Verhalten ist wichtiger als Plaene Projektmanager lernen via Simulation Fuehrungsverhalten Von Baerbel Schwertfeger*

01.10.1993

Viele DV-Projekte scheitern, weil die Verantwortlichen die Besonderheiten dieser Arbeit nicht kennen. Nach Ansicht des amerikanischen Managementberaters Robert Graham spielen dabei jedoch Planungstechniken und Methoden nur eine untergeordnete Rolle. Die wirklichen Probleme laegen immer am Verhalten und nicht an falschen Plaenen.

Um Manager fuer die Projektarbeit fit zu machen, hat Robert Graham, Mitarbeiter der Strategic Management Group Inc. in Philadelphia, eine Computersimulation entwickelt, bei der die Verhaltensaspekte im Vordergrund stehen. Die Simulation "The Complete Project Manager" wurde bereits in Japan und Russland erfolgreich durchgefuehrt. Seit kurzem gibt es auch eine deutschsprachige Version.

Als Projektmanager einer Softwarefirma sind die Teilnehmer verantwortlich fuer die Entwicklung eines neuen Programms. Das Projekt hat strategische Bedeutung fuer das gesamte Unternehmen und wird von den Mitarbeitern sehr unterschiedlich bewertet. Waehrend manche Abteilungen das Projekt begeistert unterstuetzen, ueben andere massiven Widerstand.

Mit der Zusammenarbeit beginnt auch das Kaempfen

Der Projektleiter persoenlich erhofft sich durch den erfolgreichen Abschluss des Projekts einen Karrieresprung.

In Kleingruppen agieren die Teilnehmer als der verantwortliche Projektmanager. Sie muessen einen Projektplan entwickeln, Entscheidungen hinsichtlich Ausgaben und Projektorganisa- tion treffen und die verschiedenen Persoenlichkeiten der Teammitglieder unter einen Hut bringen.

Voraussetzung fuer eine effektive Projektarbeit ist, dass die Teammitglieder von Anfang bis Ende freiwillig an dem Projekt mitarbeiten. "Zu Beginn der Projektarbeit weiss keiner, was auf ihn zukommt", erklaert Graham. Das verunsichere die Beteiligten und fuehre manchmal zu merkwuerdigen Reaktionen.

"Nehmen Sie es daher nicht persoenlich, wenn die Leute beim ersten Treffen misstrauisch sind", raet Graham den angehenden Projektmanagern. Bestes Mittel gegen Misstrauen und Unsicherheit sei die ausfuehrliche Information aller Beteiligten. Doch auch innerhalb des Projektteams kommt es anfangs oft zu Problemen. "Sobald die Leute beginnen zusammenzuarbeiten, fangen sie an zu kaempfen", hat Graham beobachtet. Es sei daher gut, einen Feind draussen zu haben. Meist sei dies dann der Kunde. "Der Focus auf den Kunden ist wichtig, um ein Team zusammenzuschweissen", behauptet der Amerikaner.

Der Ablauf eines Projekts laesst sich in verschiedene Phasen zerlegen, wobei jede Phase andere Schwerpunkte hat. So ist etwa die Unterstuetzung des Projektes durch das Topmanagement am Anfang sehr wichtig, in der Hauptphase spielt sie so gut wie keine Rolle mehr. Wichtigster Erfolgsfaktor in allen Phasen ist die Teammotivation. "Es ist ein grosser Fehler, andere mit Werten motivieren zu wollen, die nur fuer einen selbst wichtig sind", mahnt Graham. Statt auf seine Autoritaet als Chef zu setzen, muesse sich der Projektmanager auf die Selbstkontrolle der Gruppe verlassen. Dazu muesse er die Teammitglieder in alle Entscheidungen ueber Planung, Strategie und Con- trolling miteinbeziehen und die Aufmerksamkeit jedes einzelnen auf das Gesamtprojekt lenken. "Ein Projektmanager hat viel Verantwortung, aber keine Autoritaet", erklaert Graham.

Er muesse daher die verschiedenen Stufen der Teamentwicklung kennen und sein Fuehrungsverhalten entsprechend anpassen. Ist zu Beginn ein direktiver Fuehrungsstil durchaus sinnvoll, so stoesst er in der Endphase des Projektes auf den Widerstand der Gruppe. Zu diesem Zeitpunkt muss die Verantwortung an das Projektteam delegiert werden.

"Was tun Sie, wenn Sie es eilig haben und lange auf den Aufzug warten muessen?", fragt Robert Graham die Seminarteilnehmer. Die Antwort ist klar: Man drueckt ein zweites Mal auf den Knopf, wohlwissend dass der Aufzug deshalb nicht schneller kommt. "Unter Druck reagieren die Menschen irrational", erklaert der Amerikaner. Knackpunkt ist stets die Einhaltung des Zeitplans. Denn der Fortschritt eines Projekts waechst keineswegs linear mit der verbrauchten Zeit. Im Gegenteil: Der Unterschied zwischen erwarteter und tatsaechlicher Leistung wird immer groesser, der Projektmanager immer nervoeser.

Dann kommt der Punkt, an dem statt der erwarteten 60 Prozent lediglich 15 Prozent der Arbeit erledigt sind. "Zu diesem Zeitpunkt koennen Sie absolut nichts tun", behauptet Graham. Doch die meisten Projektmanager reagieren falsch. Sie vertrauen ihrem Team nicht mehr, holen neue Mitarbeiter ins Team und demotivieren damit alle Beteiligten. "Das Fatale ist, dass ein Projektmanager auf den ersten Blick um so besser dasteht, je mehr er tut", bemaengelt Graham. Langfristig fuehrten diese Aktivitaeten jedoch zu einer Verlangsamung des gesamten Projekts. Nach diesen Einfuehrungen erproben sich die Teilnehmer am Computer als Projektmanager. Um ihr Projekt erfolgreich zu beenden, bekommen sie eine Fuelle von Informationen in Form von Memos, Telefonmitteilungen, Reports, Briefen und Zeitschriftenartikel. Entscheidungen muessen anhand von Antwortvorgaben getroffen werden. Zusaetzlich koennen die Spieler Meetings einberufen und die Meinungen einzelner Mitarbeiter anhoeren oder den im Unternehmen vorhandenen Geruechten lauschen.

Simulation zeigt die Verhaltensauswirkungen

Die Simulation umfasst vier Runden e eineinhalb Stunden Spielzeit. Jede Runde entspricht einer Projektdauer von drei Monaten. Am Ende jeder Runde gibt es ein detailliertes Feedback ueber den Stand des Projektes. Dazu gehoeren neben den Angaben ueber die bisherigen Ausgaben, die Einhaltung des Zeitplans und die Produktqualitaet vor allem Informationen ueber die Teamentwicklung. Jede Entscheidung wird ausfuehrlich mit ihren Vor- und Nachteilen kommentiert. Nach jeder Spielrunde werden die Ergebnisse im Plenum diskutiert.

Die zu bewaeltigenden Aufgaben sind vielfaeltig und bringen die Spielteams ins Schwitzen. Da muessen Meetings geplant, neue Computer oder Softwareprogramme gekauft, Programmierer auf Seminare geschickt und die Kunden auf dem laufenden gehalten werden. Dazu kommen Streitigkeiten zwischen den Teammitgliedern und ein Absinken der Motivation. Probleme gibt es auch mit dem Management. Der Chef des Unternehmens will Mitglieder der Projektgruppe fuer andere Aufgaben abziehen und sich selbst in das Projekt einschalten.

Schliesslich drohen einzelne Teammitglieder mit der Kuendigung und Geruechte ueber ein neues Konkurrenzprodukt tauchen auf. Trotz aller Schwierigkeiten muss der gestresste Projektmanager in jeder Runde vier Wochen nehmen und wer zu viel Ueberstunden macht, wird krank und muss zu Hause bleiben.

Im Laufe der Simulation erlebt jede Spielgruppe hautnah, wie sich jede einzelne Entscheidung auf die Motivation und Zufriedenheit des Projektteams auswirkt und wie schwer es ist, das im Seminar erworbene Wissen im Eifer des Gefechts auch umzusetzen. Trotz bester Vorsaetze machen alle Teams grundlegen- de Fehler und die am Ende der Simulation erhoffte Befoerderung ist fraglich. Da kommt der An- ruf eines Headhunters sehr gelegen.

*Baerbel Schwertfeger ist freie Fachjournalistin in Muenchen.

Informationen: Gesellschaft zur Foerderung der Weiterbildung (gfw) an der Universitaet der Bundeswehr Muenchen, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85579 Neubiberg,

Telefon 089/60 04-21 53.