Mit DV-Systemen für die Zukunft gerüstet:

US-Gewerkschaften simulieren Tarifverhandlungen

13.12.1985

WASHINGTON D.C. (CWN) - Nur noch "mit dem Computer" wollen die amerikanischen Gewerkschaften in absehbarer Zeit ihre Tarifverhandlungen führen. Verstärkten Einzug in die Welt der Arbeiterschaft hält jetzt auch das Tabellenkalkulationsprogramm, nachdem es lange Zeit auf Management-Ebene in den Unternehmen dominierte.

Die Gewerkschaftsbosse setzen Spreadsheets und Datenbanksoftware auf Mikrocomputern nicht zuletzt deshalb ein, um sich einen Überblick über die Gewerkschafts-Finanzen sowie die Mitglieder zu verschaffen. Sie wollen sich damit für die Schlacht am Verhandlungstisch rüsten.

Zu diesem Zweck soll für die Gewerkschaftsfunktionäre in Kürze ein auf einem Mikrocomputer basierender Simulator zur Verfügung stehen, mit dem Tarifverhandlungen am Bildschirm geführt werden können. Dieses integrierte Paket wird gegenwärtig an der Indiana University in Bloomington entwickelt.

Das simulierte Tabellenkalkulationsprogramm ermöglicht es dem Vernehmen nach dem Benutzer, die Zahlungsforderungen der Arbeiter von der untersten Grenze eines Unternehmens an zu vergleichen. Durch die Grafikfähigkeit des Paketes können sich die Gewerkschaftler am Bildschirm die kurz- und langfristigen Auswirkungen bestimmter Gewerkschaftsvereinbarungen darstellen lassen.

Mit einem weiteren Softwareprodukt für Gewerkschaften lassen sich Streitfälle aus der Vergangenheit auflisten, die vor Ort beigelegt wurden. Mit Hilfe dieses Programms, das die amerikanische Postgewerkschaft überregional an 50 Orten einsetzt, können Arbeitnehmervertreter vergleichen, wie das Management in der Vergangenheit auf ähnliche Streitfälle reagiert hat. Diese Software reduziert nach Ansicht der Funktionäre kostenaufwendige und unnötige Ausstände.

Durch eine bessere Organisation können die Arbeitnehmerverbände expandieren: Die Textilarbeiter bei Cannon Mills in North Carolina beispielsweise benutzen einen IBM PC/ XT mit kundenspezifischer Software, um einen Überblick über die knapp 4000 Gewerkschaftssympathisanten und deren Belange zu bekommen.

Die amerikanische Gewerkschaft Teamsters benutzt einen Großrechner, an dem die einzelnen Büros in den Regionen angebunden sind. Solche Systeme seien allerdings rar, berichtet Ed Czarnecki, Assistant-Director für Ausbildung im Hauptquartier des Dachverbandes AFL/CIO in Washington D.C. Die Gewerkschaft führe ein Programm durch, so Czarnecki, in dessen Rahmen Betriebsräte in die Geheimnisse des Computers eingeführt werden. Sie sollen dadurch befähigt werden, gegen jene Führungskräfte anzutreten, für die der Umgang mit dem DV-System bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist.