Wang strengt Patentrechtsklage an

US-Justizministerium eroeffnet formale Microsoft-Untersuchung

27.08.1993

Die Microsoft-Juristen bekommen alle Haende voll zu tun. Mit der Einleitung einer offiziellen Untersuchung wegen unfairen Wettbewerbs hat das US-Justizministerium jetzt den seit Jahren verschleppten Fall neu belebt. Ausserdem muss sich das Unternehmen zweier Klagen wegen Patentrechtsverletzungen von Stac Electronics und neuerdings von Wang Laboratories erwehren.

Neu in der Liste der Gates-Kontrahenten sind die Wang Laboratories. Das Unternehmen wirft Microsoft vor, die Rechte zweier von Wang vor einem Jahr erworbener Patente verletzt zu haben. Bei einem der Patente geht es um Techniken zum Scannen von Dokumenten, bei dem anderen um sogenannte "Object Managers". Deren Beschreibung passt laut der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" exakt auf Microsofts Technik fuer Object Linking and Embedding (OLE).

Zu einer Klaerung der Sachlage sah sich Wang bis Redaktionsschluss nicht in der Lage. Allerdings verstaerkt sich der Eindruck, es koenne sich um die OLE-Technik handeln, weil gleichzeitig mit Microsoft die Watermark Software Inc. angezeigt wurde, ein Unternehmen aus Burlington, Massachusetts, das sich auf OLE-Tools spezialisiert hat.

Aufgrund dieser Identifizierung des Object Managers mit OLE deutet "Computerworld" die Klage als einen Versuch von Wang, Microsofts OLE-Entwicklung zu behindern. Obwohl laut Microsoft Deutschland der Sachverhalt derzeit noch von den Rechtsanwaelten geprueft werden muss, versichert das Unternehmen, dass die Klage keinen Einfluss auf Auslieferungstermine oder Produktplaene habe.

Aehnlich zuversichtlich gibt sich Microsoft auch hinsichtlich der Monopol-Vorwuerfe, obwohl sich die nichtoeffentliche Untersuchung der Federal Trade Commission (FTC) nun zu einer formalen Untersuchung des US-Justizministeriums ausgewachsen hat. Offiziell "begruesst" das Unternehmen die Einstellung der Untersuchungen durch das FTC und kuendigt eine enge Zusammenarbeit mit dem Departement of Justice an.

Dort weht jedoch ein anderer Wind als in der noch von der Bush- Regierung unternehmerfreundlich besetzten FTC-Behoerde. Nach Informationen des "Wall Street Journal" spiegelt der "aggressive Kurs des Ministeriums" die Ambitionen der fuer Antitrust-Vergehen zustaendigen Juristin Ann Bingaman wider, die sich fuer schaerfere Wettbewerbsbestimmungen einsetzt. Bei diesem Vorhaben koenne sich Bingaman der Unterstuetzung der Generalstaatsanwaeltin Janet Reno sicher sein.

Microsoft wird von Mitbewerbern vorgeworfen, seine dominante Stellung im PC-Softwaremarkt mit unlauteren Mitteln auszubauen. Konkret soll die Gates-Company bei Anwendern die Befuerchtung geschuert haben, dass Windows nicht reibungslos auf der Systemsoftware anderer Anbieter laufen koenne. Darueber hinaus sollen die Lizenzpraktiken von Microsoft darauf ausgelegt sein, Konkurrenten vom Markt zu verdraengen (vgl. CW. Nr. 31 vom 30. Juli 1993, Seite 1: "Antitrust-Richter des FTC werden sich ueber Microsoft-Praktiken nicht einig").

Auch die Auseinandersetzung zwischen Stac Electronics und Microsoft ist noch nicht ausgestanden. Stac wirft Microsoft vor, unrechtmaessig Techniken der Kompressionssoftware "Stacker" in das mit DOS 6.0 ausgelieferte "Doublespace"-Produkt eingebaut zu haben. Eine Verhandlung zu diesem Fall ist fuer den 13. Dezember 1993 anberaumt.

Im Gegenzug bemueht sich Microsoft um eine einstweilige Verfuegung, die Stac verbieten soll, Stacker 3.1 fuer Windows- und DOS-Rechner zu vermarkten. Das Unternehmen soll sich dafuer Microsoft- Geschaeftsgeheimnisse angeeignet haben (siehe auch Seite 11).