US-Manager schieben Intels Prachtstueck aufs Abstellgleis Gartner Group raet vorerst vom Kauf Pentium-basierter PCs ab

23.12.1994

MUENCHEN (CW) - Intels leichtfertiger Umgang mit dem Divisionsfehler der Pentium-CPU entwickelt sich fuer den Chipgiganten zu einer ernsthaften Imagekrise. Nach IBMs publikumswirksamem Auslieferungsstopp fuer alle Pentium-Rechner droht der Grove-Company nun von anderer Seite Ungemach: Die Consultants der Gartner Group raten ihren Kunden vorerst vom Kauf des Intel-Prachtstuecks ab. Zudem wollen veraergerte Pentium-Kunden in den USA gerichtliche Schritte gegen den Prozessorhersteller einleiten.

Ungeachtet aller Streitigkeiten zwischen der Grove-Company und Big Blue - Intel behauptet, der Durchschnittsanwender sei statistisch nur alle 27 000 Jahre von einem Rechenfehler betroffen, waehrend IBM zu dem Ergebnis kommt, dass User von Spreadsheets sich bereits alle 27 Tage mit einem falschen Ergebnis konfrontiert sehen (vgl. CW Nr. 50 vom 16. Dezember 1994, Seite 1) - empfiehlt die Gartner Group Unternehmen, vorerst keine Pentium-basierten Computer zu kaufen. Ein eventuell noetiger spaeterer Austausch der fehlerhaften Chips komme auf Kosten von 30 bis 200 Dollar pro PC, so die Consultants.

Verunsicherte MIS-Manager wie Greg Skinner, DV-Planer bei der Pepsi-Cola Bottling Co., schaffen bis auf weiteres keine Server mit Pentium-Prozessoren mehr an, zumal Skinner der Grove-Company aufgrund ihrer in die Kritik geratenen PR-Politik in Sachen FPU- Fehler nicht mehr traut. Der Pepsi-Mitarbeiter ist nicht der einzige US-Manager, der gegenueber Intels Vorzeigechip sehr skeptisch geworden ist. Einer Umfrage der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" zufolge sind zwei Drittel der Befragten besorgt ueber den Schoenheitsfehler, wie Intel den Prozessor-Bug offiziell herunterspielt - zumal Unternehmen wie Compaq mittlerweile einraeumen, dass sich der Mangel entgegen den Beteuerungen des Chipgiganten auch bei grafischen Anwendungen negativ bemerkbar machen koenne.

Auf Intel rollt eine gigantische Prozesswelle zu

Darueber hinaus erwarten 20 Prozent der Manager, dass die ungenaue Arbeitsweise der Floating Point Unit (FPU) Auswirkungen auf die in ihrem Unternehmen verwendeten Applikationen hat. So verwundert es nicht weiter, dass rund die Haelfte der befragten IS- Verantwortlichen den Kauf weiterer Pentium-Rechner vorerst zurueckgestellt hat und lieber auf Bug-freie CPUs wartet, die Intel Geruechten zufolge bereits heute in geringen Stueckzahlen abgibt, waehrend in das Gros der Rechner nach wie vor schadhafte Prozessoren eingebaut werden.

Zwar halten PC-Hersteller wie Compaq, HP, Gateway 2000, AST Research, Dell, DEC oder Acer momentan noch zu Intel und liefern weiterhin Rechner mit dem bemaengelten Chip aus, doch Branchenkenner glauben, dass sich dies schnell aendern koennte, falls Intel in einem der zahlreichen angestrebten Prozesse unterliegt. Wie die CW-Schwesterpublikation "Computerworld" weiter berichtet, sieht sich Intel mit einer wahren Prozessflut sowie Schadensersatzanspruechen in Millionenhoehe konfrontiert - abgesehen davon, dass Insider die Kosten fuer eine breitangelegte Umtauschaktion auf 2,5 Milliarden Dollar schaetzen.

Pikant liest sich die Liste der Anklagepunkte, die Intel vorgeworfen werden: Betrug, falsche Aussagen in der Werbung sowie Verstoss gegen die Verbraucherschutzgesetze mehrerer US- Bundesstaaten. Waehrend der Chipgigant jegliche Anschuldigungen vehement von sich weist, sucht er derzeit noch nach Topjuristen zur Verteidigung.

Auch die von zahlreichen Firmen wie Compaq, Vobis oder Microsoft angebotenen Software-Fixes duerften die Prozesslust der veraergerten Anwender kaum daempfen. Diese Softwareloesungen schalten nur die interne FPU ab und verwandeln Intels Prachtstueck in einen gedrosselten Pentium FX, der Berechnungen ueber langsamere Softwareroutinen ausfuehrt.