Der Netzwerkmarkt zu Beginn der 90er Jahre

Vernetzt wird unabhängig von Firmengröße und Branche

18.05.1990

Die Klassischen Argumente für die PC-Vernetzung wie Resourcen-Sharing, gemeinsamer, redundanzfreier Datenbestand etc. sind selbstverständlich geworden. Das Schlagwort für PC-Netzwerke der 90er Jahre heißt "Connectivity".

Jährliche Steigerungsraten von 20 Prozent und mehr sind heute im LAN-Markt realisierbar. Zusätzlich zeichnen sich zwei erfreuliche LAN-Trends ab:

- Immer mehr Großfirmen und Konzerne vernetzen ihre Abteilungen im großen Stil mit PCs und setzen die PC-Netze als strategisches EDV-Instrument ein.

- Auch kleinere und mittlere Firmen setzen heute in großer Zahl auf vernetzte PCs und stützen zum großen Teil ihr gesamtes EDV-Konzept auf PC-Netzwerke.

- Doch kann heute grundsätzlich nicht mehr der typische Netzwerkanwender klassifiziert werden. Vernetzt wird unabhängig von Firmengröße oder Branche.

Bei den meisten LAN-Anwendern sehen sich die Netzwerkanbieter heute den gleichen Forderungen gegenüber: Betreiber und Interessenten verlangten die Integration des PC-Netzwerkes in vorhandene EDV-Landschaften oder umgekehrt die sinnvolle und komfortable Integration von Rechnern anderer Betriebsklassen (mittlere Datentechnik, Host-Systeme etc.) in das PC-Netz.

Die Bereitstellung dieser vom Anwender geforderten Connectivity ist die große Aufgabe der Netzwerkhersteller für die 90er Jahre. Nur wer als Netzwerkhersteller schon heute in der Lage ist, die vielfältigen und anspruchsvollen Connectivity-Probleme der Kunden zu lösen, wird in den kommenden Jahren auf dem Gesamt-Netzwerkmarkt Chancen haben.

Bis Ende der 80er Jahre behaupteten sich eine Vielzahl von Netztopologien im Markt (sogar firmenspezifische Lösungen). Daraus haben sich zwei Topologien, Ethernet und Token-Ring, als Standards herauskristallisiert.

Ethernet hat sich hauptsächlich im multifunktionalen und heterogenen Netzwerken etabliert und wird diese Position auch in den nächsten Jahren behalten. Dafür spricht allein schon die Zahl der weltweit installierten Ethernet-Knoten. Laut IDC-Studie werden 1990 in Deutschland 140 000 Ethernet-Knoten, 65 000 Token-Ring- und 65 000 andere Knoten installiert werden. Von diesen Anschlüssen sind 75 Prozent PC-Anschlüsse und 25 Prozent Terminals. Zum Beispiel wird Schneider & Koch dieses Jahr - eigenen Angaben zufolge - etwa 40 000 Ethernet-Boards auf dem deutschen Markt installieren. Auch das verfügbare Angebot an Ethernet-Controllern für die unterschiedlichsten Computersysteme ist ein deutliches Argument für diesen Netzstandard.

FDDI: Neue Dimensionen für die LAN-Welt

Der Token-Ring ist vor allem bei Implementierungen in vorhandenen Host-Umgebungen interessant und wird seine Marktanteile durch das Aufkommen des 16 MBit/s Token-Rings in den nächsten Jahren ausdehnen.

Den High-end-Bereich für PC-Netze wird in den kommenden Jahren das Glasfasernetzwerk FDDI (Fiber Distributed Data Interface) einnehmen. 100 MBit/s Bandbreite, 100 Kilometer Netzausdehnung und 1000 Anschlüsse im Netz sprechen für FDDI. Neue anspruchsvolle Applikationen in den Bereichen Image Processing, Optical Data Bases oder CAD verlangen die Leistungsmerkmale dieses Hochgeschwindigkeits-Netzes. FDDI erschließt in dieser Hinsicht der LAN-Welt neue Dimensionen Datentransferrate, Reichweite und Zuverlässigkeit prädestinieren FDDI darüber hinaus für den Einsatz als Hochleistungs-Backbone. Ethernet- und Token-Ring-Netze lassen sich über FDDI zu unternehmensweiten Netzen zusammenschließen. Aus Kostengründen wird FDDI auf mittlere Sicht jedoch nicht die Verbreitung von Ethernet oder Token-Ring erreichen.

Wichtig für den Netzanbieter ist es zu wissen, daß bei eine Vielzahl der Kunden zwei oder sogar drei der genannten Topologien im Einsatz sind. Hier sind zur Integration der unterschiedlichen Topologien leistungsfähige Bridges, Router und Kabelsysteme gefordert.

Verlangt wird die Multiprotokoll-Technik

Darüber hinaus spielen bei den vom Kunden verlangten komplexen Netzen die unterschiedlichen Kommunikationsprotokolle eine entscheidende Rolle. In heterogenen Netzen werden zur Kommunikation zum Beispiel mit der Unix-Welt die TCP/IP-Protokolle benutzt. Das PC-Netzwerkbetriebssystem Netware des amerikanischen Marktführers Novell verwendet die XNS-Protokolle IPX und SPX, die VAX-Rechner von DEC setzen die LAT-Protokolle voraus, in der IBM-Umgebung wird Netbios favorisiert und in der rechnerintegrierten Produktionssteuerung (CIM) finden die ISO-TP4-Protokolle Verwendung.

Netzwerkanschlüsse der Zukunft müssen in der Lage sein, selbständig und ohne Eingriffe des Anwenders diese Vielzahl von Kommunikationsprotokollen zu bedienen, um dem PC-Benutzer in Zukunft Zugriff auf alle im Netz verfügbaren Databases (etwa verteilte Datenbanken) zu geben.

Heute operieren auf dem Markt eine Vielzahl von Anbietern mit amerikanischen und deutschen, mehr oder weniger leistungsfähigen PC-Netzkarten, die das eine oder andere Protokoll beherrschen. Daneben existiert eine unüberschaubare Menge asiatischer Billignachbauten. Verlangt wird vom Markt jedoch ganz klar die Multiprotokoll-Technik, die nur von wenigen Controllern geleistet wird. Gerade für die "kleinen" Anbieter ist es wichtig, dem Kunden bewußt zu machen, daß im Netzwerkgeschäft nicht die heute üblichen Dumpingpreise, bei denen es vom Hersteller über den Händler bis zum Kunden eigentlich nur Verlierer gibt, als Kaufargument an vorderster Stelle stehen.

Die in der Anschaffung sicher teureren multifunktionalen Boards entsprechen den Kundenanforderungen auf lange Sicht sicher besser und befriedigen nicht nur die heutigen, sondern Mengenmäßige Marktentwicklung Bundesrepublik auch die zukünftigen Netzwerkanforderungen und Integrationswünsche.

Bei der Auswahl seines Netzwerkes sollte der Kunde deshalb vor einer Kaufentscheidung die Seriosität eines Herstellers, speziell in den Know-how-trächtigen Bereichen wie Support, Consulting und Schulung, überprüfen.

Da der Markt momentan von einer Vielzahl von Netzwerkprodukten überflutet ist, sind heute speziell bei Billigprodukten sehr viele nicht qualifizierte Händler im Netzwerkgeschäft tätig. Das birgt für den Kunden natürlich große Gefahren, da diese Händler nicht in der Lage sind, die für ein Netzwerk nötige Planung, Beratung und den Know-how-Transfer zu vermitteln. Der Kunde sollte sich verstärkt an autorisierte Händler halten.

Typisches Beispiel ist zur Zeit das PC-Netzwerk-Betriebssystem Netware, das als Grauimporten über unterschiedlichste Handelskanäle auf den Markt gelangt. Der Käufer trägt hierbei ein hohes Risiko, da bei Grauimporten alle dazugehörigen Leistungen wie Garantie, Up- grade-Möglichkeiten und Support für die Software fehlen. Eine ähnliche Entwicklung beginnt sich im Netzwerk-Hardwarebereich abzuzeichnen.

Fazit: Der Netzwerkmarkt war, ist und bleibt auch in Zukunft ein Know-how-trächtiger Bereich und unterscheidet sich hierdurch vom PC-Markt. Der Anwender, der nicht nur ein Kauferlebnis, sondern auf Jahre auch ein Erfolgserlebnis mit seinem PC-Netzwerk haben möchte, ist gut damit beraten, sich ausschließlich an Netzwerkanbieter zu wenden, die in dieser Branche ihre Kompetenz bereits bewiesen haben.

*Lukas T. Gorys, Schneider & Koch & Co., " Datensysteme GmbH, Karlsruhe.