Textverarbeitung in Europa auf dem Vormarsch:

US Vorherrschaft nicht mehr unumstritten

15.08.1980

LONDON (to) - Europa hat der amerikanischen Marktdominanz auf dem Textverarbeitungssektor den Kampf angesagt. Mit einer jährlichen Zuwachsrate an Auslieferungen von um 30 Prozent entwickelten sich die Hersteller auf unserem Kontinent zu einer potenten Konkurrenz für den US-Markt.

Jüngsten Ergebnissen der International Data Corporation (IDC), London und München, sowie amerikanischer Marktforscher ist zu entnehmen, daß das Interesse der europäischen Unternehmen an der Textverarbeitung rapide zunimmt und daß gleichzeitig hochentwickelte Systeme von hiesigen Herstellern angeboten werden. IBM beispielsweise habe sich dagegen auf den überkommenen "Stand-alone-Lorbeeren" (52 Prozent Marktanteil) ausgeruht und habe bislang keine konkurrenzfähigen Neuentwicklungen auf diesem Sektor vorgestellt.

Der blaue Riese habe markante Marktanteile dadurch verloren, daß für die noch 1978 hauptsächlich eingesetzten Magnetband- und Magnetkartengeräte kein geeignetes Ersatzsystem geboten wurde. Das ist einer der Punkte, die der neue Eurocast-Report der IDC "Word Processing Markets - Western Europe 1979-1983" herausstreicht.

Zwar werde sich - so IDC - die Zuwachsrate, die 1979 noch 30 Prozent betragen habe, in 1980 auf etwa 26 Prozent absenken; trotzdem werde dieser Markt weiterhin von lebhaften Aktivitäten beherrscht. Besonders bedeutend seien die Anteile von Herstellern mit einer bislang kleinen Vertriebsquote, da dort ein rapides Wachstum wesentlich leichter zu erreichen sei. Das jedoch sei keine ausreichende Erklärung für die geringen Zuwachsraten derjenigen Hersteller, die keine neuen Ankündigungen getätigt hätten.

Das Know-how ist da

Auch das amerikanische Marktforschungsinstitut Auerbach Publishers Inc., Pennsauken, sieht eine derartige Entwicklung. Das Urteil von dieser Stelle lautet: "Die europäischen Hersteller besitzen die Fähigkeiten und die Initiative, eine Textverarbeitungs-Industrie aufzubauen, die der US-Vorherrschaft rivalisierend entgegentreten kann."

Der neue Bericht "Auerbach On Wordprocessing in Europe" befindet, daß trotz der hohen Zuwachsraten der Textverarbeitungsmarkt auf unserem Erdteil wegen ökonomischer und kultureller Unterschiede in den einzelnen Ländern nicht so schnell gewachsen und groß geworden sei, wie vergleichsweise momentan in Amerika. Allerdings wachse bei uns das Interesse an Systemen dieser Art.

Auch International Resource Development Inc., Norwalk, deutet diese Entwicklung an, indem sie in der Tastaturen-Untersuchung "Keyboard-Report", die kürzlich veröffentlicht wurde, den Aufschwung auf dem Textverarbeitungssektor als eine der Begründungen dafür liefert, warum sich der Tastaturenmarkt bis 1985 - trotz der Möglichkeit der Spracheingabe - verdoppeln wird.

Ausweg aus dem Personalmangel

Eine detaillierte Untersuchung nicht nur der einzelnen Anbieter von Textsystemen, sondern auch der Akzeptanz in den einzelnen westeuropäischen Ländern liefert IDC. Frankreich, so heißt es darin, werde eine verhältnismäßig rapide Entwicklung durchmachen, da bisher aus Mangel an nationalen Herstellern relativ wenige Systeme installiert worden seien. Sekretärinnen jedoch würden knapp, und die französische Regierung treibe eine Entwicklung in Richtung auf die elektronische Textverarbeitung voran. Die recht frühe Entwicklung auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik erkläre die hohen Installationszahlen hierzulande und die Vormachtstellung einiger lokaler Anbieter wie Diehl, Siemens und Olympia.

Der einzige entscheidende Grund für eine manchmal gebremste Akzeptanz automatischer Textbe- und -verarbeitungssysteme sei, so befinden von IDC befragte Anwender, in Gewerkschaftsaktivitäten zu suchen.

Informationen: IDC Europa Ltd., 2 Bath Road, London W4 1LN, Tel.: 01/995-92 22.