US-Softwerker akquiriert deutschen Smalltalk-Anbieter Nach Uebernahme zerlegt Micado Versicherungspakete in Objekte

27.10.1995

MUENCHEN (qua) - Die auf Versicherungsanwendungen spezialisierte Policy Management Systems Corp. (PMSC), Columbia, South Carolina, hat sich am 1. Oktober das in Hennef beheimatete Software- Unternehmen Micado einverleibt. Unter dem Firmennamen PMSmicado wollen die Rheinlaender noch in diesem Jahr ein Applikations- Framework fuer die Versicherungsbranche auf den Markt bringen.

Aus PMSC-Sicht macht die Akquisition eines europaeischen Software- Unternehmens durchaus Sinn - vor allem deshalb, weil die Kundschaft des Anbieters bislang fast ausschliesslich in den Vereinigten Staaten zu Hause ist: Nur sechs Prozent der 800 Kundenunternehmen haben ihren Firmensitz ausserhalb USA.

Zudem beduerfen die sechs Jahre alten PMSC-Applikationen der "Serie III" mittlerweile der Ueberarbeitung. Indem die Amerikaner die Micado-Entwickler auf ihre Gehaltsliste setzen, sichern sie sich das fuer eine Modernisierung ihrer Produktpalette notwendige Know- how in Sachen Objektorientierung.

Wie Rafael Laguna, Geschaeftsfuehrer von PMSmicado, ausfuehrte, werden die Smalltalk-Spezialisten das gesamte PMSC-Paket in eine Ansammlung von Versicherungsobjekten umwandeln. Das Ziel bestehe darin, autonome Software-ICs fuer Assekuranzanwendungen zu schaffen. Ein erstes Teilprojekt sei schon erfolgreich abgeschlossen worden.

Versicherungen und Banken zaehlen bereits seit langem zu den "Stammkunden" der Micado-Gruppe, erlaeutert Gruendungsgesellschafter Ulrich Huehn, der ebenfalls zur Geschaeftsleitung von PMSmicado gehoert. Allerdings habe der 100 Mitarbeiter zaehlende OS/2- Spezialist und Smalltalk-Distributor bislang keine eigene Anwendungssoftware im Angebot gehabt.

Konkurrenten und Partner

Anders PMSC: Unter der Bezeichnung Serie III offeriert das Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit knapp 5000 Mitarbeitern rund 500 Millionen Dollar umsetzte, eine Reihe von Standardloesungen fuer Sach- und Lebensversicherungen. Eigenen Angaben zufolge hat der Anbieter derzeit 130 verschiedene Applikationen auf Lager. Deren Vertrieb unterstuetzt er zudem durch diverse Dienstleistungen - bis hin zum Outsourcing.

Wieviel das US-Unternehmen fuer den Fuss im europaeischen Markt und die Produkt-Entwicklungshilfe ausgeben muss, will PMSmicado derzeit nicht preisgeben. Kein Hehl macht die frischgebackene PMSC-Tochter hingegen aus ihren Umsatzplaenen: Die Einnahmen des laufenden Geschaeftsjahres sollen sich auf 25 Millionen Mark summieren - das sind rund 40 Prozent mehr als 1994.

Mit seinem Entwicklungsvorhaben tritt PMSmicado in den Wettbewerb zur IBM, die gemeinsam mit einigen grossen US-Versicherern plant, branchenspezifische Frameworks auf der Basis eines Object Request Brokers zu entwickeln (CW Nr. 37 vom 15. September 1995, Seite 6: "US-Versicherungen einigen sich auf gemeinsame Objektklassen"). Die zugrundeliegende Idee sei dieselbe, raeumte Laguna ein, aber anders als die IBM konzentriere sich PMSmicado besonders auf den europaeischen Markt. Einen Vorteil verspricht er sich auch davon, dass PMSmicado noch in diesem Jahr eine marktreife Loesung anbieten will, waehrend IBM die ersten Objekte fuer das kommende Fruehjahr angekuendigt hat.

Konkurrenten hier - Partner dort. Neben der Fusion mit PMSC informierte Micado die Oeffentlichkeit auch ueber einen Kooperationsvertrag mit der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH, Stuttgart. Demzufolge wird das Unternehmen aus dem Raum Bonn kuenftig nicht nur die Smalltalk-Versionen von Parcplace/Digitalk, sondern auch das IBM-Produkt "Visual Age" vermarkten. Darueber hinaus bietet es seinen Kunden an, ihnen beim Umstieg auf die IBM- eigene Smalltalk-Umgebung behilflich zu sein.