"Veredeltes" Timesharing als Folge immer preiswerter werdender Hardware:Kostendruck führt den Anwender zum Service-RZ

12.09.1980

Die Leistungspalette der freien Service-Rechenzentren hat sich in den letzten Jahren vom reinen Rechenzeitangebot immer mehr auf das zusätzliche Anbieten von Anwendungsprogrammen und weiter über die kundengerechte. Modifikation solcher Programme bis zur vollen Problemlösung hin entwickelt. Diese Entwicklung mitvollzogen hat beispielsweise auch das Haus Control Data, einer der größten Anbieter von Timesharing-Dienstleistungen.

Weltweit hat Control Data über 40 Großrechner installiert, die durch Datenleitungen miteinander verbunden sind. Das ermöglicht den Austausch von Informationen von einem Zentrum zum anderen. Das deutsche Rechenzentrum befindet sich in Frankfurt. Legislative Beschränkungen des Datenverkehrs über Ländergrenzen hinweg werden in allen Ländern Europas und in den USA weiter zunehmen. Control Data hat sich hier bereits im Gegensatz zu anderen Timesharing-Anbietern der veränderten Situation angepaßt.

Das Angebot von Control Data unterscheidet zwischen "Cybernet Service" für Einsatzgebiete im technisch/wissenschaftlichen Bereich (Statik/ Dynamik, Elektrotechnik, grafische Verarbeitung, Operations Research, Datenbanken, CAD/CAM-Anwendungen sowie Finanzplanung/Prognose-Modelle) und dem "Call CDC Service" für Problemlösungen im kommerziellen Bereich, insbesondere Budget-, Produktions-Planung, Cash-Flow-Analysen und spezielle Bankanwendungen.

Timesharing läßt sich folgendermaßen kurz definieren: Verschiedene Anwender greifen per Datenfernübertragung (in Deutschland Postleitungen) auf einen entfernten Rechner zu. Dies kann im Remote Batch-Betrieb mit synchroner Übertragung oder im interaktiven Betrieb, also asynchron erfolgen. Mit der Entwicklung zu immer größeren und leistungsfähigeren Rechnern ist es heute ohne weiteres möglich eine Vielzahl von Benutzern sowohl in der interaktiven als auch Batch-Verarbeitung zu bedienen. Für den Benutzer ist nur noch die Wahl der Priorität entscheidend; allgemein bedeutet interaktives Arbeiten höchste Priorität.

In den Anfängen des Timesharing (1970 und früher) bestand das Angebot zum überwiegenden Teil aus der Hardware und den Compilern. Der Benutzer entwickelte eigene Programme, kaufte also Rechenzeit. Der große Umschwung im Timesharing-Angebot geschah mit der sogenannten "veredelten" Rechnerleistung: Die Anwendungs-Software des Timesharing-Anbieters wurde mit den Benutzer-Daten verarbeitet. Allerdings geschah diese "Veredelung" der Rechnerleistung durch die Timesharing-Anbieter nicht ganz freiwillig: Die Hardware wurde preiswerter, Minicomputer traten als Konkurrenz zum Service-Rechenzentrum auf, und In-House-Rechner boten in zunehmendem Maße "In-House-Timesharing" an. Dazu einige Zahlen aus der Control Data-Praxis: 1970 betrugen die prozentualen Timesharing-Umsatzanteile aus dem Verkauf von Rechenzeit 80 Prozent; die restlichen 20 Prozent entfielen auf Anwendungsprogramme. 1976 lagen die Anteile bei 50:50, und heute, 1980, liegt der Anteil der Anwendungsprogramme bei über 80 Prozent.

Zwei wesentliche Gründe sind dafür maßgebend:

1. Die Zunahme der Datenverarbeitungskosten in Richtung Personalkosten, und hier insbesondere für die Erstellung und Wartung von Anwendungs-Software.

2. Die Bereitschaft von Timesharing-Rechenzentren, im Zusammenhang mit Anwendungsprogrammen auch die noch wichtigere Anwendungsberatung und sogar komplette Problemlösung (Consulting) zu bieten.

Der Mitarbeiterstab im Bereich Anwendungsberatung hat sich bei Control Data in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Der Umsatz, erzielt durch den Einsatz von Anwendungsberatern, ist in den letzten drei Jahren um mehr als das Vierfache gestiegen und beträgt heute schon 15 Prozent des Gesamtumsatzes aus RZ-Dienstleistungen. Ursache dessen sind in erster Linie Anwendungen, die wegen ihrer hohen technischen Anforderung und Komplexität nicht ohne weiteres im Haus des Anwenders abgewickelt werden können.

Zwei Dienstleistungsformen sind hier zu nennen:

Anwendungsberatung:

In diesem Falle verlangt der Kunde für sein Problem nicht nur die Einführung, sondern auch die Programm-Anpassung an sein spezifisches Problemgebiet.

Wir erleben es immer häufiger, daß Kunden aus Großfirmen mit personell gut ausgestatteten und organisierten Rechenzentren nach einer kurzfristig lieferbaren Lösung fragen. Das Rechenzentrum des Kunden kann (oder will) nicht die ständig wachsende personelle Belastung bewältigen.

Als Vorgabe erhält der Anwendungsberater meist nur den Wunschtermin und eine ungefähre Problembeschreibung. (Ein Lehrbuch der Systemanalyse würde demgegenüber eine fertig ausgearbeitete Programmspezifikation verlangen.) Herkömmliche Programmierung ist aus zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen völlig ausgeschlossen. Hier hilft nur die erprobte Anwendungs-Software und der erfahrene Anwendungsberater, der kurzfristig die entsprechende Anpassung des Anwendungsprogrammes an die Problembeschreibung vornimmt.

Komplette Problemlösungen:

Hier übergibt der Kunde sein Problem vollständig dem Service-Rechenzentrum. Fachleute erstellen die Lösung - sei sie kaufmännischer oder technisch/ wissenschaftlicher Art - unter Zuhilfenahme der geeigneten Anwendungsprogramme. Der Kunde erhält die Ergebnisse in einem Abschlußbericht.

Zur Ergänzung des eigenen Mitarbeiterstabes wird oft auch ein Subcontractor verpflichtet. Bei dieser Form der Dienstleistung scheint für den Auftraggeber die Frage der Haftung ausschlaggebend zu sein (Größe und Name des Service-Rechenzentrums). Die Erfahrung zeigt, daß in vielen Fällen aus Haftungsgründen ein potenter Partner vor einem Ingenieurbüro ausgewählt wird.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Das Angebot der Timesharing-Rechenzentren für Problemlösungen mit vorhandener Anwendungs-Software sowie Beratung ist für den Kunden besonders attraktiv geworden. Der Verhandlungspartner ist der zuständige Fachbereich und nicht, wie früher, die EDV-Abteilung.

*Rolf Sänger ist Verkaufsleiter Deutschland in der Abteilung Data Services der Control Data GmbH, Frankfurt.