ERP-Einführung

Verbiege ich die Software oder meine Firma?

27.08.2010

Sonderwünsche treiben die ERP-Projektkosten in die Höhe

Schnell könne es passieren, dass die Key User durch Sonderwünsche die Projektkosten in die Höhe treiben. Denn obwohl der Begriff ERP für eine unternehmensweite Software steht, durchdringen diese Programme die Abteilungen einer Firma unterschiedlich. "ERP-Anbieter - auch wir - überschätzen ihre Produkte zum Teil", so Naunin selbstkritisch. Die Software komme dort massiv zum Einsatz, wo Abläufe sich automatisieren lassen, und um große Datenvolumen zu verarbeiten. An anderen Stellen werde das Programm indes nur sporadisch genutzt.

Individualität in den softwaregestützten Abläufen lohnt sich nach Überzeugung von Wilken-Geschäftsführer Lied für Prozesse, mit denen sich das Unternehmen differenziert. "Bei Energieversorgern ist der Bedarf an Individualisierung in der Materialwirtschaft und im Controlling nicht so spektakulär, wohl aber im Einkauf sowie in kundennahen Prozessen wie dem Umzug eines Kunden oder einem Zählerwechsel."

Verbesserungspotenziale sind nicht immer offensichtlich

Doch laut IT-Berater Sontow sind die Potenziale nicht überall offensichtlich. "Viele Unternehmen tun sich schwer, zwischen kritischen und unkritischen Prozessen zu unterscheiden, wenn es darum geht, eine ERP-Einführung zu konzipieren." In der ERP-Zufriedenheitsstudie hätten 75 Prozent der Teilnehmer auf die Frage, warum sie ein bestimmtes ERP-System gewählt haben, geantwortet: "Die Software brachte genau das, was wir wollten." Am Ende gaben aber 30 Prozent an, mit nichts mehr Ärger gehabt zu haben als mit individuellen Anpassungen. Manche Anbieter forcierten Individualisierungen, da sie damit im Beratungsgeschäft gut verdienen könnten.

ERP-Anwender könnten viel voneinander lernen, wenn es um gute Prozesse geht. Einige Unternehmen sind Sontow zufolge durchaus offen für einen Austausch. Andere hätten jedoch Angst, dass Konkurrenten, die sich für das gleiche ERP-Produkt interessieren, über den Softwarehersteller Details über die eigenen Abläufe oder Geschäftsgeheimnisse erfahren könnten. "Die IT-Leiter haben da in der Regel weniger Berührungsängste", entgegnet Lied. Die Freundschaft gehe aber auch unter den DV-Chefs nicht so weit, dass sich jemand in die Lieferantenbedingungen schauen lässt. (fn)