Vendor-Management ist ein Fulltime-Job

13.12.2007
Immer mehr Großunternehmen etablieren Teams für die Steuerung ihrer externen Provider.
Schlechte Erfahrungen veranlassen Firmen zu einer professionelleren Verwaltung ihrer Provider.
Schlechte Erfahrungen veranlassen Firmen zu einer professionelleren Verwaltung ihrer Provider.

Outsourcing ist wie Angeln: Der Aufwand ist groß, aber man weiß nie genau, was man bekommt." Mit diesen Worten eröffnete Andrew Parker, Research Director bei Forrester, das europäische "Services & Sourcing Forum", zu dem die Marktforscher Ende November nach Nizza eingeladen hatten. Wie gefährlich diese Ungewissheit ist, haben gescheiterte Auslagerungsprojekte in der Vergangenheit zur Genüge gezeigt. Der einzige Weg, um mehr Einfluss darauf zu gewinnen, was man "fängt", ist die konsequente Umsetzung einer fundierten Sourcing-Strategie. Das gilt umso mehr für Multisourcing-Deals, die weltweit im Trend liegen. Durch die Beauftragung mehrerer Anbieter wird das Beziehungsgeflecht schnell unübersichtlich und ineffizient.

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was ein systematisches Vendor-Management bringt;

welche Tätigkeiten diese Aufgabe umfasst;

welche Qualifikationen sie voraussetzt;

wann sich eine dedizierte Vendor-Management-Organisation lohnt.

Tipps für Fortgeschrittene

Beschränken Sie sich nicht auf technische Metriken. Beziehen Sie auch die Business-Seite ein.

Überprüfen Sie die finanzielle Situation und die Geschäftsziele des Providers regelmäßig.

Nutzen Sie Ansätze wie Itil oder Six Sigma, um Ihre Serviceanforderungen zu definieren.

Arbeiten Sie mit Tools für das Contract-, SLA- und Service-Delivery-Management.

Verwenden Sie Scorecards auch zur Messung von "weichen Faktoren".

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1220618: Komplexitätsfalle Outsourcing;

591212: Der Outsourcer gehört an die Leine;

573819: Sourcing-Management;

566511: Mehr Kontrolle beim Multisourcing.

Ein dediziertes Vendor-Management ist für solche Deals dringend notwendig", warnte Forrester-Analystin Stephanie Moore: "Outsourcing-Anwender, die die Schuld an Problemen auf den Anbieter schieben, haben eines nicht verstanden: Sie müssen ihre Provider so steuern, dass der Deal ein Erfolg wird." Dabei sollte es sich um eine langfristige Governance-Funktion handeln, die das Thema systematisch angeht. Hilfreich seien etwa eine Vorab-Segmentierung der Provider sowie Scorecards zur Beurteilung der Services. Diese müssten allerdings auch "weiche Faktoren" berücksichtigen etwa die Qualität der Outsourcing-Beziehung oder den Stellenwert, den Kundenzufriedenheit und Innovation für den Provider haben.

Am effektivsten arbeitet laut Forrester eine zentrale Vendor-Management-Organisation (VMO), also eine dedizierte Abteilung für die Steuerung der Servicepartner: "Bei Anwendern mit eigener VMO hat die IT einen hohen Grad an Reife und Prozessdisziplin erreicht und kann dadurch den Business Value erhöhen", so Analyst John McCarthy

Laut Forrester verfügen bereits 44 Prozent der Unternehmen mit bis zu 5000 Mitarbeitern in Europa und Nordamerika über eine zentrale VMO. Von den größeren Firmen sind es sogar noch mehr. Nach Ansicht von Pascal Matzke, Analyst bei Forrester Deutschland, haben diese Zahlen jedoch nur bedingten Wert: "So etwas wird schnell behauptet. Aber ein Contract-Manager ist noch kein Vendor-Manager", räumte der Experte ein. Zumindest in Europa fehle viele Firmen der dafür erforderliche Reifegrad: "Das Gros der hiesigen Provider sorgt doch in erster Linie dafür, dass der Laden läuft. Und mehr fordern die meisten Anwender zumindest im Mittelstand auch nicht." Nur Großunternehmen stellten hierzulande höhere Ansprüche an ihre Provider.

Großkonzerne sind Vorreiter

Aber immerhin diese beginnen, veranlasst durch schlechte Erfahrungen mit ineffizienten Strukturen, das Thema strategischer anzugehen. So war es auch bei Cognis: Die ehemalige Henkel-Tochter war 2001 verkauft worden und musste folglich eine eigene IT installieren. Da viele Serviceverträge Ende 2004 ausliefen, hatte der Chemiekonzern dafür nur drei Jahre Zeit. Mit Hilfe seiner externen Partner implementierte er innerhalb von neun Monaten eine weltweite technische Infrastruktur; binnen 18 Monaten entstanden drei zentrale IT-Abteilungen in Europa, dem Asien-Pazifik-Raum und Lateinamerika. Der Kraftakt war allerdings mit zahlreichen Hindernissen verbunden, vor allem bei der Verwaltung der externen IT-Dienstleister. "Es war extrem aufwändig, die Provider mit unseren Strukturen vertraut zu machen", so Ralf Stalinski, Vice President und CIO bei Cognis, rückblickend. "Auch die eigenen Mitarbeiter von den Outsourcing-Zielen zu überzeugen erwies sich als Herausforderung." Erschwerend kam hinzu, dass sich der Konzern vor Vertragsabschluss nicht hinreichend über die Skills der externen Anbieter informiert hatte.

Inzwischen hat Cognis ein Vendor-Management-Team etabliert, das sich regelmäßig mit den Providern bespricht und ihre Leistungen kontrolliert. Zudem wurden zwei separate Kriterienkataloge entwickelt: einer für die Provider-Anforderungen aus Sicht der technischen Mitarbeiter und einer aus Sicht des Managements. Die unterschiedlichen Perspektiven sind laut Matzke extrem wichtig für den Outsourcing-Erfolg, werden aber häufig vernachlässigt. In dieser Hinsicht vorbildlich organisiert ist auch der Hygieneartikelhersteller Kimberly-Clark, der sich vom Multisourcing vor allem Innovationen erhofft: "Unser zentrales Programm-Management besteht aus sechs Personen aus den Bereichen Finanzen, Kommunikation, Vertrags-Management und Strategic Sourcing", beschreibt Ian Maginnis, Vice President Business Support Delivery bei der US-Firma, die bereits 65 Prozent ihrer IT-Infrastruktur, 60 Anwendungen und 40 Prozesse an fünf Provider ausgelagert hat. "Dadurch können die Vendor-Manager auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ziele der IT- und Business-Entscheider eingehen."

Alternative: Co-Sourcing

Dass sich Aufgaben des Vendor-Managements auch auslagern lassen, zeigt das Beispiel ING: Die niederländische Bank hat die Steuerung ihres Multisourcing-Vorhabens (Desktop-, LAN-, Voice- und Service-Desk-Services) an Accenture übergeben. Der IT-Dienstleister ist als neutraler Integrator für das Vertrags-Management zuständig und steuert die anderen Provider (Atos Origin, Getronics und KPN). Darüber hinaus hilft er der Bank, sich das nötige Know-how anzueignen, um mit den steigenden IT-Anforderungen mithalten zu können. Die Vertragsgestaltung dauerte zwar länger, dafür bietet das Co-Sourcing-Modell aber handfeste Vorteile: "Die beim Multisourcing typische Angewohnheit, die Schuld auf andere zu schieben, hat hier keine Chance", beschreibt Dirk Karl, Managing Director Operations and IT bei ING. "Für Fehler, deren Ursachen sich nicht eindeutig zuordnen lassen, übernimmt der Integrator die Verantwortung." Zudem profitiert ING von einem permanenten Wettbewerb unter den Providern: Accenture prüft alle sechs Monate die Leistungen und Preise. Kann ein Anbieter hier nicht mithalten, steigt er aus und übernimmt einen Teil der Kosten, die ING durch die Suche nach einem neuen Partner entstehen. Auch der Vertrag mit Accenture kann jederzeit ohne Zusatzkosten beendet werden.

Möglichst viel vertraglich regeln

Eine Exit-Klausel im Vertrag ist ein absolutes Muss, um das Outsourcing-Risiko gering zu halten, so die einhellige Meinung von Analysten und Anwendern. Grundsätzlich gilt: Je mehr vertraglich geregelt wird, desto besser. "Man muss die Ziele des Auslagerns mit den Providern ausführlich besprechen und schriftlich festhalten", betonte Sean Pepper, Global Head of Commercial Vendor Management bei der niederländischen Bank ABN Amro, die seit zehn Jahren einen Multisourcing-Ansatz verfolgt. Derzeit arbeitet sie mit neun größeren Providern und einer Vielzahl von Nischenanbietern zusammen, um die Kosten zu senken und die Servicequalität zu verbessern. "So ein Deal ist harte Arbeit: Die Provider müssen die Ziele des Anwenders verstanden haben", warnte Pepper.

Wie wichtig die Kommuni-kation ist, weiß auch Alastair Henderson-Begg, Global Head of Sourcing beim Pharmakonzern Novartis, der sich vom Multisourcing neben Einsparungen vor allem eine effizientere IT und eine Erhöhung des Business Values verspricht: "Wir haben in den letzten Jahren vor allem eines gelernt: Man kann nicht genug kommunizieren. Wenn es daran hapert, nützt die beste Sourcing-Strategie nichts."