Auswirkungen auf den amerikanischen Arbeitsmarkt befürchtet:

US-Rechenzentren lassen in Asien erfassen

23.01.1987

NEW YORK - Mangelnde nationale Gesinnung werten US-Gewerkschalten jenen DV-Serviceunternehmen vor, die Erlassungsaufträge außer Landes geben. Dies könnte auf Dauer das Potential an Arbeitsplätzen im heimischen Dienstleistungssektor schmälern.

Was in der verarbeitenden Industrie der USA bereits seit zehn Jahren Praxis ist, greift nun auch in den DV-Dienstleistungsbranchen um sich: Freie Rechenzentren etwa lassen Daten zunehmend in Asien oder in der Karibik erfassen. Derzeit besitzen bereits 80 amerikanische Unternehmen ausländische Niederlassungen dieser Art. Rund ein Dutzend Gesellschaften transportieren ihre Belege sogar bis nach Rotchina, um sie dort maschinenlesbar machen zu lassen. In der Volksrepublik kostet nämlich die Arbeitsstunde nur halb so viel wie im Mutterland: sechs Dollar. Daß der Transfer in die Billiglohnländer

Südostasiens auf Dauer Arbeitsplätze in der Dienstleistung gefährden könnte, befürchten US-Gewerkschaften wie auch amerikanische Nationalökonomen. Immer schwerer ließen sich dann wegrationalisierte Jobs in der Verarbeitung ausgleichen.

Zwanzig Millionen neue Arbeitsplätze habe die US-Wirtschaft schaffen können, geht aus der Studie "Die große amerikanische Job-Maschine" des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses von Senat und Repräsentantenhaus aus dem vorigen Jahr hervor.

Als Branchen mit Zugewinn an Arbeitsplätzen beschreibt das amerikanische Amt für Arbeitsmarktstatistik moderne Industrien mit besonders starkem Wachstumspotential wie Computer- und High-Tech-Bereiche.

Engpaß bei DV-Fachkräften

Zu den Gewinnern der nächsten zehn Jahre gehören so die Elektronik-Industrie mit einem Arbeitsplatz-Plus von über einem Drittel, "High-Tech" mit knapp 30 Prozent und die elektronische Kommunikation mit knapp 20 Prozent Zuwächsen.

Engpässe auf dem US-Arbeitsmarkt gäbe es besonders beim DV-Personal, stellen die US-Arbeitsmarktstatistiker fest. An Programmierern würden bis 1995 über 70 Prozent, also etwa 600 000 Arbeitnehmer, mehr benötigt, an Systemanalytikern 69 Prozent - rund 590 000 Stellen und an DV-Wartungs- und Servicepersonal über die Hälfte, etwa 80 000 Personen. Der Bedarf an Elektroingenieuren, Operatoren für Rechner und Peripherien, sowie elektrotechnischen Assistenten bewegt sich zwischen 45 und 55 Prozent.

Unter dem Strich, so sind sich indes die "Job-Maschine"-Auftraggeber einig, sei von einer "De-Industrialisierung" zu sprechen. Denn die Zahl der güterproduzierenden Bereiche der Wirtschaft sei allein seit 1980 um eine halbe Million gesunken. Das Wachstum an Arbeitsplätzen liege also ausschließlich im Dienstleistungssektor. Dort finden derzeit 76 Prozent aller berufstätigen Amerikaner - zehn Prozent mehr als vor zehn Jahren - ihren Job. Doch die Zuwachsraten nehmen ab; vier Prozent in 1985, dreieinhalb Prozentpunkte weniger vergangenes Jahr; eine weiterhin sinkende Tendenz kündige sich an.

Wie in den europäischen Industrieländern auch werden dabei besonders weniger qualifizierte Jobs noch mehr als bisher gefährdet sein. "Die wirtschaftliche Umstrukturierung in den achtziger Jahren - insbesondere der Verlust von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe und das fortgesetzte Wachstum des Dienstleistungssektors hat die Niedriglohnarbeit vorangetrieben", faßt die "Job-Maschine"-Studie aus Washington zusammen.

Einer verschwindend geringen Zahl von qualitativ hochwertigen, gut bezahlten Arbeitsplätzen stehe somit eine überwältigende Mehrheit minderwertiger Arbeitsplätze gegenüber, fügen US-Gewerkschaftssprecher an. Seit 1979 neu Beschäftigte verdienten - gemittelt - 7000 Dollar jährlich. Der Durchschnitt des amerikanischen Arbeitnehmers lag 1984 bei 14 000 Dollar.

Eine entgegengesetzte Interpretation der "postindustriellen" Wirtschaftsentwicklung in den USA liefert der demokratische Präsidentschaftskandidat Gary Hart: Innerhalb des Dienstleistungssektors steige die Zahl der Arbeitsplätze mit überdurchschnittlich hohen Einkommen. Die Zahl der Stellen, weisen Werte des amerikanischen Amts für Arbeitsmarktstatistik aus, soll um 16 Millionen auf 123 Millionen ansteigen; jede neunte davon im tertiären Sektor. Hart stützt sich dabei weiter auf Werte der Arbeitsamtsverwaltung aus dem Staat New York. Dort liegt der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor nicht nur mit 85 Prozent überdurchschnittlich hoch, auch die Löhne seien im Schnitt attraktiver als in den traditionellen New Yorker "Schornstein-Industrien".