Kooperationen mit ausländischen Kontrahenten häufen sich

US-Branchenexperte: "Japan hat den Speicherkrieg verloren"

14.08.1992

TOKIO (vwd) - Seit Jahren beherrschen Japans Elektronikkonzerne die weltweite Halbleiter-Szene. Nun aber sehen Branchenexperten das Ende der japanischen Vormachtstellung in Sicht. Begründung: Nippons Hersteller gehen immer häufiger Chip- Kooperationen mit ausländischen Wettbewerbern ein.

Aus eigener Kraft sicherten sich die japanischen Elektronik -Konzerne in den vergangenen Jahren die Vormacht auf dem Chip-Weltmarkt. Dabei überholten sie die einst dominierenden US-Konkurrenten und zwangen europäische Unternehmen, den kostspieligen Wettlauf um den "Rohstoff der Zukunft" aufzugeben. Doch die Entwicklung der nächsten Generation von Speicher-Chips und Mikroprozessoren überfordert auch Toshiba, NEC, Fujitsu und Hitachi. Fast alle sind deshalb zum ersten Mal umfassende Bündnisse mit ausländischen Kontrahenten eingegangen, schreibt dpa-Korrespondent Meinolf Ellers.

Toshiba schloß sich Mitte Juli mit IBM und der Siemens AG zusammen, um den neuen 256MB-DRAM-Speicher zu entwickeln. Dieser Chip soll der Elektronik neue Dimensionen für die Zeit nach der Jahrtausendwende erschließen. Gleichzeitig gab Fujitsu eine Forschungsehe mit der amerikanischen Advanced Micro Devices (AMD) bekannt. Beide wollen Flash-Speicher-Chips zur Produktionsreife bringen, die in Computern künftig die Festplatten ablösen soIlen. US-japanische Bündnisse auf diesem Gebiet waren zuvor schon Sharp mit Intel und wiederum Toshiba mit IBM eingegangen. Hitachi kooperiert mit Texas Instruments und dem südkoreanischen Konzern Goldstar.

Yoshihide Fujii, der bei Toshiba für internationale Kooperationen zuständig ist, sieht drei wesentliche Vorteile für die Verbündeten: "Wir teilen die Kosten, die Risiken und die Technologie." Die Entwicklung des 256-MB-Chips werde rund eine Milliarde Dollar verschlingen. Gleichzeitig sei aber ungewiß, ob der Baustein jemals Serienreife erlange und zum erfolgreichen Massenprodukt werde. Für Toshiba ist deshalb wichtig, daß mit IBM der größte Computerhersteller der Welt beteiligt ist. "Nicht Chips schaffen die Nachfrage, sondern Computer", begründet Fujii.

Die Siemens AG, die trotz hoher Verluste an der Halbleiter-Fertigung festgehalten hat, soll den Absatz in Europa sicherstellen und Toshiba vor möglichen Handelskonflikten bewahren. Fujii will deshalb auch nicht ausschließen, daß auf die gemeinsame Entwicklung des neuen Chips eine gemeinsame Produktion erfolgt. "Wir haben zwar noch keine Pläne, sind aber in diesem Punkt flexibel."

Der amerikanische Branchenexperte William F. Finan sieht in den zahlreichen Kooperationen einen Offenbarungseid der japanischen Halbleiter-Strategie. Die Konzerne hätten mit allen Mitteln versucht, den Speicher-Chip-Markt in ihre Hand zu bringen. Doch aufgrund unzureichender Gewinne und wegen des Auftauchens billiger Konkurrenz aus Südkorea und Taiwan sei dieser Versuch gescheitert. Nun seien statt der einfachen DRAM Chips neue Halbleiter gefragt, die speziell auf die Anforderungen einzelner Kunden zugeschnitten sind, die Asics. Dafür aber fehle es in Japan an flexiblen und einfallsreichen Ingenieuren. Finan: "Japan hat den Speicherkrieg verloren."