Firestone macht Oracle für gescheitertes DV-Projekt verantwortlich

US-Reifenhersteller verklagt Oracle auf zehn Millionen Mark

26.04.1991

FRAMINGHAM (IDG) - Der US-amerikanische Reifenhersteller Bridgestone/Firestone hat Oracle auf Schadensersatz in Höhe von mindestens zehn Millionen Dollar verklagt Dem Datenbankbieter wird vorgeworfen, ein Projekt vorsätzlich in den Sand gesetzt zu haben, in dessen Rahmen rund 1600 Servicestellen online mit einer Kunden- und Teiledatenbank verbunden werden sollten.

Den Gerichtsunterlagen zufolge, die der IDG-Schwesterpublikation "Computerworld" vorliegen, behaupten die Kläger, daß die Oracle Corp. nicht nur ihre Vertragspflichten verletzt habe, sondern darüber hinaus bereits bei Vertragsabschluß gewußt haben müsse, daß sie ihnen nicht werde nachkommen können. Konkret wird Oracle vorgeworfen, weder die Version 3 von SQL*Forms noch die Version 6 des Datenbanksystems mit den erforderlichen Features geliefert zu haben.

Überhaupt, so bemängelt Firestone, hätte Oracle eine ganze Reihe von Softwarekomponenten und Dokumentationen nicht termingerecht, unvollständig oder gar nicht geliefert. Außerdem sei ein Teil der gelieferten Produkte nicht auf den Rechnern und in den Netzen des Reifenherstellers lauffähig gewesen.

Eingeleitet wurde die juristische Auseinandersetzung allerdings durch den Datenbankanbieter. Am 21. Februar 1991 hat Oracle seinen Großkunden verklagt, weil dieser seine Rechnungen noch nicht vollständig bezahlt habe. Von den vereinbarten 2,05 Millionen Dollar stehen nach Oracle-Angaben noch 1,358 Millionen Dollar aus.

Die eine Woche später eingereichte Klage von Firestone deutet Oracle nun als Ablenkungsmanöver. Der säumige Kunde, so der Vorwurf, versuche, "einen eindeutigen Fall von Vertragsbruch in eine wüste und undurchsichtige Rauferei zu verwandeln".

Was die konkreten Vorwürfe betrifft, so schiebt Oracles Rechtsbeistand Cynthia Greco Herr die Schuld auf den Systemintegrator TSC, der für das Projekt mit Firestone verantwortlich zeichne. "Das Unternehmen hat keine Erfahrung im Umgang mit der Software und den Techniken von Oracle", so die Rechtsanwältin.

"TCS hat mit den Problemen nichts zu tun", nimmt dagegen John Roony, bis Mai 1990 General Manager der Mastercare-Abteilung von Firestone, den Systemintegrator in Schutz. Das Oracle-Projekt wurde in seinem damaligen Verantwortungsbereich durchgeführt.

Selbst wenn sich das Gericht der Argumentation von Firestone anschließe, so die Rechtsanwältin gegenüber "Computerworld", begrenze der Vertrag die Haftungspflicht von Oracle auf zwei Millionen Dollar.