Cap Gemini soll die IT auf Vordermann bringen

US-Handelskammer plant Outsourcing bis auf die letzte Keyboard-Taste

06.03.1998

"Cap Gemini hat eine Menge Arbeit vor sich", bekennt Edward Zier, Vice President of Operations bei der US-Handelskammer. "Sie müssen ein Flugzeug der Brüder Wright während des Flugs zu einem modernen Jet-Liner umbauen." Zier ist der letzte von ehemals 60 IT-Mitarbeitern der Chamber of Commerce. Einige seiner ehemaligen Kollegen wechselten zu Cap Gemini, andere verließen die Organisation, der Rest wurde entlassen.

Die ersten Outsourcing-Pläne der US-Handelskammer reichen bis ins Jahr 1995 zurück. Gründe waren und sind die beschränkte Finanzlage der Non-profit-Organisation sowie die Personalknappheit. "Uns war klar, daß wir einen beinahe aussichtslosen Kampf führen mußten, wenn wir die Techniker heuern und halten wollten, die eine moderne Infrastruktur aufbauen, betreiben und pflegen würden", berichtet Zier.

Zudem hegte die Organisation Bedenken, ob ihre IT den Jahrtausendwechsel bewältigen würde. Die Programme zu analysieren hätte, so die Schätzungen, zwei Dollar für jede der fünf bis sechs Millionen Codezeilen gekostet. Und da war die Lösung des Problems nicht mal eingeschlossen.

Last, but not least, hatte Zier eingesehen, daß die Handelskammer ihre Computersysteme völlig neu gestalten müßte, wenn sie ihren Mitgliedern einen höheren Servicestandard anbieten wollte. Mit einer überarbeiteten IT-Infrastruktur hofft sie bald in der Lage zu sein, bessere Werbung in eigener Sache zu machen. "Wenn wir mehr über das Mitglied wissen, können wir die Anfragen schneller beantworten", erläutert Zier.

Applikationsübergreifende Informationen sind rar

Derzeit beschränkt sich die Integration zwischen den Anwendungen auf ein Minimum, so daß applikationsübergreifende Informationen über die einzelnen Mitglieder Mangelware sind. Kundendaten, Finanzsysteme sowie alle Applikationen, die den Mitgliederservice betreffen, laufen auf einem IBM-Mainframe. Die zwölf US-Büros greifen via Terminal-Emulation auf den Zentralrechner zu. Für die 1000 Mitarbeiter standen bislang nur etwa 300 PCs zur Verfügung, und die wenigen LANs waren nicht untereinander vernetzt.

Cap Gemini will den Stecker des Großrechners ziehen und die betagten Anwendungen durch neue Oracle-Applikationen ersetzen, die zum Teil speziell auf den Kunden zugeschnitten sind. Als Hardware sollen zwei Hewlett-Packard-Server aus der 9000-Serie zum Einsatz kommen. Darüber hinaus installiert der Outsourcer mehr lokale Netze und verknüpft sie mit Hilfe von Frame-Relay-Verbindungen.

Aber der Vertrag umfaßt nicht nur die Informationstechnik im engeren Sinn. Vielmehr schließt er auch die Weitverkehrsnetze für Daten- und Sprachübertragung, den Internet-Zugang, die Telefon-Verbindungen, den Betrieb einer Website sowie ein Virtual Private Network ein.

Das Entgelt dafür beträgt 75 Millionen Dollar. "Es war unser Ziel, nur das zu zahlen, was es uns gekostet hätte, die Dinge so weiterlaufen zu lassen bis bisher", stellt Zier unmißverständlich klar. Das Informationssysteme-Budget der Handelskammer belief sich bislang auf rund sieben Millionen Dollar im Jahr.