VDRZ über sein Verhältnis zu den Timesharing-Diensten:"Künftig an einem Strick ziehen"

12.09.1980

RZ-Dienstleistung und Timesharing-Service: Koexistenz oder Konkurrenz? - Es liegt in der Natur einer alternativen Frage, daß man sie nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten kann. Zweckmäßig ist hier ein "Sowohl-als-auch".

Der Oberbegriff, unter dem man beide Spezies subsumieren kann, ist "Dienstleistungsunternehmen der Informationsverarbeitung". Hier finden wir neben den Service-Rechenzentren die Timesharing-Dienste, Softwarehäuser und EDV-Berater, Datenerfassungsbetriebe, OCR- und COM-Dienste.

Was nun das Verhältnis der Timesharing-Dienste zu den Service-Rechenzentren anlangt, so könnte man wiederum sagen, daß eine besondere Gruppe der RZ-Dienstleister die Timesharing-Rechenzentren sind. Diese Feststellung schließt nicht aus, daß ein reger Wettbewerb (Konkurrenz) sowohl zwischen den Rechenzentren untereinander als auch innerhalb der Timesharing-Dienste, aber auch zwischen den beiden Gruppierungen besteht.

Gemeinsam ist beiden Gruppen nicht nur die oben erwähnte Zuordnung zu den Dienstleistungsunternehmen der Informationsverarbeitung, sondern auch die grundsätzliche Unternehmensphilosophie: Service-Rechenzentren wie Timesharing-Dienste verkaufen die Problemlösung das Know-how ihrer hochqualifizierten Mitarbeiter - unter anderem mit Hilfe von Maschinen. Wir alle wissen daß die Hardwarekosten weit unter 30 Prozent der gesamten Kosten einer EDV-Anlage ausmachen, und diese Erkenntnis findet zunehmend Anhänger in Kundenkreisen.

Im gleichen Maße, wie das innerbetriebliche Rechenzentrum ins Kalkül der kostenorientierten, betriebswirtring-Dienste waren seit jeher durch das papierlose Dienstleistungsangebot ihrer Auswertungen gekennzeichnet, darüber hinaus bestimmten Auskunfts- und Datenbank-Dienste ihre Leistungspalette. Das Computerservischaftlichen Betrachtungsweise gerät, nimmt die Bereitschaft zu, auch unternehmens-sensitive Daten außer Haus zu geben, sei es nun per Datenträger oder via Leitung.

Eine immer stärkere Annäherung zwischen den reinrassigen Timesharing-Diensten und den herkömmlichen Service-Rechenzentren beobachten wir im verstärkten Dienstleistungsangebot per Dialog. Timeshace-Unternehmen (Service-Rechenzentrum) bietet alles aus einer Hand: Software, Hardware, Computer-Service, Maintenance.

Die Timesharing-Dienste, die ihr Angebot in der Bundesrepublik offerieren, sind ausnahmslos Töchter ausländischer Mütter. Wegen der exorbitanten Preisgestaltung der Deutschen Bundespost im Bereich der Datenfernverarbeitung konnte die Wirtschaft aus Kostengründen nur zögernd Gebrauch vom Dienstleistungsangebot der Timesharing-Dienste machen. Diese Entwicklung kann sich schlagartig mit dem Greifen des paketvermittelten Datex-Dienstes ändern. Die volumenorientierte, ortsunabhängige Tarifierung des Angebots von Datex-P läßt eine Entwicklung erkennen die hinführt zu der netzwerkorientierten Datenbank-Leistung, wie sie im Ausland (speziell in den USA) selbstverständlich seit Jahren von Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung in Anspruch genommen wird.

Am 2. Juni 1980 lud der VDRZ die auf dem deutschen Markt tätigen Timesharing-Service-Unternehmen zu einer Klausurtagung ein und diskutierte die künftige Entwicklung. Dabei kam klar zutage, daß die neuetablierten Timesharing-Dienste und die Mitgliedsunternehmen des VDRZ künftig an einem Strick ziehen werden, und zudem noch am gleichen Ende. Die restriktiven Vorstellungen der Deutschen Bundespost im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Datenverkehr (ab 1982 muß der Betreiber einen eigenen Computer in der Bundesrepublik und den dazugehörigen juristischen Mantel unterhalten), ist den Timesharing-Diensten ausländischer Provenienz ein Dorn im Auge. Im Sinne einer Liberalisierung des Datenverkehrs und des politischen Zusammenwachsens der Wirtschaftsräume zumindest im europäischen Rahmen will der VDRZ mit den zuständigen Gremien diese Frage erörtern.

In diesen Tagen kam die Neuauflage des "Handbuch Deutscher Rechenzentren 80/81" in Hannover heraus, die bereits im Buchtitel der geänderten Angebotssituation Rechnung trägt. Unter dem Oberbegriff "Dienstleistungsunternehmen der Informationsverarbeitung" stellen sich nach dem Freiwilligkeitsprinzip mehr als 200 Service-Rechenzentren, Softwarehäuser und EDV-Berater, Datenerfassungsbetriebe und OCR- und COM-Dienste sowie Timesharing-Rechenzentren vor.

In seinem Vorwort zu diesem Handbuch sagt Bundesminister Volker Hauff: "Die Service-Rechenzentren sind schon aus Konkurrenzgründen gezwungen, der technischen Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung unmittelbar zu folgen. Die Hauptentwicklungen liegen derzeit im Bereich der sogenannten offenen Rechnernetze mit der verstärkten Einführung von Dialog-Anwendungen, auch über große Entfernungen."

Recht hat er.

*Peter Lange-Hellwig ist Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rechenzentren e. V. (VDRZ), Hannover.