Fehlertoleranz ein umstrittenes Kriterium

US-Informationsdienst riskiert Downsizing von Tandem-System

31.07.1992

LEAWOOD (IDG) - Nach rund zwölfjähriger Benutzung fehlertoleranter Mainframes der Tandem Computers Inc. erwägt der weltweit aktive Informationsdienst Knight-Ridder Financial Inc. in Leawood, Kansas, einen spektakulären Treuebruch. Geplant ist der Wechsel in eine vernetzte High-end-PC-Umgebung. Analysten sehen in diesem Downsizing-Projekt eine Pionierleistung.

Ursprünglich sollte der ungewöhnliche Systemwechsel schon Ende Juli dieses Jahres erfolgen, doch Richard Boulderstone, Vice-President für Systeme und Entwicklung, ließ sich noch einmal breitschlagen. Tandem-Mitarbeiter hatten ihm im letzten Moment angeboten, die Systemleistung ihrer Cyclone-Rechner durch ein Fein-Tuning zu verbessern. Zwar will die Finanz-Tochtergesellschaft des Knight-Ridder-Konzerns das Projekt jetzt noch einmal neu überdenken, doch der Umstieg in die PC-Landschaft ist sehr wahrscheinlich.

Der Grund für den Systemwechsel liegt in der Erwartung einer höheren Durchsatzgeschwindigkeit und geringerer Kosten. Boulderstone hatte für nächstes Jahr wegen der anfallenden Aufrüstung der alten Rechnerumgebung einen Kostenanstieg um etwa 1,7 Millionen Dollar errechnet. In die PC-Umgebung, bestehend aus mehreren mit 50 Mhz getakteten 486-PCs, die unter MS-DOS laufen und in einem lokalen Netzwerk miteinander verbunden sein sollen, muß das Unternehmen aber voraussichtlich nicht mehr als etwa 300 000 Dollar investieren.

Der US-Konzern erwägt den Umstieg, obwohl sich das Leistungsvolumen, das die Highend-PCs in Zukunft bewältigen sollen, in den nächsten zwei Jahren voraussichtlich um das Sechsfache erhöhen wird. Die Rechner werden unter anderem mit Daten von der New Yorker Börse, vom Board of Trade in Chikago und einer Vielzahl weiterer Finanz- und Vermögensgesellschaften gefüttert.

Die PCs sollen diese Informationen anstelle der fehlertoleranten Großrechner entgegennehmen, in ein gängiges Format konvertieren und anschließend auf einen Kommunikations-Controller übertragen. Von dort werden die Daten - zumeist die aktuellen Preise von Vermögensanlagen - gesammelt und an die Kunden weitergegeben.

Aufgrund des Kostenunterschieds ist Boulderstone bis zu einem gewissen Grad bereit, das Risiko von Fehlzeiten, die bei Ausfall des PC-Netzes auftreten könnten, in Kauf zu nehmen. Der DV-Chef akzeptiert dieses Risiko, weil auch bei fehlertoleranten Systemen ein Restrisiko nicht zu vermeiden sei.

"Zu einem System gehören viele Bestandteile, und nicht alle von ihnen sind auch fehlertolerant", argumentiert Boulderstone. Solange die Software vernünftig geschrieben sei, könnten PCs aber als extrem zuverlässige Rechner angesehen werden, so der selbstbewußte DV-Verantwortliche.