IEEE will verbindliche Schnittstellen-Definition verabschieden:

US-Normungsgremium drängt auf Unix-Standard

30.01.1987

WASHINGTON (kul) - Im Betriebssystembereich könnte es bald eine international genormte Schnittstellen-Definition geben. Die IEEE-Entwicklung "Posix" hat gute Chancen, das Rennen zu machen. Dies wurde jetzt anläßlich der Unix-Konferenz "Uniforum" in Washington deutlich. Selbst AT&T kann sich offenbar einer solchen Initiative nicht verschließen: Der Kommunikationsgigant stieß jetzt als elftes Mitglied zur Unix-Herstellervereinigung X/Open.

Schützenhilfe bekommt "Posix" von insgesamt 57 DV-Herstellern, Softwarehäusern, Universitäten und Forschungsinstituten. Neben Normungsgremien, wie dem US Institute of Electric and Electronic Engineers (IEEE) und dem US National Bureau of Standards, machen sich auch viele namhafte Vertreter der DV-Industrie für das Projekt stark: Die Liste reicht von den X/Open-Mitgliedern Bull, Digital Equipment, Ericsson, Hewlett-Packard, ICL, Nixdorf, Olivetti, Philips, Siemens und Unisys über Data General bis zu IBM. Auch AT&T, so hieß es in Washington, werde sich wahrscheinlich den Aktivitäten anschließen. Mit der Verabschiedung des Standards wird noch in diesem Jahr gerechnet.

Bezeichnend für "Posix" ist die enge Verwandtschaft zur Unix System V Interface Definition (SVID) der X/Open-Gruppe. Die IEEE-Entwicklung wird in Fachkreisen als fast vollständige Teilmenge dieser Schnittstellendefinition beschrieben. Allerdings komme es in einigen Bereichen immer noch zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Richtlinien. Diese Unterschiede beträfen vor allem Fehlermeldungen sowie einige Komponenten, die nur von einer der beiden Guidelines abgedeckt werden. Hier Klarheit zu schaffen, müsse deshalb zunächst eines der Hauptziele für alle Beteiligten sein, hieß es.

Die IEEE-Entwicklung wurde inzwischen an das American National Standards Institute (ANSI) zur Prüfung weitergeleitet. Ist diese Hürde genommen, tritt die International Standards Institution (ISO) in Aktion. Bei ihr liegt es dann, die Bedingungen für "Posix" als international gültigen Standard zu schaffen. Behauptet sich die Interface-Definition auf diesem Weg durch die Instanzen, will auch die X/Open-Gruppe mit ihrem Portability-Guide auf "Posix" aufsetzen.

Einen weiteren starken Befürworter hat das bislang noch nicht ausgebrütete Schnittstellen-Ei des IEEE an höchster Stelle in Washington: Die US-Regierung, so heißt es, warte nur noch die offizielle Akzeptanz des Standards ab und werde ihn dann umgehend zur Grundlage vieler Auftragsausschreibungen im DV-Bereich machen.

Das Bestreben, in diesem äußerst lukrativen Geschäft nicht zu kurz zu kommen, werten amerikanische Branchenkenner denn auch als Hauptgrund für das Interesse von AT&T an dem Standardisierungsprojekt. Hinzu komme, daß der Kommunikationsgigant sich im letzten Jahr ob seines Geschäftsgebarens mit massiver Kritik von seiten der Fachöffentlichkeit konfrontiert gesehen habe. Um eine Verbesserung des eigenen Images zu erzielen, sehe sich AT&T deshalb gezwungen, von seinem monopolistischen Anspruch abzuweichen und sich in puncto Unix kooperationsbereit zu zeigen. Der erste Schritt zu einer solchen Zusammenarbeit ist bereits getan: Auf der "Uniforum" wurde der Beitritt von AT&T zur X/Open-Gruppe bekanntgegeben.

Nicht ganz uneigennützig scheint auch das Engagement der IBM: Big Blue kann sich nach Ansicht von Insidern der Forderung nach einer herstellerunabhängigen Schnittstellendefinition nicht länger verschließen. Außerdem wolle der Marktführer verhindern, daß sich ein potentieller Standard grundlegend von den Charakteristika der eigenen Unix-Version "Aix" unterscheidet.