Neue Spitze für UN-Behörde ITU

USA oder Russland – wer setzt die Internet-Standards?

29.09.2022
Wer wird künftig bei den Vereinten Nationen die wichtige Behörde "Internationale Fernmeldeunion" leiten? Russland und die USA streiten um den Vorsitz – und es steht viel auf dem Spiel.
Wer entscheidet bei der ITU künftig über TK- und Internet-Standards? Eine Amerikanerin und ein Russe streiten um den Vorsitz der UN-Behörde.
Wer entscheidet bei der ITU künftig über TK- und Internet-Standards? Eine Amerikanerin und ein Russe streiten um den Vorsitz der UN-Behörde.
Foto: Joaquin Corbalan P - shutterstock.com

Am heutigen Donnerstag (29. September) entscheidet sich im Rahmen einer Abstimmung, ob eine Amerikanerin oder ein Russe die einflussreiche International Telecommunications Union (ITU) führen wird. Die UN-Behörde legt Standards für neue Technologien etwa im Bereich Mobilfunknetze oder Videostreaming fest. Russland und die westliche Welt streiten um die Kontrolle. Die New York Times macht daraus sogar einen "globalen Kampf zwischen den Demokratien und den autoritären Nationen um die Ausrichtung des Internets".

Seit Monaten drängen die Amerikaner die gut 190 Mitgliedsländer, für Doreen Bogdan-Martin zu stimmen, eine langjährige Topangestellte der UN-Organisation. US-Präsident Joe Biden unterstützte Bogdan-Martin in den vergangenen Tagen massiv, nachdem es auch schon in den Monaten zuvor intensive öffentliche und private Lobbyarbeit durch Spitzenvertreter der Regierung und große US-Unternehmensgruppen gegeben hatte. Bogdan-Martin kandidiert gegen den weniger in Erscheinung getretenen Russen Rashid Ismailov, einen ehemaligen Regierungsbeamten.

Die Internationale Fernmeldeunion setzt wichtige Standards

Wer die Fernmeldeunion leitet, wird die Macht haben, an höchster Stelle Standards und Regeln zu beeinflussen, nach denen neue Technologien auf der ganzen Welt entwickelt werden. Die Organisation ist zwar nicht sonderlich bekannt, hat aber in den vergangenen Jahren beispielsweise wichtige Richtlinien für die Funktionsweise von Videostreaming festgelegt und die weltweite Nutzung der für Mobilfunknetze wichtigen Funkfrequenzen reguliert.

Doreen Bogdan-Martin strebt den Vorsitz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) an.
Doreen Bogdan-Martin strebt den Vorsitz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) an.
Foto: ITU-Pictures

Angesichts der russischen Invasion in die Ukraine und der darauf folgenden stärkeren Polarisierung der Weltmächte wird die Wahl der Behördenspitze zu einem Symbol für den globalen Kampf um einen demokratischen oder einen autoritären Ansatz für das Internet. Länder, die den Zugang ihrer Bürger zum Internet überwachen wollen, dürften auf Ismailov setzen. So hat Russland Medienberichten zufolge bereits ein System entwickelt, mit dem es überwacht, wie sich Russen online über Themen wie den Krieg in der Ukraine äußern. Die Vereinigten Staaten setzen eher darauf, Inhalte in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter nicht zu regulieren.

Demokratische und autoritäre Regierungen im Clinch

Wie die New York Times schreibt, fürchten die demokratischen Länder, dass Russland und auch China die ITU nutzen könnten, um das Internet nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Die beiden Länder haben im vergangenen Jahr eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie dazu aufriefen, "das souveräne Recht der Staaten, den nationalen Teil des Internets zu regulieren", zu bewahren. Sie betonten "die Notwendigkeit, die Rolle der ITU zu unterstreichen und die Vertretung der beiden Länder in ihren Leitungsgremien zu verstärken".

Auch Rashid Ismailov aus Russland möchte die UN-Behörde leiten.
Auch Rashid Ismailov aus Russland möchte die UN-Behörde leiten.
Foto: ITU Pictures

Die ITU wurde 1865 gegründet, um Probleme mit Telegrafie-Maschinen zu lösen. Sie konzentrierte sich zunächst auf physische Netzwerke, ist aber inzwischen an der Festlegung einer breiten Palette von Standards beteiligt. Sie reichen von Smart-Home-Geräten bis zum vernetzten Auto. Die Konferenz, die alle vier Jahre stattfindet und auf der heute abgestimmt werden soll, hat bereits am Montag in Bukarest begonnen. (hv)