Europäische DV-Industrie will sich nicht in die Knie zwingen lassen:

USA ziehen Cocom-Schraube drastisch an

16.03.1984

Immer fester ziehen die Amerikaner ihre Embargo-Schraube gegen die UdSSR an. Die neueste Devise lautet: Keine Personal Computer und "Portables" in den 0stblock. Den Beweis, wie ernst es der Reagan-Administration mit der erneuten Verschärfung ihrer Exportbestimmungen ist. lieferte vor kurzem die amerikanische Zollbehörde. Sie beschlagnahmte tragbare Kleincomputer. die von ihren Besitzern mit auf Geschäftsreise ins Ausland genommen werden sollten.

Mitglieder der US-Regierung sind der Meinung, daß Personal Computer und "Portables" auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können. Die Vertreter des US-Verteidigungsministeriums hoffen, daß die westlichen Industrieländer und die Japaner den Ausfuhrlizenzen für Exporte der PC-Modelle in den Ostblock zustimmen werden. Sie haben dem Coordinating Committee for East-West-Trade (Cocom) in Paris vorgeschlagen, die Restriktionen für Rechner mit mehr als l 6 Bit Leistungsvermögen einzuführen.

Zoll beschlagnahmt Portables

Die deutschen Töchter von US-Unternehmen haben das Exportverbot für Personal Computer schon jetzt auf dem Tisch liegen. So wurde der Apple Computer GmbH untersagt, ihren 32/ l6-Bit-Rechner "Macintosh" dem Osten zugänglich zu machen. In Amerika selbst läuft noch die Diskussion darüber, ob nicht sogar noch schwächere Geräte auf den Index gehören. Vertreter der westlichen Länder sind dagegen der Meinung, erst Mikrocomputer mit einer Leistung von 32 Bit auf die "schwarze Liste" zu setzen, da die Ausfuhr der kleineren schwer zu kontrollieren sei.

Auf die Frage von Kritikern, wie man denn verhindern könne, daß Geräte im Laden erworben und dann im Koffer in die UdSSR oder ein anderes Ostblockland transportiert werden, gab die Reagan-Administration inzwischen eine eindrucksvolle Antwort. Der amerikanische Zoll beschlagnahmte vor kurzem nach einer Meldung von VWD tragbare Kleincomputer, bevor deren Besitzer den Flug ins Ausland antraten. Rechtsgrundlage für diesen Schritt ist die "Operation Exodus", mit der die US-Regierung seit l 98l gezielt verhindern will, daß technische Errungenschaften, amerikanische Erfindungskraft und Arbeit an den Warschauer Pakt gelangen und ihm "militärische Vorteile" verschaffen könnten.

US-Einmischung beunruhigt Verbündete

Aber die Embargo-Auswüchse von Onkel Sam treiben immer neue Blüten. Neben den tragbaren Computern gehören neuerdings sogar Mikrowellenöfen und Taschenrechner zu den Technologieprodukten, für die das Pentagon Exportbeschränkungen erlassen möchte. Diese Geräte sind nach Aussagen des amerikanischen Verteidigungsministeriums ebenfalls dem sowjetischen Technologiestand weit überlegen, und Moskau könnte selbst daraus noch militärischen Nutzen ziehen. Allerdings machen es die rasanten Fortschritte in der Mikroelektronik, meinen Branchenkenner, tatsächlich immer schwieriger, kommerziellen und militärischen Nutzen von Produkten abzugrenzen.

Zum einen plant die Reagan-Regierung, die Ausfuhrbestimmungen für das Exportverwaltungsgesetz (Export Administrition Act) strenger zu gestalten, zum anderen ist auch eine Neufassung und Verschärfung des Exportkontrollgesetzes in Arbeit. Mit dem Exportverwaltungsgesetz sollen amerikanische Tochterfirmen und auch nichtamerikanische Unternehmen direkt an die US-Gesetzgebung gebunden werden. Außerdem ist beabsichtigt, keine mehrjährig gültigen Blanko-Lizenzen mehr zu erteilen.

Diese immer stärker werdende US-Einmischung beunruhigt die westlichen Verbündeten zunehmend. Unter anderem findet der Streit zwischen den Vertretern der USA und ihren Handelspartnern, so Heinrich Machowski vorn deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, derzeit in aller Stille in Paris statt. Dort soll nämlich die sogenannte Cocom-Liste neu gestaltet werden. Die westeuropäischen Regierungen kämpfen mit allen Mitteln dagegen daß das Embargo noch weiter ausgedehnt wird.

Strafkatalog verärgert Europäer

Will sich ein Unternehmen nicht an die "vorgeschlagenen" US-Regeln halten, so haben sich die Amerikaner bereits eine Reihe von Strafmaßnahmen ausgedacht. So kündigen beispielsweise amerikanische Monopolisten ihre Lizenzverträge mit Unternehmen, die im Sinne Onkel Sams nicht "spuren".

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht darin eine extreme Form von Protektionismus, wie ein Sprecher der Bonner Behörde verdeutlicht. Darüber hinaus widersprächen diese neuen geplanten Exportverbote den Aussagen, die der amerikanische Präsident beim letzten Gipfeltreffen in Williamsburg feierlich deklamiert hat. Damals stimmte er nämlich zu, darauf hinzuwirken, administrative Maßnahmen zur Regelung des Exports abzubauen.

Auch Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff sprach sich kürzlich in den USA gegen die Ausdehnung von US-Vorschriften auf ausländische Unternehmen aus. Lambsdorff: "Ich werde nicht zögern, dem Kabinett einen Gesetzentwurf nach britischem Muster vorzulegen. ' Großbritannien hatte im Jahre 1981 nach den Auseinandersetzungen mit den USA über die mit US-Turbinenschaufeln versehenen Kompressorstationen für die sibirische Erdgasleitung ein Gesetz verabschiedet, das es britischen Unternehmen verbietet, auf Druck ausländischer Regierungen aus gültigen Lieferverträgen auszusteigen.

Neue Kontrollgesetze drohen

Besorgt zeigt sich auch die EG-Kommission über die von US-Senat und Repräsentantenhaus erarbeiteten Entwürfe für ein neues US-Exportkontrollgesetz, das das am 30. September 1983 abgelaufene Gesetz ersetzen soll. Die Kommission dürfte ihre abschließende Bewertung allerdings erst formulieren, kommentieren Beobachter der Bonner Szene, wenn die Fassungen beider Häuser Mitte März im Vermittlungsausschuß abgestimmt sind.

Die vom Senat in der letzten Woche gebilligte Fassung erscheine in manchen Punkten für ausländische Unternehmen noch untragbarer als die des Repräsentantenhauses. So kann nach der Senatsfassung Firmen, die die US-Exportkontrollbestimmungen nicht eingehalten haben, der Zugang zum US-Markt absolut verwehrt werden. Dies ist in der Fassung des Repräsentantenhauses nicht der Fall. Hinsichtlich der exterritorialen Anwendung gibt die Senatsfassung dem Präsidenten ein Eingriffsrecht, während die Vorlage des Repräsentantenhauses die Zustimmung des Kongresses erforderlich macht.

Für Dr. Gerhard Reckel, Geschäftsführer des Fachverbandes Datenverarbeitung beim Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie gibt es nur eine Möglichkeit für die deutsche Industrie, sich von dieser Abhängigkeit zu lösen: den technologischen Fortschritt in der Bundesrepublik schnellstmöglich zu verbessern um sich so auf die eigenen Beine zu stellen.