Pressure-Group "30 von Houston" will offene Systeme erzwingen

US-Großanwender drängen auf Entscheidung über Standards

06.07.1990

MÜNCHEN (IDG) - In den USA beginnen sich große DV-Anwender zu verbünden, um den Computerherstellern Beine auf dem Weg zu offenen Systemen zu machen. Kürzlich formierte sich eine Gruppe von 30 DV-Managern mit dem Ziel, ihre gemeinsamen Bedürfnisse zu formulieren und zusammen durchzusetzen.

"Die Anwender sind stinksauer und wollen sich das nicht länger bieten lassen", begründete Roger Martin, Chef der Software Engineering Group des National Institute of Standards and Technology (NIST) die Initiative. Ihre Probleme hätten ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr tatenlos hingenommen werden könne. Wie beispielsweise der Streit zwischen Unix International und der Open Software Foundation deutlich zeige, setzten die Hersteller ihre eigenen Interessen über alles - ohne Rücksicht auf ihre Kunden. Die Tatsache, daß die Anwender sich jetzt verbünden, markiere einen "grundlegenden Wandel in deren Art und Weise, der Computerindustrie gegenüberzutreten".

Die Koalition der "30 von Houston" - so genannt, weil sie bei einem Treffen von 30 DV-Managern in Houston entstand - hat sich laut Bud Huber, Sprecher der Gruppe und Netz-Manager bei Hughes Aircraft, zum Ziel gesetzt, Hindernisse auf dem Weg zu offenen, auf internationalen und De-facto-Standards basierenden Systemen zu beseitigen. Über eine mögliche Mitgliedschaft in der Corporation for Open Systems (COS), dem amerikanischen Pendant zur europäischen Standards Promotion Application Group (Spag), wird bereits verhandelt.

Die Teilnehmer der Zusammenkunft - DV-Chefs und mittleres DV-Management - repräsentierten 25 US-Firmen und -Behörden, darunter solche Schwergewichte wie General Electric, General Motors, Ford, Exxon, Du Pont, McDonnell Douglas, Eastman Kodak, die Nasa und die US Air Force. Mit vereinten Kräften wollen sie künftig Angebot und Nachfrage offener Systeme ankurbeln.

"Wir wollen kein Standardisierungsgremium sein", erklärt Huber. Die Hauptaufgabe der Gruppe sieht er vielmehr in der "Identifizierung der Anwenderbedürfnisse, die in einer Vielzahl von Branchen gleich sind", um sie dann in den Standardisierungsprozeß und in die Planungen der Hersteller einfließen zu lassen. So sei vorstellbar, daß man sich beispielsweise endlich mit den Anbietern auf Schnittstellen-Standards für das leidige Problem des File-Transfers zwischen den Anwendungen einige. Wenn nötig, könnte die Gruppe auch ganze Pakete von Standards unterstützen, etwa eine einzige Unix-Variante, den Posix-Standard der IEEE oder ein einheitliches SQL.

Bis es indes soweit ist, dürften noch gut fünf Jahre vergehen, schätzen die Rebellen. "Bevor wir zu den Herstellern gehen können, müssen wir erst vor der eigenen Tür kehren", gab Jere Thomas, Consultant und einer der Rädelsführer, zu. Bei vielen Anwendern hieße es, man unterstütze offene Systeme, gekauft aber würden weiterhin proprietäre.

Vor allen Dingen müßten die DV-Manager alle Teile ihrer Organisation von der Idee offener Systeme überzeugen, auch wenn diese anfangs etwas teurer kämen. Erst dann könne man zu IBM oder DEC gehen und sagen: Wenn ihr das macht, werden wir es auch kaufen. Thomas will keine Konfrontation: "Wir brauchen eine Partnerschaft mit den Herstellern", betont er.

Allerdings sollten die Hersteller wissen, daß es den Anwendern sehr ernst ist mit ihrer Forderung nach echten Fortschritten in Richtung offener Systeme.