US-Wirischaftskrieg gegen UdSSR findet ohne Europa statt

25.05.1984

Dr. Heinrich Machowski

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin

Ein Themenschwerpunkt der Diskussionen war die Frage nach Sinn und Wirkung von Wirtschaftssanktionen gegen die Sowjetunion. Überraschend war die fast vollständige Einmütigkeit, mit der wirtschaftliche Sanktionen als politisches Druckmittel abgelehnt wurden. Die sowjetische Wirtschaft ist aufgrund ihres Rohstoffreichtums und großen Binnenmarktes vom Außenhandel nicht essentiell abhängig. Sie ist aufgrund von systembedingten Schwächen nicht in der Lage, die importierte Technologie optimal zu nutzen, das heißt, der Einfluß der Technologieimporte auf das Wirtschaftswachstum dort darf nicht überbewertet werden. Die UdSSR wird kein zweites Japan werden.

Monopolverlust bei den USA

Auf westlicher Seite haben die USA ihr früheres weltwirtschaftliches Monopol bei Technologie, Kapital und bei Getreide verloren, um eine einheitliche Haltung erzwingen zu können: Die gescheiterten Getreide- und Röhrenembargos waren nicht nur mit Konflikten in der Allianz, sondern auch mit Nachteilen für die amerikanische Wirtschaft verbunden. Otto Wolff von Amerongen, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, mahnte die Teilnehmer, daß "technische Eindämmung und Selektivität im Handel kein Ersatz für Außenpolitik sein können".

Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt war die Neufassung des amerikanischen Exportkontrollgesetzes. Hier stehen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche "Außenhandels-Philosophien" gegenüber: Während in der Bundesrepublik jedes Exportgeschäft grundsätzlich erlaubt ist und Verbote von der Bundesregierung gesetzlich begründet werden müssen, wird in den USA der Export als ein Privileg betrachtet, das von der Administration unter anderem aus sicherheits- und außenpolitischen Motiven jederzeit entzogen werden kann.

Für westeuropäische Unternehmen ist dieses Gesetz deshalb bedeutsam, weil auch sie de facto den amerikanischen Sanktionen unterworfen werden können. Und im Falle einer Nichteinhaltung solcher extraterritorialen Sanktionsmaßnahmen könnten sie dann vom amerikanischen Markt ausgeschlossen werden. Olin Wethington, stellvertretender Staatssekretär im amerikanischen Handelsministerium, erklärte hierzu: "Die nationalen Exportkontrollen müßten aus innenpolitischen Gründen auf jeden Fall bestehen bleiben". Künftig sollten Sanktionen jedoch nicht mehr einseitig, sondern nur nach gründlicher Konsultation mit den Verbündeten verhängt werden - dies sei die Lektion aus dem gescheiterten Röhrenembargo.

Außerdem sollten Sanktionen - im Gegensatz zur Auffassung des amerikanischen Senats - auf keinen Fall in geschlossene Verträge eingreifen.

Ausländischen Firmen, die sich an Sanktionsmaßnahmen nicht beteiligen, sollte nach Meinung des Handelsministeriums der amerikanische Absatzmarkt nicht versperrt werden - diese Meinung teile allerdings weder die gesamte Administration noch der ganze Kongreß. Demgegenüber haben sich die deutschen Teilnehmer grundsätzlich gegen die extraterritoriale Anwendung amerikanischer Exportbeschränkungen ausgesprochen, weil eine soche Regelung die nationale Souveränität der betroffenen Staaten beeinträchtigen und die wirtschaftliche Kooperation mit den USA beträchtlich stören würde.

Streit um Exportverbot

Umstritten waren auch Beschränkungen von Technologieexporten in die UdSSR und nach Osteuropa. Während von amerikanischer Seite ein Exportverbot für Waren gefordert wird, die sowohl für militärische Zwecke als auch für den zivilen Bereich eingesetzt werden können ("dual-use-items") - wie beispielsweise Computer - , drängen die Europäer auf eine Fortsetzung der bisherigen Cocom-Politik: Danach werden Exportverbote nur für unmittelbare Militärtechnologie ausgesprochen. Einig war man in Washington, daß Cocom institutionell nicht aufgewertet, insbesondere nicht in ein NATO-Organ umgewandelt werden sollte.

Für Westeuropa müßten im Interesse eines Fortbestandes des Embargos die drei wichtigsten Grundsätze der bisherigen Exportkontrollpolitik unverändert bleiben: Informelle Basis (gentleman's agreement), Einstimmigkeit und Geheimhaltung. Außerdem dürfte Cocom nicht in ein Instrument zur Bekämpfung des illegalen Technologietransfers in Richtung Osten umfunktioniert werden; dafür seien allein die nationalen Rechtsinstanzen zuständig. Vor allem würde Cocom nicht als ein Mittel zur Sicherung des Technologievorsprungs des Westens - soweit es um Ziviltechnologie geht - benötigt. Dieser Vorsprung sei unter anderem das Ergebnis einer liberalen, unbürokratischen und damit flexiblen Außenwirtschaftspolitik.

Auf der Konferenz wurde die unterschiedliche Perzeption der Entspannungspolitik der siebziger Jahre und ihrer Ergebnise in Westeuropa auf der einen und in den USA auf der anderen Seiten klar herausgearbeitet. Die westeuropäischen Regierungen versuchten mit dieser Politik, die Spannungen in Europa zu verringern - ein Ziel, das in den siebziger Jahren sehr erfolgreich verfolgt wurde. Deswegen sind die Westeuropäer daran interessiert, diese Politik fortzuführen ("so viel Sicherheit wie nötig, so viel Zusammenarbeit wie möglich"). Demgegenüber hat man in den USA die Entspannungspolitik von vornherein immer nur als Fortsetzung der alten Politik mit neuen Mitteln angesehen, nämlich die weltweite Eindämmung des sowjetischen Einflusses. So gesehen war die Entspannungspolitik ein Mißerfolg.

Die heutige Politik der USA gegenüber der Sowjetunion betont die Bedeutung der militärischen Stärke und den Einsatz wirtschaftlicher Sanktionen bis hin zum Wirtschaftskrieg ("Wandel durch Verweigerung"). Eine gemeinsame Ostwirtschaftspolitik der USA und Westeuropas kann es angesichts dieser Interessengegensätze nicht geben. Für die Zukunft folgt daraus, daß die einzelnen westlichen Industriestaaten - abgesehen von der gemeinsamen Kontrolle auf dem Gebiet militärischstrategischer Güter und Technologien - eine politisch neutrale, die Kräfte des Marktes unterstützende Ostwirtschaftspolitik betreiben sollten ("wer Marktkonditionen bietet, der kann keine politischen Konzessionen fordern").

Nur ein wirtschaftlich "gesunder" Ost-West-Handel kann eine positive, stabilisierende Wirkung auf das Ost-West-Verhältnis ausüben. Dies ist die wichtigste Lektion aus der Entwicklung der siebziger Jahre: Die westliche Öffentlichkeit hat bei der Beurteilung der politischen Rolle des Ost-West-Handels seine ökonomische Bedeutung für Ost und West überschätzt und seine rein wirtschaftlich bedingten Entwicklungsprobleme unterschätzt.