US-Kartellbehoerde sitzt Gates erneut im Nacken Microsoft erwaegt den Verzicht auf MS-Network in Windows 95

07.07.1995

MUENCHEN (CW) - Krisenstimmung ist bei Microsoft eingekehrt, nachdem das US-Justizministerium angekuendigt hat, das geplante Bundling von Windows 95 mit dem Online-Dienst Microsoft Network (MSN) genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Gates-Company erwaegt deshalb, Windows 95 ohne Zugangs-Tool fuer MSN ins Rennen zu schicken.

Die vor wenigen Wochen gefaellte Entscheidung der US- Justizbehoerden, die Akquisition von Intuit durch den Softwaregiganten abzulehnen, hat Microsoft offensichtlich an einer empfindlichen Stelle getroffen: Nachdem etablierte Online- Konkurrenten wie Compuserve oder America Online mit Schuetzenhilfe der Kartellbehoerde zur Attacke gegen die geplante Windows-95-MSN- Buendelung geblasen hatten (siehe CW Nr. 22 vom 2. Juni 1995, Seite 1), denken die Marketiers jetzt ueber einen geordneten Rueckzug nach.

Gute Gruende hat Bill Gates jedenfalls, kurzfristig von seinen Bundling-Plaenen Abstand zu nehmen. Vor einigen Tagen forderte das US-Justizministerium umfangreiche Informationen ueber Microsofts Online-Strategie an. Eine weitere grossangelegte Untersuchung aehnlich der im Fall Intuit wuerde jedoch, so berichtete das "Wall Street Journal", die fuer August 1995 geplante Auslieferung des bereits mehrmals verschobenen Windows 95 erneut stark gefaehrden.

Kampflos will Gates diese Schlacht allerdings keineswegs verloren geben. So spielt der Windows-Hersteller mit dem Gedanken, Windows 95 mit dem Programmierkern von MSN auszuliefern. Lediglich das Zugangs-Interface und das Icon sollen voraussichtlich eliminiert werden, berichtet die CW-Schwesterpublikation "Infoworld". Fuer Brad Silverberg, Senior Vice-President bei Microsoft, spielt der finanzielle Aspekt die wichtigere Rolle. Viele Millionen Dollar, die in Verpackungen und Handbuecher investiert worden seien, muesse Microsoft ohne MSN in den Wind schreiben.

Unterdessen hat sich die Aufregung der Online-Konkurrenz keineswegs gelegt. Das Marktforschungsinstitut Dataquest prognostiziert, Microsoft koenne bis Ende 1995 rund 1,3 Millionen Network-Mitglieder zaehlen. 2,6 Millionen Online-User seien ein Jahr spaeter durchaus realistisch. Auch die auf Online-Registrierungen spezialisierte Pipeline Communications Inc. ist sich sicher, Microsoft koenne sich mit Hilfe von MSN schlagartig unter die Top Three der Online-Anbieter katapultieren. Rund 60 Prozent aller Anwender, die Angebote von Online-Anbietern erhalten, liessen sich von einer Mitgliedschaft ueberzeugen.