User-Wunschtraum: Unix-Portabilität plus MAC-Oberfläche

15.09.1988

"Ich will keine Reklame für eine bestimmte Maschine machen." Mit dieser vielsagenden Begründung lehnte einer der befragten Anwender eine Stellungnahme zum Apple-Rechner Macintosh II ab. Dennoch ist kaum zu überhören, daß die Außenseiter-Maschine auch bei Unix-Usern einen dicken Stein im Brett hat. Die Benutzerführung sei bislang unerreicht - wenngleich sich auch bei Sun, Apollo und Co. gute Ansätze beobachten ließen. Allerdings gehört nicht wirklich zur Unix-Gemeinde, wer nicht einen gravierenden Mangel des Apple-Computers bedauern würde: Obgleich der Mac II auch unter dem herstellereigenen Unix-Derivat A/UX läuft, ist er doch im Grunde für sein ureigenes Betriebssystem ausgelegt. Etwaige Vorteile eines anderen Proprietary-Systems liegen indes noch im Dunkeln: Für OS/2 kann sich in Unix-Kreisen niemand so recht erwärmen.

Helmut Richter

DV-Leiter der AWFI GmbH, Berlin

Für uns gab es im Multi-user-Bereich eigentlich keine Alternative zu Unix. Ich habe kürzlich gehört, Unix sei ein Multiuser-System für Arme; und da ist sicher etwas dran. Aber nachdem jetzt auch die größten Hersteller sich genötigt sehen, ihre Rechner an Unix anzupassen, ändert sich das wohl.

OS/2 ist für ernsthafte Anwender ein Witz und nicht einmal als Übergangslösung brauchbar. Ich kenne keine Anwendungssoftware, die eigens für OS/2 geschrieben wurde. OS/2 ist ein Multitasking-, aber kein Multiuser-System. Außerdem gibt es ein paar Haken, die die Systementwicklung unter OS/2 erschweren; beispielsweise ist es meines Wissens unter diesem Betriebssystem nicht möglich, Signale zwischen den verschiedenen Tasks auszutauschen. Folglich ist es schwierig, Prozesse zu synchronisieren.

Im übrigen glaube ich, daß auch IBM sich dieser Schwachstellen bewuüßt ist. Es kursieren sogar Gerüchte, daß das Thema OS/2 intern schon wieder vom Tisch sei. Um das Gesicht nicht zu verlieren, bekenne sich nur noch niemand dazu.

Letztlich läuft möglicherweise auch bei IBM alles auf Unix hinaus. Das ist auch plausibel, wenn man bedenkt, daß langsam aber sicher auch die grafische Oberfläche Konturen annimmt - womit es eigentlich keinen Grund mehr gibt, auf Unix zu verzichten. Allerdings geht es IBM wohl ausschließlich darum, möglichst viel abzusahnen. Es ist bekannt, daß dort bewußt Entwicklungen verzögert wurden, solange mit den vorhandenen Produkten noch Geld zu holen war. Und der Anwender mußte sich darauf einlassen, weil er sich mit Haut und Haaren an IBM verkauft hatte.

Auch aus diesem Grund ist es gut, auf Unix zu setzen: Hier ist IBM noch nicht marktführend, obwohl man auch dort gemerkt hat, daß man etwas tun muß, um nicht hoffnungslos ins Hintertreffen zu geraten. Ich sehe nicht ganz ohne Schadenfreude, daß die große IBM bei X/Open anklopft und um Aufnahme bittet.

Meine Traum-Hardware ist eigentlich der Macintosh II von Apple. Was mich beeindruckt ist die Benutzerfreundlichkeit, nicht nur in puncto Bedienung, sondern auch im Hinblick auf die Zuverlässigkeit. Außerdem ist das System sehr offen nach allen Richtungen. Eine notwendige Bedingung für den Einsatz dieser Geräte ist allerdings ihre Unix-Fähigkeit. Denn unsere Partner in der Industrie setzen allesamt Unix ein, und im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit können wir darauf einfach nicht verzichten.

Dr. Horst Weeland verantwortlich für die Technologie-Beratungsstelle der Akademie des Deutschen Beamtenbundes in Bonn

Wir haben einen Siemens-Rechner als Host, setzen aber für die Zwecke der Beratungsstelle einen Sinix-Rechner des Typs MX 500 ein. Mit dessen Hilfe bauen wir unter anderem einen eigenen Online-Informationsdienst auf.

An der Unix-Maschine hängen sechs MS-DOS-Rechner als intelligente Terminals. Über einen File-Transfer haben unsere Mitarbeiter so auch die Möglichkeit, eigene PC-Programme einzusetzen. Wir arbeiten also offen auf drei Ebenen. Das hat unter anderem den Grund, daß wir als Beratungsstelle uns nicht "zunageln" dürfen.

Einem PC hat der Unix-Rechner in erster Linie die Möglichkeit der Kommunikation voraus. Ein anderes Argument für Unix ist die Portabilität der Software. Das war und ist für uns beispielsweise deshalb wichtig, weil wir bereits eine Informationsdatenbank im Haus hatten, die wir relativ leicht auf unser System übertragen konnten.

Obwohl die öffentlichen Verwaltungen stark zu Unix tendieren, hatten wir bei der Anschaffung unseres Systems keinerlei Vorgaben zu berücksichtigen. Vielmehr haben wir das Betriebssystem aufgrund unseres eigenen Anforderungsprofils ausgewählt. Damals hatten wir schon ein Anwendungs-Level im Blick, das wir zwar derzeit noch nicht realisieren, aber mit Unix auf jeden Fall verwirklichen können. Beispielsweise wollen wir unsere Online-Datenbank demnächst vom Host weg auf unseren Unix-Rechner holen.

Ob eine OS/2-Maschine für uns eine Alternative sein könnte, kann ich zur Zeit nicht absehen. Der Macintosh II von Apple hingegen könnte ohne Frage interessant werden, weil dort die Benutzeroberfläche sehr weit entwickelt ist.

Prof. Dr. Martin Polke

Leiter Ingenieurbereich Prozeßleittechnik, Bayer AG, Leverkusen

Unsere Haupteinsatzgebiete für Unix liegen bei den Systemen für Computer-aided Engineering. Die Hardwarebasis bilden dabei Workstations von Apollo und Intergraph sowie Rechner für die Produktionsleitebene wie zum Beispiel die Targon von Nixdorf.

Wir haben uns im wesentlichen aus folgenden Gründen für den Einsatz von Unix entschieden: Zum einen sprechen die Portabilität der Software und die Unterstützung heterogen vernetzter Systeme für das Betriebssystem. Zum anderen gibt es unter Unix ein reichhaltiges Angebot an konfektionierter Software und Software-Tools. überdies ist Unix das Standardbetriebssystem für nahezu alle Workstations. In den oben genannten Einsatzgebieten gibt es demnach keine Alternative zu Unix.

Das Betriebssystem OS/2 ist aufgrund seines Leistungsumfanges oberhalb von MS-DOS und unterhalb von Unix einzuordnen. Da künftig eine benutzerfreundliche Oberfläche für Unix existieren wird - zum Beispiel Open Look -, kann OS/2 in vielen Fällen durch Unix oder eine unter Unix laufende MS-DOS-Emulation ersetzt werden.

Macintosh-II-Rechner von Apple werden bei uns für bestimmte Aufgabenbereiche, beispielsweise im Sachbearbeitungsbereich, standardmäßig eingesetzt.

Christian Willenberg

Leiter der Abteilung Leit- und Dialogsysteme bei der Dornier System GmbH, Friedrichshafen

Die Entscheidung, Unix einzusetzen, fiel vor etwa vier Jahren aufgrund der Anforderung eines großen Kunden. Zwar gab es zunächst auch in unserem Hause starke Bedenken, ob sich dieses Betriebssystem durchsetzen werde. Mittlerweile sind diese Bedenken jedoch sehr weit in den Hintergrund getreten, weil sich gezeigt hat, daß erst langsam und dann immer schneller große Teile der DV-Welt auf Unix eingeschwenkt sind.

Schließlich ist uns der große Vorteil der Hardware-Unabhängigkeit klar geworden, der jetzt für uns wie für fast alle Anwender das Hauptargument zugunsten von Unix darstellt. Auch hier gab es zuerst kritische Stimmen, die aufgrund vorangegangener Erfahrungen fragten: Kann Software überhaupt portabel sein? Wir haben in einer frühen Phase des Unix-Einsatzes schon den Beweis angetreten, indem wir in "C" geschriebene Programme vom Rechner eines Herstellers auf den eines anderen portiert und in sehr kurzer Zeit zum Laufen gebracht haben. Daraufhin verstummten die Kritiker recht schnell.

Die Alternative zu Unix waren für unsere Anwendungen DEC-Rechner unter VMS gewesen. Was OS/2 angeht, so werden wir uns nach den Kundenwünschen und nach dem Markttrend richten. Sollte sich also herausstellen, daß OS/2 ein von unseren Kunden geforderter Industriestandard wird, dann springen wir dort mit Sicherheit sehr schnell auf. Da die OS/2-Maschinen unsere Unix-Rechner allerdings wohl kaum werden ersetzen können, ist die Integrierbarkeit der beiden Systemwelten für uns natürlich von ausschlaggebender Bedeutung.

Nich auf Wunsch eines Kunden, sondern auhgrund eigener Bedürfnisse setzen wir viel und gern Macintosh-Rechner von Apple ein - trotz des großen Problems der mangelnden Portabilität.

Eingesetzt werden die Macintosh-Rechner vor allem zu Dokumentationszwecken.