Kolumne

Verdrängung im Beratermarkt

01.02.2005

Fast könnte Mitleid aufkommen mit den IT-Dienstleistern: Für Standard-Beratungen und -Integrationsprojekte liegen die Tagessätze bis zu 30 Prozent unter den seit drei Jahren rückläufigen Listenpreisen (siehe Seite 1). Damit nicht genug, können die meisten Beratungsunternehmen ihre Consultants zurzeit nicht auslasten.

Die Auftragszurückhaltung der Anwender hat im Wesentlichen zwei Gründe: Die IT-Chefs achten in Zeiten knapper Kassen darauf, ihre internen, fest angestellten Mitarbeiter auszulasten, bevor sie sich an Berater und Integratoren wenden. Zweitens ergibt sich aus der Budgetarmut automatisch auch eine geringere Zahl von abzuarbeitenden Projekten. Ergo wird der Preisdruck auf die Beraterzunft größer. Das ist für sich genommen - und hier endet unser Mitleid - kein Grund zum Klagen. Jahrzehntelang waren Anwender den Preis- und Projektvorstellungen der Beraterzunft hilflos ausgeliefert. Wer die Mondpreise nicht zahlen wollte, wurde links liegen gelassen. Ganz schlimm trieben es einige Internet-Berater (die meisten gibt es nicht mehr), die nur Unternehmen mit der "richtigen" Einstellung und den "passenden" Mitarbeitern in den Genuss ihrer Leistungen kommen ließen. Wer nicht hip genug war, schaute in die Röhre.

Doch auch die weniger arroganten Consultants kümmerten sich weder um Markttransparenz, Produktdefinition noch um Qualitätsstandards. Es lief ja alles prima. Das rächt sich jetzt. In diesen schwierigen Zeiten würde es den Beratern sicher helfen, wenn unabhängige Benchmarks über ihre Leistungsfähigkeit in den verschiedenen Segmenten vorlägen. Wahrscheinlich würden Anwender auch mehr Aufträge vergeben, wenn sie sich nicht jedes Mal auf ein finanzielles Abenteuer einlassen müssten, wenn also vor Vertragsabschluss eindeutig geklärt wäre, wie lange ein Projekt dauert, was es kostet und wie bei Zeit- und Budgetüberschreitungen vorgegangen wird. Bei alldem würde eine Definition von Dienstleistung als Produkt sehr helfen. Bestimmte Services ließen sich so genau und nachvollziehbar voneinander abgrenzen, mit einem Preis versehen und vergleichen. Natürlich funktioniert das mit "Standard-Dienstleistungen", die in vorher geprüften Kundenumgebungen stattfinden, am besten. Aber wer unter Hinweis auf eher exotische Kundenanforderungen generell die Vergleichbarkeit von Dienstleistungen in Frage stellt, kommt damit heute nicht mehr durch. Deshalb muss die Beraterzunft jetzt mit Hochdruck für Transparenz in ihrem Markt sorgen und beginnen, sich auf dem erreichten Preisniveau einzurichten. Wer das nicht fertig bringt, verschwindet relativ schnell vom Markt.

Kommentare zu dieser Kolumne bitte an cwitte@computerwoche.de