Linux-Trends/Auf mobilen Geräten setzt sich Linux nicht durch

Verkümmert der Pinguin auf der Hand?

04.06.2004
Palm und Microsofts Pocket PC dominieren den PDA-Markt mit nahezu 100 Prozent. Vom einstigen Hype um Linux auf den handlichen Geräten ist keine Spur mehr. Dabei kann das Pinguin-Betriebssystem gerade bei professionellen mobilen Anwendungsszenarien punkten. Von Oliver Fels*

Bei Embedded Devices existieren Anforderungen, die die Wahl des Betriebssystems maßgeblich beeinflussen. Offenheit und Kosten sind ausschlaggebende Kriterien: Die, anders als bei Desktops, große Vielfalt an unterschiedlichen Systemvoraussetzungen erfordert eine schnelle und wenig Aufwand erfordernde Anpassung des Kernsystems an die Hardware. Der freie Zugriff auf den Quellcode des Systems und auf Treiber ist hierbei eine wichtige Grundvoraussetzung. Als Open-Source-Plattform entspricht Linux diesen Anforderungen, zumal es vom Standard- zum Embedded-Linux kein großer Schritt ist.

Viele Hersteller aus der Automatisierung haben erkannt, dass mit Linux eine Plattform existiert, die sich einheitlich und flexibel auf allen Ebenen einsetzen lässt. Daraus resultiert ein weiterer gewichtiger Vorteil: Bestehende Software in Form von Anwendungen oder Bibliotheken kann auf allen Plattformen wiederverwendet werden - mit keinen oder nur minimalen Adaptionen. Ein schlagkräftiges Argument zur Kostenreduktion.

Für mobile Anwendungen auf PDAs und Tablet PCs lässt sich dieses Prinzip ebenso anwenden - und wird auch verstärkt genutzt. Firmen wie die norwegische Trolltech sind hierbei Vorreiter in einem wachsenden kommerziellen Umfeld. Basierend auf einer Embedded-Variante der auch bei der Desktop-Oberfläche KDE verwendeten Qt-Bibliothek, entwickelte Trolltech "Qtopia", eine grafische Plattform für Linux-basierende PDAs und andere Embedded Devices.

Qtopia umfasst unter anderem eine Reihe von Standardanwendungen (Adressbuch, Kalender, To-do-list etc.) sowie für Multimedia und Systemeinstellungen. Die Oberfläche kapselt das darunter liegende Linux-System vollständig und entbindet den Anwender von der Notwendigkeit, sich mit Betriebssystem-Spezifika zu befassen - für PDAs angesichts ihrer Anwenderschaft eine wichtige Voraussetzung.

Zurzeit arbeitet Trolltech an der Fertigstellung der "Qtopia Phone Edition", einer speziellen Erweiterung zur Anwendung in Smartphones. Das Unternehmen sieht in der Symbiose von PDA und Mobiltelefon einen Markt mit großen Wachstumspotenzialen und möchte mit einer ausgereiften Plattform als Konkurrent zu Microsofts "Pocket PC Phone Edition" in den Startlöchern stehen. Motorola hat bereits entsprechende Geräte angekündigt, andere wie Samsung haben Interesse bekundet.

Qtopia- und Opie-Systeme

Die Möglichkeit der Einflussnahme von dritter Seite ist bei Qtopia, trotz seines Open-Source-Charakters, eher gering. Die Lizenzform ermöglicht ein Mitwirken allenfalls bei Verzicht auf jegliche Rechte am eingebrachten Code. Daher ist Qtopia bei Open-Source-Entwicklern natürlich nicht auf sonderlich viel Gegenliebe gestoßen.

Aus diesem Grund entstand das "Open Palmtop Integrated Environment" (Opie). Basierend auf Qtopia, wurde das System zu einer freien grafischen Oberfläche für PDAs und Embedded Devices entwickelt. Neben der Erweiterung der PIM-Funktionalität (Personal Information Management) und Verbesserungen der Architektur kamen eine Reihe von Anwendungen hinzu. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Benutzerfreundlichkeit. Obwohl große Teile der Qtopia-Basis eingehend verändert wurden, ist eine vollständige Kompatibilität zum Trolltech-System gegeben. Als Referenzplattformen dienen PDAs wie der "Ipaq" von HP, Sharps "Zaurus" und der "Simpad" Tablet PC von Siemens.

Starke Integrationsfähigkeit

Mobile Geräte sind als Inselsysteme nicht existenzfähig und spielen ihre Stärke erst durch die Integration in bestehende Infrastrukturen aus. Sie machen Anwendungen möglich, die die Informationen und Daten zu Workflow-Prozessen direkt zum Ort ihrer Anwendung bringen. Dieser mobile Workflow unterstützt Anwendungen in vielen Bereichen, beispielsweise in der Wartung, der Medizin oder der Prozessüberwachung.

Kern dieses Verfahrens ist die Anbindung an industrielle Backend-Systeme über standardisierte Schnittstellen, eine Domäne offener mobiler Systeme. Durch die Verfügbarkeit einer Vielzahl an bereits bestehenden Modulen und Anwendungen aus dem Open-Source-Umfeld lassen sich entsprechende integrative Lösungen kostengünstig erstellen. Zudem basieren Plattformen wie Opie und Qtopia von Haus aus auf der Nutzung aktueller Technologien, beispielsweise XML.

Im Unterschied zu beispielsweise Microsofts Windows CE Mobile Edition, welches sich ohne kostenträchtiges Zubehör nur mit Systemen aus dem eigenen Haus verträgt, zeigen Linux-Systeme auf PDAs und Tablet PCs eine recht großzügige Ausstattung zur Kommunikation mit Systemen aller Art. Eine hohe Wartungsfreundlichkeit wird durch ein innovatives Konzept zum Einspielen und Aktualisieren von Software und Konfigurationsdaten per Netzwerk erreicht. Updates des Systems oder einzelner Komponenten lassen sich automatisch von Web- oder FTP-Servern installieren, wobei auch Abhängigkeiten berücksichtigt werden.

Neue Anwendungsszenarien

Durch Generierung eines Abbildes ("Image") eines Geräts lassen sich zudem beliebig viele weitere durch Aufspielen mit identischem Auslieferungszustand erzeugen, was sich bei der Administration eines Pools aus vielen Geräten zeitsparend auswirkt. Die bei Linux üblichen Multiuser-Fähigkeiten erscheinen bei einem PDA auf den ersten Blick nicht recht sinnvoll, bergen jedoch bei näherer Betrachtung interessante Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem so genannten Device Sharing. Hierbei teilen sich mehrere Anwender Geräte aus einem Pool; gleichwohl stellt das System dem Benutzer nach seiner Anmeldung personalisierte Anwendungen zur Verfügung.

Nachdem sich Sharp mit dem Zaurus aus dem außerasiatischen Raum zurückgezogen hat und andere Geräte wie der "Yopi" von Samsung eher ein Schattendasein führen, stellt sich die Frage nach der Akzeptanz der offenen Systeme. An der Technik kann es nicht liegen - technisch sind die Devices der Zaurus-Reihe auf dem neuesten Stand. An der Nachfrage auch nicht - in Japan ist der Anbieter damit sogar Marktführer. Doch haben eine verfehlte Produktpolitik, schwaches Marketing und hohe Preise negativ gewirkt. Dies kennt man bereits von Apple, das mit dem "Newton" zwar hochklassige Technik auf den Markt brachte, die noch heute ihresgleichen sucht, seine Anwender aber letztendlich ohne Unterstützung im Regen stehen ließ.

Hier endet die Parallele allerdings bereits. Denn anders als das proprietäre Newton-System besitzt das offene Linux genug Flexibilität, um Abhängigkeiten zu Herstellern von Geräten und Software zu vermeiden, sowie eine große Zahl international renommierter Unterstützer. Von den Cambridge Research Labs der ehemaligen Compaq (jetzt HP) beispielsweise kommen maßgebliche Impulse für die Linux-Portierung der Ipaq-PDAs, IBM hat eine eigene Research Division für Linux-Themen, und Motorola steht kurz vor der Auslieferung eines Linux-basierenden Smartphones.

Schattendasein am Markt

Von einem Mainstream-Einsatz der Geräte in nennenswerten Stückzahlen ist man freilich noch weit entfernt. Zwar gibt es Linux-Portierungen für eine Reihe PDAs und Tablet PCs. In der Regel werden die Geräte allerdings, mit Ausnahme des Zaurus und Yopi, nicht serienmäßig mit Linux ausgeliefert. Dabei birgt ihr Einsatz in kundenspezifischen Lösungen des "Mobile Workflow" wegen der durch Modularität, Kompatibilität und Wiederverwendbarkeit entstehenden signifikanten Kostenersparnisse großes Potenzial, insbesondere auch als Bestandteil einer Linux-Migrationsstrategie.

Hier wird sich auch zeigen, inwieweit die Bekenntnisse der großen Unternehmen hinsichtlich ihres Engagements im Linux Umfeld ernst zu nehmen sind. Im letzten Jahr gaben ein Rundgang über diverse Messen und Nachfragen bei eben jenen Protagonisten wenig Anlass für Hoffnungen. Dies ist bedauerlich, zumal die Verfügbarkeit einer durchgängigen Linux-Systemkette vom Server über den Desktop bis hin zu PDAs und Tablet PCs eine realistische und effiziente Option darstellt.

Hersteller sind gefordert

Mehr Engagement im Linux-Segment durch die Hersteller der diversen Geräte ist Grundvoraussetzung für eine größere Verbreitung der Plattform. Dies steht daher auf der Wunschliste der Open-Source-Entwickler ganz oben. Die Grundlagen dafür haben sie bereits geschaffen. (ls)

*Oliver Fels ist Projekt-Manager bei der Open4business GmbH in Friedrichshafen und befasst sich unter anderem mit mobilen und konventionellen Workflow-Lösungen sowie E-Business-Strategien.

Hier lesen Sie ...

- warum Embedded Linux für PDAs und Tablet PCs besonders interessant ist;

- welche technischen Grundlagen in letzter Zeit entwickelt worden sind;

- aufgrund welcher Faktoren die Verbreitung von Linux auf Handhelds trotzdem hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.