High-noon im PC-Software-Markt

US-Kartellamt FTC will Microsofts Geschäftspraktiken durchleuchten

02.10.1992

MÜNCHEN (jm) - Das US-Kartellamt Federal Trade Commission (FTC) scheint Microsoft jetzt ins Visier zu nehmen: Möglicherweise schon im - Oktober dieses Jahres könnte die Gates-Company wegen vermuteten unfairen Geschäftsgebarens vor den Kadi zitiert werden.

Die fünf den Microsoft-Fall untersuchenden FTC-Rechtsanwälte wollen aufgrund ihrer Erkenntnisse eine Empfehlung an die Kartellamts-Commissioners aussprechen, ein Gerichtsverfahren gegen die Gates-Company einzuleiten (vgl. CW Nr. 39 vom 25. September 1992, Seite 1: "Kartellamt will..."). Dies geht aus Informationen hervor, die eine nicht näher bezeichnete, aber "gut plazierte Quelle mit detaillierten Kenntnissen" an das US-Wirtschaftsmagazins "Business Week" weiterreichte.

Die für eine Klageerhebung zuständigen Commissioners müssen dieser Empfehlung zwar nicht Folge leisten, sie kommen allerdings nur selten zu einer anderen Einschätzung der von FTC-Anwälten recherchierten Sachlage.

Wie inoffiziell bekanntwurde, stört die Wettbewerbsschützer nicht nur Microsofts massive Beherrschung des PC-Softwaremarktes. Die Kartellamtsanwälte stoßen sich vor allem am rüden Geschäftsgebaren, das William H. Gates III in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben soll, um unliebsam Konkurrenten durch unfaire Methoden vom Markt zu verdrängen.

Entscheidend ist für die Rechtsbewahrer in diesem Zusammenhang, daß durch dieses Verhalten weder Microsoft selbst noch DV-Anwendern ein erkennbarer Vorteil erwachsen sei. "Business Week" zitiert die Informationsquelle mit den Worten, es sei zwar grundsätzlich nicht zu verurteilen, seinen Rivalen den Tod zu wünschen: "So läuft eben der Wettbewerb." Der Exitus solle aber zumindest mit fairen Mitteln vorbereitet werden - ein Anspruch, dem sich die DOS-Company nach Meinung der untersuchenden FTC-Beamten offensichtlich nicht gewachsen sieht.

Zweifel an den

galanten Umgangsformen

Zweifel an den galanten Umgangsformen des Softwareriesen gegenüber Konkurrenten erfüllen die Branche schon seit Jahren. Zu den Unternehmen, die sich mit Microsoft auf Geschäftsverbindungen einließen und danach das Gefühl hatten, von den Softwerkern über den Tisch gezogen worden zu sein, gehören Firmen wie 3Com, Micrografx, die Go Corp., Ashton-Tate, Lotus oder so kleine Hersteller wie Z-Nix aus dem kalifornischen Pomona.

Doch nur wenige glauben sich gerüstet, gegen Microsoft Rechtsmittel einlegen zu können. Prominentester Kläger ist bislang Apple. Die Macintosh-Company blitzte im Copyright-Prozeß wegen angeblichen Ideenklaus - Microsoft habe in Windows Elemente der MacOberfläche benutzt - nach jahrelanger Beweisführung vor Gericht ab.

Eine bemerkenswerte Ausnahme scheint allerdings der Händel mit Z-Nix darzustellen: Der kalifornische Hersteller von Maus-Eingabemedien wollte sich an den Erfolg der DOS-Oberfläche Windows 3.0 mit dem eigenen Produkt "Supermouse" anhängen.

Deshalb traf man mit Microsoft eine Lizenzvereinbarung, derzufolge Z-Nix die Supermouse mit Windows 3.0 als Paket verkaufen konnte. Microsoft, selbst Maus-Hersteller und neben Logitech Marktführer in diesem Segment, sollte an jedem Hardware-Software-Bündel 27,50 Dollar verdienen.

Als die Windows-Entwickler allerdings ihre Lizenzgebühren auf das Doppelte katapultierten, nachdem Z-Nix bereits hohe Werbeinvestitionen getätigt hatte, wagte der Unternehmens-David mit gerade sechs Millionen Dollar Umsatz, Microsoft im November

1990 wegen Kartellrechtsverletzungen an die ordentlichen Gerichte auszuliefern. Dabei beriefen sich die Anwälte von Z-Nix-Vice-President Frank Yeh auf den Sherman Act.

Dessen Geist folgend, ist es einem Unternehmen verwehrt, seine Marktmacht in einem Marktbereich dazu zu benutzen, andere Segmente ebenfalls zu kontrollieren.

Interessanterweise einigten sich die beiden Parteien unmittelbar nach Bekanntwerden der Klageeinreichung außergerichtlich. Nähere Details des Deals wurden nie bekannt, Z-Nix-Leute äußerten sich offiziell aber befriedigt über das erzielte Ergebnis.

Logitech erging es da schlechter: Nicht nur mußte sich deren President Pierluigi Zappacosta in Redmond gegen Versuche von Microsoft-Verkäufern verwahren, bei Kunden die Logimaus schlecht zu machen. Microsoft kippte laut "Business Week" auch eine dem Z-Nix-Abkommen ähnliche Lizenzvereinbarung mit Logitech. Begründung: Derlei Bündelabkommen mache man nur noch mit Herstellern von PCs und von anderer "gewichtiger" Hardware. Kommentar Zappacosta: "So werden wir perfekt vom Markt ausgeschlossen. jetzt haben wir keine Chance mehr, mit einem konkurrenzfähigen Maus-Windows-Paket aufzutreten."

Ein roter Faden scheint sich ferner durch Microsofts Verhalten zu ziehen, wenn es um die Ausschöpfung der Ideen Dritter geht. Das texanische Softwarehaus Micrografx etwa kann ein Lied davon singen: Deren "Mirrors"-Produkt vereinfachte nicht nur die Portierung von Windows-Applikationen auf OS/2. es lenkte auch Microsofts Aufmerksamkeit auf sich.

Kurz nach der Vertragsunterzeichnung, die der Gates-Company unter anderem das Recht zur Nutzung von Mirrors für die Portierung eigener Windows-Applikationen auf OS/2 gab, verlangte Microsoft Einblick in den Quellcode des Portierungswerkzeugs, was verabredungsgemäß nur Applikationsentwicklern von Microsoft zugestanden werden sollte. Das Ende vom Lied: Nur einige Wochen später verkündete Microsoft, nun ein Mirrors-ähnliches Produkt selbst entwickeln zu wollen.

Bezeichnend ist, daß es bislang kaum einem Vertragspartner der Redmonder gelang, dem Gefühl der Übervorteilung durch die Gates-Company gerichtsmassig erfolgversprechend Nachdruck zu verleihen - oder auch nur eine Gewinnchance zu wittern, das judikative Regulativ gegen Gates zu bemühen.

Meinte denn auch Ashton-Tates Ex-Chef Ed Esber - selbst gebranntes Kind einer Anfang 1988 ausgehandelten unglücklichen Zusammenarbeit mit Microsoft, in der zusammen mit Gupta ein SQL-Server-Produkt auf den Weg gebracht werden sollte - stellvertretend für viele Branchen-Insider: "Microsoft wird sich immer absichern, So daß deren Vorgehen rechtlich nicht zu beanstandet ist."

Entwickler fühlen sich hinters Licht geführt

Abgesehen von der möglicherweise nicht ganz gesellschaftsfähigen Art, geistige Potentiale der Konkurrenz in Microsoft-Produkten zur eigenen Gewinnakkumulation zu nutzen, fühlen sich Softwarehäuser wie Lotus oder Wordperfect von Microsoft bewußt hinters Licht geführt. Sie werfen Gates unter anderem vor, sie im unklaren über die Ausrichtung der Betriebssystem-Zukunft gelassen zu haben.

Hintergrund solcher Anwürfe war eine gemeinsame Presseerklärung von der IBM und der Gates-Firma auf der Herbst-Comdex 1990 in Las Vegas. Dort hatten beide Entwicklungspartner erklärt, ab sofort werde man in Sachen OS/2 und Windows arbeitsteilig vorgehen: Big Blue übernehme verantwortlich die , OS/2-Weiterentwicklung und Vermarktung, Microsoft hingegen würde sich in Zukunft allein um Windows kümmmern.

Auf einer ein Jahr zuvor abgehaltenen Pressekonferenz ebenfalls anläßlich der Herbst-Comdex hatten beide noch OS/2 als gemeinsames Ziel ausgegeben: Microsoft verpflichtete sich, Windows auf dem Stand der noch vorzustellenden Version 3.0 einzufrieren, die DOS-Oberfläche sei für beide nur der Übergang zum Power-Betriebssystem OS/2. Auf diese Verlautbarung geht das ursprüngliche Interesse der FTC-Behörde an Microsoft zurück, die in der Vereinbarung von Big Blue und Microsoft eine wettbewerbswidrige Industrieabsprache sah. Im Juni 1990 nahm das Kartellamt deshalb erstmals Kontakt mit Redmond auf

Viele Software-Entwickler, auf OS/2 als zukünftigen Betriebssystem-Standard fixiert, fühlten sich von Microsoft genarrt. Wie Executive Vice-President von Wordperfect, Pete Peterson, anläßlich der ersten OS/2-Demonstration 1987, argwöhnten sie, Gates fühle sich nicht wirklich auf' OS]2 verpflichtet. Er habe vielmehr seine Applikationsentwickler schon längst auf Windows eingeschworen und ihnen dadurch für die Entwicklung von Windows-Anwendungen wie Excel einen unbilligen, aber entscheidenden zeitlichen Vorsprung vor der Konkurrenz verschafft.

Fragte ein Lotus-Manager die COMPUTERWOCHE denn auch einigermaßen verbiestert: "Warum, glauben Sie wohl, ist Lotus mit 1-2-3 im DOS-Bereich klarer Marktführer für Tabellenkalkülationen und Microsoft schafft es trotzdem, innerhalb kürzester Zeit mit Excel im Windows-Bereich 75 Prozent des Marktes abzusahnen? Ähnliches, wenn auch nicht so drastisch, sei Wordperfect mit deren Textverarbeitung passiert.

Anschuldigungen sind Vorverurteilungen

Natürlich wäscht Microsoft seine Hände in Unschuld:

Deutschland-Geschäftsführer Jochen Haink sieht in den Anschuldigungen eine Vorverurteilung seines Unternehmens: "Nehmen Sie den Fall Lotus: Ich weiß persönlich - weil ich zu der Zeit an Diskussionen teilgenommen habe - , daß man Lotus gefragt hat, warum

tut ihr nichts für Windows, warum entwickelt ihr nicht für uns? Und deren Antwort war: Wir entwikken für IBMs OS/2 - rutscht uns den Buckel runter."

Folgerichtig, so Haink, der sich zu den,jetzt bekanntgewordenen FTC,-Aktivitäten wegen des noch inoffiziellen Status der Informationen nicht äußern mochte, sei Lotus dann mit dei Windows-Version von 1-2-3 viel zu spät am Markt angetreten

Trotz dieser Rochade hält sich hartnäckig der Vorwurf, Microsoft nutze seine intimen Kenntnisse als Entwickler des marktdominierenden PC-Betriebssystems DOS-Windows für maßgeschneiderte Anwendungen. Anderen Entwicklungshäusern hingegen würden wesentliche Details wie Schnittstellenspezifikationen der Systemsoftware vorenthalten. Ein jüngst erschienenes Buch gibt über 100 Beispiele von undokumentierten Windows-Calls preis, die etwa Word oder Excel nutzen oder die zukünftigen Applikationen zugute kommen werden.

Rechtsexperten sind trotzdem sehr vorsichtig, geht es um die Einschätzung der Chancen eines Gerichtsverfahrens und einer möglichen Verurteilung von Microsoft. Es dürfte extrem schwer sein, den Nachweis zu führen, daß einige der Gates-Manöver einzig dem Zwecke dienten, Konkurrenten vom Markt zu drängen.

Zudem argwöhnt die US-Analystin Ester Dyson, Microsoft sei deshalb so verhaßt, weil das Unternehmen so erfolgreich agiere: "Microsoft steht heute an der Spitze, weil das Unternehmen gute Arbeit geleistet hat. Und das ist ja wohl nicht illegal."