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"Wir wollen jeden dabei haben"

US-Außenpolitik mit Facebook

15.02.2012
Vor allem ältere Diplomaten haben Vorbehalte gegenüber der Nutzung Sozialer Netzwerke. Als Berater von US-Außenministerin Clinton will Ben Scott aber erreichen, dass die Diplomatie über Facebook und andere Plattformen mit der Bevölkerung ins Gespräch kommt.

Diplomaten legen gewöhnlich jedes Wort auf die Goldwaage. Daher dürfte es für manchen in den Botschaften und Konsulaten der USA ein kleiner Kulturschock gewesen seien, als US-Außenministerin Hillary Clinton sie in die geschwätzige Welt von Twitter und Facebook schickte. Über die Sozialen Netzwerke sollen die Diplomaten mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Auf der Social Media Week in Hamburg berichtete der Clinton-Vertraute Ben Scott jetzt, wie für die Supermacht "Technologie und Staatsführung" zusammenhängen.

Über Social Media sollen die Diplomaten jenseits der Massenmedien herausfinden, was die Menschen bewegt. Praktisch jedes Konsulat und jede Botschaft der USA sei inzwischen in Online-Netzwerken präsent, berichtete Scott. Am wichtigsten ist Facebook - dort sind die meisten Leute. Das Ziel der Aktion: "Wir führen einen offenen Austausch mit echten Leuten. Wir wollen jeden dabei haben, so dass wir zuhören und lernen können." Auch kritische Meinungen gegenüber der oft misstrauisch beäugten Supermacht seien willkommen, versicherte der Berater der Außenministerin.

Unter den US-Diplomaten habe es zunächst Vorbehalte gegen den Einsatz Sozialer Medien gegeben, sagte Scott. Gerade unter den älteren: "Einige hielten es für unseriös." Der Innovationsberater von Clinton ist dafür da, die Vorbehalte abzubauen und den Diplomaten zu helfen. Er betonte, dass es sich bei der Facebook-Offensive um einen Versuch handle: "Manchmal haben wir Erfolg, manchmal auch nicht - wir experimentieren noch."

Die zweite Säule der amerikanischen Internet-Diplomatie: Um auch in unfreien Ländern für mehr Internet-Freiheit zu sorgen, hat das Außenministerium einen Fonds mit 17 Millionen Dollar aufgelegt. Damit will es Organisationen fördern, die Technologien zur Umgehung von Netzsperren und zur sicheren Kommunikation entwickeln. "Unsere Politik als US-Regierung besteht darin, den Menschen Zugang zum Internet zu geben und ihnen die Nutzung von Kommunikationstechnologien zu ermöglichen", sagte Scott.

"Das Internet ist nicht der Feenstaub der Demokratie, es ist ein Werkzeug", betonte der Berater. Ob die Aktivisten -in der arabischen Welt oder anderswo - eine Demokratie nach westlichem Vorbild anstreben, kann die US-Regierung nicht steuern. Aber: "Das Internet verhilft zu mehr politischer und wirtschaftlicher Freiheit. Es ist nicht per se demokratisch, aber schwierig zu kontrollieren." Ein Diktator könne die Massenmedien unter Kontrolle bringen - aber kaum alle Demonstranten mit einem Smartphone in der Tasche.

Dieses staatliche Engagement für die Demonstranten in Kairo oder Damaskus sehen deutsche Netzaktivisten allerdings skeptisch. "Wir wissen nicht, welche Software verwendet wird, ob diese wirklich so funktioniert, wie man sich das vorstellt", erklärt Stephan Urbach von der Gruppe Telecomix, die während der Revolution in Ägypten den Menschen half, trotz aller Schikanen ins Internet zu kommen. Ein grundsätzlicher Vorbehalt: "Welche Hintertüren sind von Seiten der USA eingebaut?" Angesichts des Misstrauens in die US-Regierung empfiehlt der Aktivist die eigenen, unkomfortableren Lösungen. (dpa/tc)