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Verdeckter Einsatz: Das Geschäft mit "Mystery Shopping" boomt

26.01.2007
Ein neues Handy, einen neuen Festnetz-Vertrag, einen neuen Internet-Tarif: Nichts von all dem will Daniel und doch steht er in einem Fachgeschäft und lässt sich beraten.

Nicht nur die Tipps der Verkäuferin hört sich der 30-Jährige an, auch ihrem Hosenanzug und ihrem Blick schenkt er Aufmerksamkeit - ganz unauffällig. Daniel ist nicht verliebt, nein, er ist "Mystery Shopper" und will deshalb auch nicht mit Nachnamen genannt werden. "Testkäufer" heißt sein Beruf in Kurzform auf Deutsch. Inkognito prüft er wie 20.000 weitere Menschen für einen der bundesweit größten "Mystery-Shopping"-Anbieter Kundenfreundlichkeit und Verkaufsverhalten von Handygeschäften, Tankstellen und weiteren Dienstleistern - ein boomendes Geschäft.

"Zu 'Mystery'-Shopping gibt es keine Alternative, was die Messung von Service-Qualität betrifft", meint Wirtschaftswissenschaftler Prof. Nobert Drees von der Fachhochschule Erfurt. Testkaufen gewinne immer mehr an Bedeutung, weil die Produkte austauschbar seien. Die Wettbewerber könnten sich nur noch über den Service voneinander abgrenzen. "Innerhalb der Marktforschung ist 'Mystery Shopping' der am stärksten wachsende Bereich." Händler und Dienstleister lassen sich die Scheinkäufe nach Angaben des europäischen Verbands Mystery Shopping Provider Association (MSPA Europe) mittlerweile rund 210 Millionen Euro pro Jahr kosten. Bis 2010 wird mit einer jährlichen Umsatzsteigerung von elf Prozent gerechnet.

"Die meisten Leute machen den Job aus der Überzeugung, die Einkaufswelt verbessern zu können - wie auch ich", sagt Daniel nach seinem Einsatz. Sein Auftraggeber, das Münsteraner Unternehmen MSM Germany Marketing, Service & Management GmbH, zahlt dem Bürokaufmann für seinen Nebenjob je nach Aufwand zwischen acht und 50 Euro. "Für manch einen ist es auch ein finanzielles Zubrot", erzählt Christian Karrenbauer, Mitglied der MSM-Geschäftsführung. Hausfrauen, Studenten, Ingenieure, Beamte - mit einem breiten Spektrum an Testern warten die Münsteraner auf, die auch international mit Niederlassungen in Österreich und China vertreten sind. Ein lohnendes Geschäft: Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich der Umsatz von MSM verdoppelt.

"Jeder zehnte Test geht in die Hose", berichtet Karrenbauer. Das heißt etwa: Fachkräfte im Reisebüro raten Kunden von ihrem Traumziel ab oder schicken diese mit Katalogen weg. Quer durch alle Auftraggeber seien die Kernprobleme stets die gleichen: Der Kaufwunsch des Kunden wird nicht ermittelt, es kommt zu keinem Verkaufsabschluss. "So richtig grobe Fehler sind aber die Ausnahme", sagt Tester Daniel. Er selbst hat bei einem Autokauf einen "absoluten Hammer" erlebt. Mit einem Vorführwagen wurde er gebeten, sieben Liter Sprit zu tanken. Die Kosten hat er nicht komplett ersetzt bekommen. Der Kommentar des Autoverkäufers lautete: "Sie sollten für sieben Euro tanken und nur die kriegen sie zurück."

Auf ihre verdeckten Einsätze werden Daniel wie seine Testkollegen unter anderem in Schulungen mit simulierten Einkaufssituationen vorbereitet. In speziell entwickelten Fragebögen beurteilen sie nach Testabschluss sowohl die Ausstattung des Geschäfts, Sauberkeit, Kleidung der Berater als auch das Verkaufs- und Beratungsgespräch.

Die Gewerkschaft ver.di sieht "Mystery Shopping" auch kritisch. Häufig sei zu erleben, dass die Tester erfolgsabhängig orientiert an der Aufdeckung von Fehlern bezahlt werden, sagte ver.di-Handelsexperte Folkert Küpers. Dies führe zu Manipulationen und konstruierten Vorfällen, die die Mitarbeiter in ein schlechtes Licht rücken könnten.

"Ich fühle mich weniger überprüft, sondern sehe die Tests als Feedback, um mich zu verbessern», sagt Verkäuferin Heike Schöppner (38), die Daniel beraten hat. Genau das ist auch das Ziel der beobachteten Unternehmen: "Wir können wunderbar messen, wo wir noch Defizite haben und wo unsere Stärken sind. Wir bekommen somit wertvolle Hinweise für ein besseres Verkaufskonzept", sagt Thorsten Fluck, Leiter des Geschäftsbereichs Shops des Telekommunikationsanbieters The Phone House. Es gehe nicht darum, Mitarbeiter zu sanktionieren. Fluck schwört auf die unbekannten Käufer: "'Mystery Shopping' hat einen großen Beitrag dazu geleistet, dass wir in den vergangenen zwei Jahren je Filiale unseren Umsatz um zehn Prozent erhöht haben."

Stichwort: "Mystery Shopping"

Unter "Mystery Shopping" werden Testkäufe oder Scheinberatungsgespräche verstanden, mit denen Unternehmen die Kundenfreundlichkeit und das Verkaufsverhalten ihrer Mitarbeiter prüfen lassen wollen. Auch harte Fakten wie die Ausstattung des Geschäfts oder die Präsentation der Produkte werden bei den heimlichen Besuchen unter die Lupe genommen. Eingesetzt werden in regelmäßigen Zeitabständen speziell geschulte Tester ("Mystery Shopper"), die diese Kaufsituationen durchspielen und hinterher bewerten, ohne dass die Verkäufer Bescheid wissen.

"Mystery Shopping" ist somit ein Marktforschungsinstrument. Es wurde erstmals in den 30er Jahren in den USA eingesetzt. Ziel ist es, Schwachstellen in Bezug auf die genannten Qualitätskriterien aufzudecken und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.

Genaue Angaben zur Zahl der Anbieter in Deutschland gibt es nicht. Im Bundesverband Mystery Shopping sind fünf große Unternehmen registriert. Dem europäischen Verband Mystery Shopping Provider Association (MSPA Europe) gehören rund 80 Unternehmen aus 28 Ländern an. Mit der Mitgliedschaft in diesen Verbänden verpflichten sich die Unternehmen auf Richtlinien wie: Verwendung nur von wirklich erhobenen Daten und Verbot der alleinigen Verwendung von Testkaufstudien zur Entlassung oder Abmahnung von Mitarbeitern. (dpa/tc)