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Seit 10 Jahren

Verein Campact mobilisiert Massen für Protestaktionen

26.11.2014
Aus der niedersächsischen Provinz heraus werden bundesweit Protestaktionen geplant: Campact mobilisiert über das Internet 1,5 Millionen Menschen. In diesem Jahr feiert die Kampagnenorganisation ihren zehnten Geburtstag.

Der Protest vor der CDU-Parteizentrale in Berlin war gut in Szene gesetzt: Als sich vor einem Jahr CDU, CSU und SPD zu Koalitionsverhandlungen trafen, machten Aktivisten mit Großmasken der Parteichefs und einem aufblasbaren Grundgesetz mobil für bundesweite Volksentscheide. Über 160.000 Unterschriften wurden überreicht. Organisiert worden war der Protest unter anderem von der Kampagnenorganisation Campact und dem Verein Mehr Demokratie.

Michael Efler vom Bundesvorstand Mehr Demokratie spricht von einer "fruchtbaren, konstruktiven Zusammenarbeit". Sein Verein ist schon lange am Thema Volksentscheid dran. Und mit Hilfe von Campact schaffte Mehr Demokratie es, innerhalb kürzester Zeit sehr viele Menschen für den Protest zu mobilisieren. "Eine klassische Win-win-Situation", sagt Efler.

Seit inzwischen zehn Jahren organisiert die Online-Plattform Campact von der niedersächsischen Kreisstadt Verden aus bundesweite Widerstandsaktionen - sei es gegen Kohlekraft, Gentechnik, Fracking oder das Freihandelsabkommen TTIP.

Das funktioniert so: Über 1,5 Millionen Menschen lassen sich per Mail über Aktionen zu aktuellen politischen Entscheidungen informieren. Wer ein Anliegen unterstützt, unterzeichnet es. Gegen TTIP wurden über 630.000 Unterschriften gesammelt: "So viel wie noch nie bei einem Campact-Appell", sagt Geschäftsführer Christoph Bautz.

Doch Campact geht noch einen Schritt weiter, organisiert Demonstrationen und mobilisiert dafür über den Verteiler Teilnehmer vor Ort. Campact stattet sie mit Protestmaterial wie Plakaten oder Flyern aus. "Netz und Straße gehen eng Hand in Hand. Mit Campact entfalten Bürger gemeinsam politischen Druck und werden zum Korrektiv gegen mächtige Wirtschaftsinteressen", sagt Bautz. Politiker seien dann am meisten von Protesten beeindruckt, wenn sie merkten, dass es ihre eigenen Wähler sind, die auf die Straße gehen.

Zusammen mit zwei Gleichgesinnten rief Bautz Campact 2004 ins Leben. Zuvor hatte der 41-Jährige das globalisierungskritische Netzwerk Attac - ebenfalls in Verden - gegründet. Vorbild für Campact war "Move on", die weltweit erste internetbasierte Protestorganisation. "Mit uns werden Bürger im Netz und auf der Straße politisch aktiv", so Bautz. Der Name Campact ist zusammengesetzt aus den englischen Wörtern Campaign (Kampagne) und Action (Aktion).

30 feste Mitarbeiter arbeiten inzwischen für Campact - zum Teil von Verden, zum Teil von Berlin aus. Immer montags reisen die Berliner für zwei Tage nach Verden in die Büroräume im Ökozentrum, um Kampagnen zu planen. Rund fünf Millionen Euro hat die Organisation dafür 2014 zur Verfügung - deutlich mehr als letztes Jahr. Die Mittel stammen von Kleinspenden und Förderern. "Wir nehmen kein Geld von Unternehmen oder von der öffentlichen Hand", betont Bautz.

Den Erfolg von Campact kann der Soziologe und Protestforscher an der TU Berlin, Simon Teune, gut nachvollziehen: "Campact ist am Puls der Zeit. Sie nutzen sehr intelligent die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung." Zugleich richte Campact die Kampagnen konsequent an politischen Entscheidungsprozessen aus und inszeniere die Kritik in medienwirksamen Bildern.

Bei den meisten Aktionen arbeitet Campact mit Partnerorganisationen wie Attac, Greenpeace oder Mehr Demokratie zusammen. "Die Kooperationspartner sind wichtig, damit unsere Kampagnen fachlich fundiert sind", erklärt Bautz. Bevor eine Aktion startet, wird erst unter den Campact-Unterstützern nachgefragt, ob sie das Thema interessiert. "Bestimmte Themen, die diese Resonanz nicht erfahren, wie zum Beispiel die Flüchtlingspolitik, werden dadurch stiefmütterlich behandelt", sagt Forscher Teune.

Das Thema Volksentscheide hatte im letzten Jahr von den Campact- Nutzern dagegen grünes Licht erhalten. Die Aktion vor der CDU-Zentrale erfuhr große mediale Beachtung. Deswegen ist Michael Efler zufrieden mit der Kampagne - auch wenn die CDU weiterhin bundesweite Volksentscheide ablehnt. "Wir geben uns nicht geschlagen. Wir bleiben weiter dran." Auch mit Unterstützung von Campact. (dpa/tc)