Program-to-Program-Communication:

Verbindungen jetzt in der zweiten Generation

04.09.1987

Nach einhelliger Meinung vieler Fachleute besteht die anspruchsvollste Art der Mikro-Mainframe-Verbindung in der sogenannten Program-to-Program-Communication (PTP). So begründen denn auch Kritiker der PC-Host-Vernetzung ihre ablehnende Haltung sehr oft mit den Mängeln beziehungsweise der Nicht-Verfügbarkeit dieser besonderen Verbindungsart. In seinem Beitrag untersucht Lutz Wagner*, inwieweit diese Haltung begründet ist beziehungsweise welche Lösungen heute angeboten werden.

Obgleich die PC-Host-Kopplung noch eine sehr junge, Technik ist, nämlich kaum älter als drei Jahre, existieren doch schon zahlreiche Varianten und Produkte. Insgesamt sind die angebotenen Lösungen dermaßen unterschiedlich in Leistungsumfang, Einsatzgebiet und Bedienerfreundlichkeit, daß es eigentlich nicht mehr zulässig ist, einen gemeinsamen Gattungsnamen zu verwenden.

Reine Terminal-Emulation als Lösung ausgeklammert

Für die hier vorliegenden Betrachtungen ist es zweckmäßig, die reine Terminal-Emulation als eigenständige Lösung auszuklammern. Sie "koppelt" den PC in einem rein technischen Sinne an den Mainframe, ohne in ihrem Anwendernutzen die typischen PC-Eigenschaften miteinzubeziehen.

Was nachbleibt als Unterform der PC-Host-Koppelung ist das, was landläufig mit "Filetransfer" bezeichnet wird. Die Übertragung von nichtganzen Files, also von selektierten Daten, sei in diesen Begriff miteingeschlossen.

Innerhalb der Filetransfer-Lösungen soll hier die Technik der Virtual-Disk (VD) außer Betracht bleiben, weil sie eigentlich keinen echten Datentransfer leistet, sondern in der Regel lediglich den Host als Speichermedium für PC-Daten mißbraucht (ohne dies hier insgesamt bewerten zu wollen).

Zwei Formen des echten Datentransfers

Konzentrieren wir unser Augenmerk also auf die beiden Formen des, "echten" Datentransfers. Das Kriterium für "echt" ist der Empfang von Daten des einen Systems in dem jeweils anderen System (System bedeutet hier: PC beziehungsweise Mainframe).

Es ist gar nicht leicht, den signifikanten Unterschied zwischen den beiden "echten" Transfertechniken herauszufinden. Letztendlich lassen sich nämlich alle Transferlösungen auf eine Verbindung zweier Programme zurückführen, zwischen denen ein geordneter Datenverkehr (einem "Protokoll" gemäß) stattfindet. So gesehen ist der Begriff "Program-to-Program" ünglücklich gewählt, weil unspezifisch. Treffender für das, was eigentlich gemeint ist, wäre es, von "Application-to-Application" zu sprechen. Teilweise wird dieser Begriff auch schon verwendet.

Standalone-Transfer: Gemeinsames Merkmal aller "klassischen" File-transfer-Produkte ist die Arbeitsumgebung: Es handelt sich immer um eine eigene Anwendung, deren einziger Zweck es ist, Daten zu übertragen und abzuspeichern. Die Verwendung dieser Daten liegt definitiv außerhalb des Filetransfer-Programmes. Die beabsichtigte Verwendung wird allenfalls durch die Wahl des Datenformates für die gespeicherten Daten berücksichtigt, zum Beispiel DIF-Format, SYLK-, -PRN etc.

Unmittelbare Konsequenz hieraus ist die Datei-Orientierung des Standalone-Transfers: Anfangs- und Endpunkt des Übertragungsprozesses ist immer eine Datei. Dabei ist die Empfangsdatei typischerweise ein (unvollständiges) Abbild der Sendedatei.

Program-to-Program-Communication: Hier sind die Verhältnisse ganz anders. Charakteristisch für PTP ist, daß die Transfer-Funktionen wie Daten-Senden, Daten-Empfangen und Formatieren integrierte Bestandteile einer Anwendung sind. Mit anderen Worten, die übertragenen Daten werden unmittelbar nach Empfang von der Anwendung verarbeitet, sie führen nicht typischerweise zur Erstellung einer Datei (es sei denn, die Anwendung sieht dies zufällig so vor).

Der Vorteil für den Anwender ist hieraus unmittelbar ersichtlich: Der Vorgang "Filetransfer" als solcher tritt den Hintergrund beziehungsweise, wenn es optimal läuft, verschwindet er vollständig hinter der Oberfläche seines eigentlichen Anwendungsprogrammes (deren Bestandteil die PC-Host-Verbindung ist). PTP stellt somit die Architektur für wahrhaft integrierte Mikro-Mainframe-Verbindungen dar.

Besondere Anforderungen an den Datenschutz

Die Technik der PTP-Verbindungen ist nicht unbedingt spezifisch. Die Art und Weise, wie beim "klassischen" Filetransfer die Kommunikations-Schnittstelle bedient wird, kann auch bei PTP verwendet werden. So darf man den Begriff "Program-to-Program" nicht mit "Peer-to-Peer" verwechseln; ebenso wie die berühmt-berüchtigte LU-Type 6.2. und deren Implementierung APPC handelt es sich hierbei um rein instrumentale Bestandteile in einer SNA-Umgebung (Schnittstellen). Zum Bau einer Programm-zu-Programm-Verbindung sind sie zwar sinnvoll (falls man die Umgebung hat), aber mitnichten zwingend erforderlich - die ordinäre 3270-Technik leistet dieselben Dienste.

Betrachten wir die Trivial-Erkenntnis "Der Sinn der Datenverarbeitung liegt in der Verarbeitung" von Daten" (und nicht in deren bloßem Transport), so wird deutlich, daß PTP zu Recht als anspruchsvollstem Art der Mainframe-Verbindung angesehen wird, zumindest im Vergleich mit reinen (Standalone-)Filetransfer-Lösungen. Man darf sich aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß "anspruchsvoll" hier auch gleichbedeutend ist mit besonderen Anforderungen an Datenschutz, Datenorganisation und eventuell auch System-Ressourcen.

Obgleich es einige spezifische Unterschiede zwischen beiden Architekturen gibt, ist es für die Beurteilung und Auswahl einer Filetransfer-Lösung wenig hilfreich, sich "ausschließlich" nach solchen formalen Kriterien zu richten. Eine Betrachtung der real existierenden Syteme am Markt ist deshalb unerläßlich.

Einheitliches Angebot nicht zu erkennen

Während es inzwischen in der Kategorie "Standalone-Transfer" einige recht leistungsfähige und weitverbreitete Standard-Produkte gibt (zum Beispiel Petra, Masterlink, Mikroanswer etc.), ist die Palette an PTP-Lösungen noch dünn. Ein einheitliches Angebot ist nicht zu erkennen.

Hinzu kommt, daß - naturgemäß - PTP-Lösungen insgesamt ein sehr heterogenes Bild abgeben: So verschieden wie die Anwendungen, in die sie eingebettet sind, müssen die Lösungen selbst erscheinen.

Der Versuch, die Szene zu systematisieren, fördert mindestens zwei Grundformen zutage: Zum einen die fertigen Produkte (wie FPS/ EPS mit integriertem Host-Zugriff), zum anderen die Entwicklungs-Tools (wie Urus).

Eine dritte Kategorie stellen Produkte dar, die als Zusatzfunktionen zu ganz bestimmten, weiverbreiteten Anwendungen auftreten und im nachhinein eine integrierte PTP entstehen lassen. Es handelt sich hierbei um Formen der Software-Koexistenz, die man "symbiotisch" nennen kann.

Symbiotische Lösungen

Bedingt durch die allgemeine Anziehungskraft aller erfolgreich eingeführten Produkte existieren zum Beispiel für "Symphony" von Lotus gleich zwei verschiedene PTP-Lösungen: Linda und TAC. Linda ist ein sogenannter Symphony-Add-in. Ein um Linda erweitertes Symphony-Paket stellt eine typische PTP-Verbindung dar mit einem integrierten Zugriff auf VSAM- und DL/ 1-Daten, der auch syntaktisch vollständig in die Spreadsheet-Oberfläche eingebunden ist.

Neuer Typus von PC-Host-Integration

Demgegenüber zielt das Lotus-eigene (wenn auch hinzugekaufte) Produkt TAC (ehemals ILINK) vor allem auf sogenannte Eduser-Datenbanken wie DB2 oder Ramis. TAC soll nach Lotus-Verlautbarungen demnächst auch in Deutschland vertrieben werden.

Es scheint, als ob sich durch die genannten Produkte allmählich ein neuer Typus von PC-Host-Integration zu etablieren beginnt. Schaut man sich den Markt genauer an, finden sich nämlich noch weitere Vertreter dieses Genre: In der /3X-Welt ist es zum Beispiel Mawos (mit Einschränkungen), in der Mikro- und Supermikro-Welt bietet Oracle eine integrierte, Spreadsheet-eingebettete Datenzugriffs-Sprache in SQL-Syntax an.

In der Tat hat die zugrunde liegende Idee etwas Bestechendes, etwas, das beträchtlich über das einfache Prinzip des Filetransfers hinausgeht und - auch nach Meinung der eingangs zitierten Kritiker - PC-Mainframe-Integration par excellence darstellt. Das Funktionsprinzip ist immer dasselbe: Man nehme eine "Gast-Umgebung" mit hohem Bekanntheitsgrad (zwecks Minimierung des Lernaufwandes) und erweitere sie um integrierte Funktionen für den Zugriff auf die Daten des angeschlossenen Host-Systems. Dieses Prinzip ist anwendbar bei allen PC-Produkten, in denen Daten größeren Umfangs einzugeben sind, wie Spreadsheets, Datenbanken und Business-Grafik-Paketen.

Daß klingt recht einfach. Daß dennoch gegenwärtig nur wenige solcher Lösungen am Markt verfügbar sind, liegt sicherlich auch daran, daß Host-seitig aufwendige Partner-Software entwickelt werden muß. Aber der Trend in diese Richtung ist eindeutig feststellbar.