IBMs Vector Facility künftig auch im kommerziellen Rechenzentrum?

Vektorzusatz soll Datenbanken beschleunigen

11.12.1987

FRAMINGHAM (CWN) - Der im vergangenen Jahr eingeführte Vektorzusatz für IBMs Jumbos der Familie 3090 könnte in Zukunft möglicherweise eine wichtigere Rolle übernehmen als bisher. Nicht nur, daß ihn IBM im Zuge des Vordringens in technisch-wissenschaftliche Märkte für ein breiteres Spektrum an Computern der 370-Architektur anbieten will - auch von einer Anpassung des Zusatzes an allgemeine DV-Anwendungen ist die Rede. Manche Beobachter des High-End-Schauplatzes sind der Ansicht, daß der Vektorzusatz als Basisgerät für einen Datenbank-Beschleuniger im Zusammenhang mit IBMs DB2 dienen könnte.

Da bereits das Betriebssystem MVS die Instruktionen zum Betrieb der Vector Facility enthält, könnte IBM die Maschine auch für andere Rechner als die 3090 anbieten, wenn diese auf der 370-Architektur basieren, zum Beispiel die 4381 oder die leistungsstärkeren Versionen der 9370 beziehungsweise deren Nachfolger.

"Der Vektorzusatz wird strategische Bedeutung erlangen. Die IBM muß ihr Wachstum in neuen Märkten absichern - technische Anwendungen zum Beispiel", erläuterte Vicki Brown vom Marktforschungsinstitut IDC in Framingham ihre Sicht der Dinge. Brown wagte die Vorhersage, daß Big Blue bis 1990 den Vektorzusatz für die gesamte 370-Linie anbieten werde.

Einprozessor-Maschinen wie die 3090 120E, 150E und 180E unterstützen maximal je einen Vektorzusatz, während die Mehrprozessor-Versionen einen Beschleuniger je Prozessor ansteuern können. Auf diese Weise lassen sich an eine 3090-Maschine bis zu sechs solche Beschleuniger anschließen (beim Modell 600E).

Überdurchschnittliches Wachstum im Vektor-Markt

Nach Aussage von Ed Robbins, Direktor der Abteilung Technisch-Wissenschaftliche Datenverarbeitung bei IBMs Information Systems Group, macht diese Applikationskategorie rund 20 Prozent des gesamten DV-Marktes aus und wächst mit 18 Prozent jährlich. Zu einer Zeit, da IBMs traditionelle Märkte nur noch wenig zulegen würden, sei dieser Bereich für den Marktführer eine gute Chance, seinen Wachstumszielen doch noch etwas näherzukommen, sinnierte dazu Marktforscherin Brown.

Auch als Verteidigungsstrategie gegen DEC tauge die Forcierung des Vektorbeschleunigers, erklärte ein anderer Marketing-Experte. Er vertrat allerdings die Ansicht, das Gerät habe sich in der Vergangenheit nicht eben als Verkaufsrenner erwiesen. Zu diesem Punkt gibt IBM keine Zahlen bekannt. In der Branche werden jedoch Schätzwerte von 200 bis 250 installierten Vektorbeschleunigern als realistisch gehandelt - eine Zahl, die IBM wohl kaum zufriedenstellen dürfte.

Wenn die Mainstream-Anwender nicht von sich aus auf den Vektor-Geschmack kommen, muß IBM sie darauf bringen. Ein DV-Verantwortlicher in einem großen Unternehmen wußte zu berichten, sein bevorzugter Lieferant habe ihm bedeutet, die Vektorzusätze könnten auch DB2 schneller machen. Diese Möglichkeit wird einem IBM-Sprecher zufolge tatsächlich in Erwägung gezogen. Auch für Finanz- und Statistik-Modellierung sei der Beschleuniger einsetzbar, ebenso wie für große Spreadsheets.

Eine im Hinblick auf die Beschleunigung der Datenbank-Zugriffe modifizierte Vector Facility befindet sich nach Expertenmeinung derzeit in Big Blues Entwicklungslabors in Arbeit. Anstoß zu dem Projekt war der Erfolg der Teradata Corporation, die eine relationale Datenbankmaschine zum Anschluß an IBM-Mainframes vermarktet.

Als "ganz heißes Thema" bezeichnet dies ein anderer DV-Berater, der in New York ansässige Frederic Withington. "Relationale Anwendungen schreien förmlich nach Vektorunterstützung", meinte er. "Es ist erwiesen, daß der Vektorprozessor mit relationalen Datenbanken funktioniert", begründete er seine Ansicht. Nach seinen Erläuterungen können die Relationen der Datenbank als Vektoren dargestellt werden. Diese seien dann aber logischen Operatoren zu unterwerfen und nicht arithmetischen, wie das bei den Gleitkommazahlen der technisch-wissenschaftlichen Anwendungen der Fall ist. Daraus resultiere die Notwendigkeit für Modifikationen im Hardwarebereich der Maschinen. Möglicherweise sei damit sogar eine Vereinfachung und, als deren Konsequenz, eine Verbilligung der Prozessoren verbunden.

Das Betriebssystem bedürfe keiner Modifikation. Das Datenbankprogramm DB2 selber jedoch müsse entsprechend abgeändert werden.