden Mark auf etwa 20,7 Milliarden Mark in zehn Jahren anwachsen.

Während aber bisher die meisten elektronischen Steuergeräte noch als Einzelsysteme konzipiert und installiert wurden, rollen künftige Fahrzeuggenerationen mit vernetzten Systemen über die Straßen. Die Volkswagen AG hat mit "Abus" ein Netzwerk für den Einsatz im Kfz entwickelt, das räumlich voneinander getrennte elektronische Steuergeräte im Auto zu einem Gesamtsystem verbindet. Die Grundfunktionen der Netzkommunikation sind in der Hardware festgelegt. Der Abus-IC ist ein CMOS-Gehäuse. Aufgabe des Netzwerkes ist unter anderem, Funktionskonflikte der einzelnen Systeme zu verhindern. Eine V.24-Schnittstelle am Fahrzeug ermöglicht den Anschluß an einen externen IBM-PC der kompatiblen Rechner in der Werkstatt.

Die Abus-Datenerfassung im Fahrzeug protokolliert zum Beispiel alle im Netzwerk erscheinenden Telegramme, unabhängig davon, ob es Daten, Befehle oder auch fehlerhafte Übertragungen sind. Zu jedem aufgezeichnet Telegramm werden Zusatzdaten über Zeitabstände und Status ermittelt und in einem Speicher abgelegt. Der über die Schnittstelle angeschlossenen Rechner kann diese Informationen dann für die Diagnose und Reparaturanweisung nutzen.

Eine Fehlerdiagnose elektronischer Systeme ist in den Werkstätten mit herkömmlichen Methoden künftig nicht mehr möglich, erläuterten die Fachleute. Wilfried Klanner, Leiter der Abteilung Fahrzeugtest beim ADAC, beklagte in diesem Zusammenhang das Fehlen standardisierter Verfahren zur Fehlerdiagnose aller Fahrzeugtypen. Probleme mit den elektronischen Systemen im Kfz haben auch die technischen Überwachungsvereine. Sie sind jetzt erst dabei, geeignete Prüfsysteme zu entwickeln und Prüfumfänge festzulegen. Der Anspruch der TÜVs, auch Einblick in die Elektronik und insbesondere in die Software zu bekommen, scheitert an der Komplexität der Programme in den Fahrzeugen. Sie können nicht innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitraumes kontrolliert werden, erläuterte ein Vertreter des VDI.

Ingo Meyer, beim Zentralverband des Kfz-Handels zuständig für Aus- und Weiterbildung, fürchtet gar eine Überlastung der Mechaniker durch die Vielfalt der zu bedienenden Systeme. Er forderte, den "elektronischen Schraubenschlüssel" ebenso Normungen zu unterwerfen, wie es bei mechanischen Werkzeugen schon lange üblich sei.

Wie die Automobilbauer künftig ihren Anteil an dem zu erwartenden DV-Geschäft sichern wollen, machte Klaus Stamm, Leiter der Motorelektronik bei VW deutlich: "Die Hardware soll sich der Reparaturbetrieb auf dem freien Markt kaufen, die sicherlich kostenintensivere Software kann er dann aber nur bei seinem Automobilhersteller besorgen."

Ähnlich wie im Luftverkehr ermöglicht der Einsatz von Elektronik im Auto auch die fahrzeugübergreifende Kommunikation. Der internationale Warenaustausch und der steigende Individualverkehr erfordern eine bessere Nutzung vorhandener Straßennetze. Das sei ohne den Einsatz von elektronischen Systemen im Fahrzeug nicht machbar, erläuterte Peter Walzer, Leiter des Bereiches Forschung von VW.

Den Fahrer weitestgehend von der technischen Beherrschung des Fahrzeuges entlasten, das will Christian Trowitzsch, Vorsitzender des Programmfachausschusses Elektronik im Kfz beim VDI. Seiner Meinung nach besteht ein Optimum an Unterstützung für den Fahrer nur, wenn alle Systeme miteinander kommunizieren können, so daß sich der Fahrer unabhängig vom Straßenzustand und herrschenden Witterungsbedingungen den jeweiligen Verkehrsverhältnissen anpassen kann.