Bad Kissinger Jahrestagung im Zeichen einer Standortbestimmung:

VDRZ holt sich Durchblick für die Zukunft

01.10.1982

BAD KISSINGEN - Über die Rolle der EDV in Wirtschaft und Gesellschaft wird viel zuwenig diskutiert und viel zuviel lamentiert; dieser im wesentlichen auf mangelnden Durchblick der Klageführenden zurückgehende Mißstand verlangt geduldige Aufklärungsarbeit seitens der DV-Experten. Dr. Joachim Dieckow, Öffentlichkeitsarbeiter bei der IBM-Niederlassung Düsseldorf, vertrat diese Meinung in einem Referat anläßlich der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Rechenzentren (VDRZ) e. V. Mitte September in Bad Kissingen. Die Tagung stand unter dem Motto: Die Serviceunternehmen im Spannungsfeld der neuen Kommunikationstechnologien.

Neben Dieckow, dessen Vortrag "wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der künftigen Informationsverarbeitung" zum Thema hatte, standen auf der Liste der Gastredner der Fernsehjournalist Rüdiger Proske sowie Heinz Bons, Geschäftsführer der Kölner SOS GmbH, der in Vertretung von Bifoa-Vorstand und SOS-Beirat Professor Dr. Paul Schmitz referierte. Proske bot den rund 40 in Bad Kissingen versammelten VDRZ-Mitgliedern eine teils visionäre Gesamtschau der "Kommunikationsformen der Zukunft". Die Zuhörer, ansonsten vornehmlich mit Problemen des Tages befaßt, nahmen den Ausflug in die (amerikanisch angehauchte) Zukunft positiv auf.

Ebenso wohlwollend reagierten sie auf das trockene Thema "Die Problematik der Softwarequalitätsermittlung", mit dem Bons sie konfrontierte. Manchem der RZ-Eigner, hieß es im Anschluß an den Vortrag, sei durch Bons Darlegungen erst so richtig klar geworden, daß derartiges Qualitätserstreben nichts mit einer Modeerscheinung, aber viel mit Kostenvermeidung zu tun hat. Ganz auf der Linie des Auditoriums bewegte sich auch Dieckow, der sich in seinem Referat intensiv mit der Rationalisierung, einem der politischen Reizwörter unserer Tage, auseinandersetzte.

Wissensstau und Unsicherheit

Dieckow vertrat den Standpunkt, Rationalisierung sei unter der Grundannahme, daß man Fortschritt überhaupt wolle, auch aus historischer Perspektive etwas vollkommen Normales. Die EDV trete trotz der scheinbar auf der Hand liegenden Gegenbeweise per saldo nicht als Jobkiller auf. Auf verantwortungsbewußtes Handeln, unterstrich der Referent mehrfach, könne dennoch in keinem Falle verzichtet werden, da die Informationstechnik wie jede andere Technik auch die Gefahr des Mißbrauchs impliziere.

In der Anwendung von Computern geht der Trend nach Dieckows Beobachtungen über die "rückblickende" Rationalisierung solcher Dinge, die man kennt, hinaus. Der Anwender sehe sich zunehmend vor die Frage gestellt: Wie kann ich etwas, was ich gestern noch nicht kannte, heute bewältigen, um auch morgen "am Ball zu bleiben"? Parallel dazu wachse der Bedarf, den Anwendungs-, aber auch den Wissensstau beherrschbar zu machen. Diese Phänomene, meinte Dieckow, hätten bereits einerseits zu meßbaren Nachfragesteigerungen geführt, andererseits aber auch zu Unsicherheiten des Anwenders, wonach er eigentlich" fragen" sollte.

Deutsche Eigenentwicklung

Eine abschließende Podiumsdiskussion, die sich mit den Auswirkungen der Computerisierung auf Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigte, verlief nur wenig konträr.

Einige Kernaussagen seien hier wiedergegeben: Taylorix-Manager Dr. Dieter Wundt verneinte eine sicht am US-Markt orientierende Fortentwicklung des deutschen DV-Servicemarktes, da für viele Spezialdienste die Mindestmarktgröße in Deutschland nicht erreichbar sein werde. Olaf Jacobsen vom Bremer GAP-Rechenzentrum, der im VDRZ für die Softwarehäuser-Sektion zuständig ist, empfahl seiner Klientel Professionalisierung und Spezialisierung, um den Fortbestand zu sichern. VDRZ-Vorstand Peter Sass vom Hamburger IFU-Rechenzentrum sieht Btx-Dienstleistungsbetriebe derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen und mißt der gegenwärtigen Welle "unter dem Mikrocomputer" mit Fabrikanten wie etwa Sinclair oder Osborne große Bedeutung bei. Nach Angaben von Dieckow betrachtet IBM die stetige Weiterbildung der Mitarbeiter nicht als Nice-to-have-Investition.