Neue kartellrechtliche Anschuldigungen

US-Justiz kritisiert Microsoft

23.01.2004
MÜNCHEN (CW) - Zwei Jahre nach der außergerichtlichen Einigung zwischen dem amerikanischen Justizministerium und Microsoft im Kartellrechtsprozess zieht die US-Regierung in puncto Umsetzung der gerichtlichen Auflagen eine negative Bilanz.

In einem jahrelangen Antitrust-Prozess musste sich Microsoft vor Gericht für monopolistisches Geschäftsgebaren zum Schaden von Konkurrenten wie Sun Microsystems und Netscape verantworten. Das Verfahren endete im November 2001 mit einer außergerichtlichen Einigung. Ein Jahr später erklärte die Bush-Administration den Vergleich für rechtens. Nach Meinung vieler Beobachter war der Beschuldigte damals zu glimpflich davongekommen: Microsoft musste sich lediglich verpflichten, bestimmte Auflagen zu erfüllen.

Die Vereinbarungen zwischen der Regierung und dem Softwarehaus wurden schon bei ihrer Verabschiedung als wenig hilfreich kritisiert, weshalb einige Bundesstaaten dagegen stimmten. Sie fühlen sich nun durch den jüngsten Report eines Aufsichtsgremiums bestätigt, das alle sechs Monate darüber informiert, ob die Firma den auferlegten Forderungen der Justiz nachkommt. Das Fazit klingt für Microsoft wenig schmeichelhaft: Die Kartellauflagen hätten kaum zu mehr Wettbewerb im Softwaremarkt geführt, und dies sei ohne deren Modifikation auch für die Zukunft nicht zu erwarten. So kommen die vom US-Justizministerium und 16 Bundesstaaten eingesetzten Beobachter in ihrem 18-seitigen Bericht zu dem Schluss, dass zum Beispiel das Konzept "Microsoft Communications Protocol Program" (MCPP) die Erwartungen bisher bei weitem nicht erfüllt habe.

Es erlaubt, sich gegen Gebühr Einblick in 113 Protokolle des Windows-Betriebssystems zu verschaffen, um so eigene Programme besser an die Systemumgebung anpassen zu können. Obwohl viele Unternehmen daran Interesse haben sollen, wurden bis dato lediglich zwölf MCPP-Lizenzen an insgesamt elf Softwareanbieter vergeben, sechs für "Media Streaming", jeweils zwei für "File Server" und für "Terminal Services" sowie eine für "General Server" und "Certificate Services". Nach Angaben der US-Justiz handelt es sich bei den Unternehmen jedoch um Hersteller von Nischenprodukten, die keine nennenswerte Konkurrenz für Microsoft darstellen. Viele Firmen würden von der Komplexität und den hohen Kosten des MCPP-Modells abgeschreckt, führt das Gremium als Grund für die schleppende Akzeptanz an.

Microsofts Antwort kam prompt: Man stehe mit weiteren 20 MCPP-Interessenten in Verhandlung. Zudem versprach der Konzern, das Lizenzprogramm zu überarbeiten. Auch die Gebührenstruktur will die Gates-Company straffen und beispielsweise eine Reihe von Protokollen kostenfrei zur Verfügung stellen.

Neben der MCPP-Kritik droht Microsoft noch weiteres Ungemach: Der Staat Massachusetts, einer der Opponenten der außergerichtlichen Einigung, warf dem Konzern vor, den Suchmaschinenbetreiber Google sowie den Softwarehersteller Adobe Systems durch wettbewerbswidriges Verhalten zu schädigen. Weitere Details gab der Bundesstaat bisher nicht bekannt.

Die Kläger bezeichnen die neuen Anschuldigungen als ein weiteres Indiz dafür, dass die bisherigen Auflagen letztlich nichts taugen. In einer ersten Stellungnahme tat Microsoft die Beschuldigungen aus dem Ostküstenstaat als "vage und unberechtigt" ab. Tatsache ist jedoch, dass Microsoft schon seit einiger Zeit plant, für seine Online-Angebote eine eigene Suchmaschine sowie eine eigene Plattform für gesponserte Links einzurichten. In diesem Segment steht Microsoft unter Druck: Einerseits stützt sich der Softwarekonzern zurzeit noch auf Suchtechnik und Link-Vermarktungsdienste von Inktomi beziehungsweise Overture, die der Portalkonkurrent Yahoo beide gekauft hat, andererseits ist Google Marktführer im Suchmaschinengeschäft, eine Position, die Microsoft gern selbst innehätte. Darüber hinaus hat sich die Gates-Company zum Ziel gesetzt, die Internet-Suche stärker mit dem Windows-Desktop zu verzahnen.

Adobe geschädigt?

Ebenso ist den Redmondern Adobes Anzeigewerkzeug "Acrobat" ein Dorn im Auge: Das Programm dient dazu, Inhalte im Portable Document Format (PDF) zu verarbeiten, und hat sich als ein De-facto-Standard für elektronische Formulare unter anderem unter Windows etabliert.

In anderer Sache haben US-Justiz und Microsoft eine Einigung erzielt. Ein Gericht hatte den Konzern verklagt, weil der "Internet Explorer" beim Aufrufen der Windows-XP-Funktion "Shop for Music Online" selbst dann noch startet, wenn der Anwender den Web-Client eines Konkurrenten installiert und als bevorzugtes Internet-Programm eingerichtet hat. Die Kopplung des Browsers mit dem Betriebssystem war ein wesentlicher Gegenstand des Kartellrechtsprozesses, ein Teil der Auflagen sollte entsprechende Beeinträchtigungen der Wettbewerber beseitigen. Microsoft hat sich bereit erklärt, das strittige Feature bis März 2004 zu entfernen. (fn)

Eolas-Patent kostet Microsoft 521 Millionen Dollar

Ein US-Bundesrichter hat Microsoft wegen Verletzung der Patente von Eolas und der University of California in zweiter Instanz zu einer Zahlung von 521 Millionen US-Dollar verurteilt. Microsoft hat gegen das Urteil Berufung angekündigt. Der Richter folgte dem Spruch einer Geschworenen-Jury, die bereits im August 2003 den Konzern der Patentverletzung für schuldig befand. Eolas Technologies, ein Spinoff der kalifornischen Universität, wirft Microsoft vor, mit dem Internet Explorer eine patentierte Technologie zu benutzen, die mehr oder minder die Einbindung und den Aufruf von Plug-ins und Applets bei Browsern betrifft. Microsoft hatte daraufhin angekündigt, den Internet Explorer und Windows entsprechend anzupassen. Eolas wollte seinerseits die Auslieferung des Browsers mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Die Redmonder sind zuversichtlich, in einem Berufungsverfahren zu obsiegen.