User begeistern, Kunden halten

User Experience (UX) in der digitalen Ära

03.05.2019
Von    und
Stefan Pechardscheck schreibt als Experte zum Thema IT Strategy & Governance. Er ist Partner bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint und verantwortet dort das Thema Technology Advisory.
Tobias Vogel ist Senior Business Consultant bei der Technologieberatung BearingPoint
Das Thema User Experience sollte zu einem dauerhaften Bestandteil der langfristigen Geschäftsstrategie eines Unternehmens werden, um Produkte beständig im Markt zu etablieren.

User Experience (UX) ist ein Begriff, der hauptsächlich aus dem Produktdesign sowie dem Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion (engl. HCI - Human Computer Interaction) stammt. Als maßgeblicher Treiber des Erfolgs eines Produkts im Markt, ist UX laut Forbes bereits heute als einer der Schlüsselfaktoren dafür anzusehen, wie Unternehmen Produkte entwickeln. Die Nielsen Norman Group beschreibt den Begriff UX wie folgt: "User experience encompasses all aspects of the end-user's interaction with the company, its services, and its products."

Trotz erfolgreicher Beispiele von Apple & Co. zweifeln viele Führungskräfte immer noch daran, ob Investitionen in UX sich lohnen.
Trotz erfolgreicher Beispiele von Apple & Co. zweifeln viele Führungskräfte immer noch daran, ob Investitionen in UX sich lohnen.
Foto: Rawpixel.com - shutterstock.com

Auch wenn UX ein relativ neuer Begriff ist, war es nie ein Geheimnis, dass gutes Design förderlich für das Geschäft ist. Der frühere Chef von IBM Thomas J. Watson lehrte seinen Studenten an der University of Pennsylvania bereits 1973: "Good design is good business".

User Experience benötigt Kontinuität

Das Thema User Experience sollte zu einem dauerhaften Bestandteil der langfristigen Geschäftsstrategie eines Unternehmens werden, um Produkte beständig im Markt zu etablieren. Daher lohnt es sich zu prüfen, wie Sie UX verbessern und testen können. Die Einführung innovativer Produkte und Schnittstellen, insbesondere durch neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Virtual Reality (VR) und dem Internet of Things (IoT), führt zu einer neuen Ära der Kunden- und Benutzererfahrung. Die Grenzen zwischen digitalen und physischen Produkten verschwimmen. Unternehmen müssen genau prüfen, wie potenzielle Benutzer mit diesen Technologien interagieren.

Return of Investment (ROI) von UX: 2 oder 100 Dollar?

Laut Forresters „Digital Customer Experience (CX) Playbook for 2018“ investieren Unternehmen bereits viel Geld, um die UX ihrer Produkte zu verbessern. Nach Bias und Mayhew bringt jeder in UX investierte Dollar eine Rendite zwischen 2 und 100 Dollar. Selbst das untere Ende würde zu einem ROI von 200 Prozent führen - aber die große Bandbreite schafft Unsicherheit und Skepsis. Viele Führungskräfte zweifeln immer noch daran, ob Investitionen in UX sich lohnen. Die Gründe von Gewinnsteigerungen bei Produkten können vielfältig sein und die Auswirkung von UX-Verbesserungen zu isolieren, ist schwierig.

Darüber hinaus wird die Arbeit von UX-Profis oft missverstanden – sogar von erfahrenen Führungskräften und CX-Teams (Customer Experience). Um die Vorteile von UX transparent zu machen, bietet Forrester einen sechsstufigen Ansatz zur Quantifizierung und damit besseren Rechtfertigung von UX-Ausgaben:

  1. Definition der Geschäftsziele

  2. Identifikation von Nutzerverhalten, welche diese Ziele fördern

  3. Abschätzung des Ausmaßes der Verbesserung

  4. Quantifizierung des finanziellen Werts von Änderungen im Verhalten der Nutzer

  5. Berechnung der Kosten

  6. Berechnung der erwarteten Rendite

Unternehmen und Mitarbeitern fehlt oft eine definierte Möglichkeit, den Wert von UX zu schätzen und zu bewerten. Andere Methoden berücksichtigen meist qualitative Elemente, die zwar wichtig sind, aber in Haushaltsverhandlungen oft nicht von Erfolg gekrönt sind. Der Ansatz von Forrester hilft dabei, diese qualitativen Elemente in eine erwartete Rendite zu quantifizieren. Damit wird UX mit anderen Projekten oder Initiativen vergleichbar. Man kann die finanziellen Vorteile eindeutig angeben, wodurch es einfacher wird, eine Genehmigung für das erforderliche Budget für UX-Projekten zu erhalten.

Neue Herausforderungen für UX: Komplexität von Technologie verbergen

Die Vereinheitlichung von Schnittstellen zwischen verschiedenen Geräten und Anwendungen ist aktuell eine der größten Herausforderungen für UX. Nutzer können auf Dienste oder Produkte auf verschiedene Art und Weise zugreifen - zum Beispiel über eine Website oder App, auf einem Smartphone, Tablet, Desktop-Computer, Smart-TV oder auch über einen Sprachassistenten wie Siri, Cortana oder Alexa. All diese Kanäle müssen beim Erstellen einer UX-Strategie berücksichtigt werden. Dies ist eine anspruchsvolle und zeitaufwändige Aufgabe. Kanäle, die AI- oder VR-Technologien verwenden, sind für Nutzer oft völlig neu und müssen von UX-Designern daher besonders beachtet werden.

Die Fülle innovativer Technologien erhöht außerdem die technische Komplexität von Produkten. In Zeiten des IoT wird auch das Thema Sicherheit immer wichtiger, da alle und alles miteinander verbunden sind und potenziell sensible Daten über das Internet gesendet werden. Aber auch Themen wie Konnektivität, Daten, Speicher usw. werden komplexer und stehen oft in direktem Zusammenhang mit der UX eines Produktes. Um all diese Themen zusammenzubringen, bedarf es ausgereifter UX-Konzepte. Insbesondere Sicherheitsbedenken können den Bedienkomfort und damit die UX eines Produkts beeinträchtigen. Die Herausforderung für UX-Designer besteht darin, all diese Dimensionen in Produkte und Dienstleistungen zu integrieren - dabei aber gleichzeitig die erhöhte technische Komplexität vor den Nutzern zu verbergen.

UX in der digitalen Ära verbessern: Emotionen verbinden

UX-Design und -Tests sollten direkt von der Produktidee an berücksichtigt werden. Partizipative und benutzerzentrierte Entwurfsmethoden können nützliche Ansätze sein, um den oben genannten Hürden zu begegnen. Stakeholder und potenzielle Nutzer sollten bereits in frühen Entwurfs- und Entwicklungsphasen einbezogen werden. Bei der Definition der Nutzer, warum diese es verwenden, welche Eigenschaften es haben sollte und was mit dem Produkt erreicht werden soll, können Personas hilfreich sein. Interviews können die Bedürfnisse und Schmerzpunkte der Kunden zwar beleuchten, bieten in den meisten Fällen aber keine Lösungen an. Die gesammelten Informationen können jedoch helfen, einen Durchbruch zu finden.

Sobald das Produkt auf der Grundlage definierter Qualitätsattribute und ausführlicher Anwenderberichte entworfen wurde, sollte die UX beobachtet und überprüft werden. Laut Forrester‘s Digital UX Review sind die größten Herausforderungen in Bezug auf neue Technologien und digitale UX-Überprüfungen die folgenden Punkte:

  1. Berücksichtigung von "Cross-channel behaviors": Jede Schnittstelle muss hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Qualität und damit Einfluss auf die UX bewertet werden. Während beispielsweise ein Login mit einem Fingerabdruck auf einem Gerät komfortabel und sicher sein kann, muss die Qualität auf anderen Geräten, die solche Technologien nicht unterstützen, sorgfältig geprüft werden.

  2. Digitale Erlebnisse und Emotionen verbinden: Es ist wichtig, alle Einschränkungen der Benutzerfreundlichkeit zu identifizieren, da diese unbeabsichtigt emotionalen Einfluss nehmen und somit eine Verschlechterung der UX verursachen können. Der wahrgenommene Wert des Produkts kann so untergraben werden. Beispielsweise können Benutzer leicht frustriert werden, wenn sie in einer gemeinsamen Benutzeroberfläche keine vertrauten Muster finden.

Verschiedene Methoden wie Usability Labs und Beobachtungen, heuristische Auswertungen oder Umfragen können verwendet werden, um die UX zu analysieren, Maßnahmen zu definieren und die UX zu optimieren. Es ist wichtig, dass diese Überprüfungen von geschulten und erfahrenen UX-Experten durchgeführt werden. Die Qualität einer Überprüfung hängt stark von der Qualität des Gutachters ab.

Und wie bereits beschrieben, ist UX kein einmaliges Ereignis - es ist ein fortlaufender und ständig zu überprüfender Prozess.

Fazit: UX muss während des gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigt werden

Das Aufkommen neuer Technologien bringt auch für die UX neue Herausforderungen mit sich. Dies sollte beim Entwerfen, Testen und Überprüfen der UX berücksichtigt werden. Größere Investitionen in UX sind nötig, um den langfristigen Erfolg eines Produkts auf dem Markt sicherzustellen. UX und seine kommerziellen Imperative haben sich im digitalen Zeitalter als äußerst wichtig erwiesen und müssen während des gesamten Produktlebenszyklus in Betracht gezogen werden. (mb)