In Kalifornien wachsen neue Superrechner:

US-Army zählt auf Phoenix und Pepe

27.05.1977

Um den Faktor 100 leistungsfähiger als ILLIAC IV, der heutige "Champion" unter den Computern, soll eine neue Anlage werden, an der die US-Army unter dem Kodenamen "Phoenix" arbeiten läßt. Das 40 - Millionen - Dollar - Projekt wird am Ames Researeh Center der NASA in Mountain View, Kalifornien, für die Defence Advance Research Projects Agency (DARPA) durchgezogen.

Die Ames - Elektroniker wollen ihr neues Produkt mit so fortschrittlichen Technologien wie ultraschnellen Logikkreisen, ausgeklügelten Mikroprozessorgruppierungen und futuristischen, teilweise optischen Speicherkonzepten ausrüsten. Da seit Konzipierung der ILLIAC-IV-Anlage - einer Gruppe von 64 parallel arbeitenden Rechnern mit 1000 Bit Massenspeicher-Background - die Integrationsdichte der Halbleiter-Bauelemente dank LSI um mindestens zwei Größenordnungen zugenommen hat e wartet DARPA von seinem kalifornischen Team nun eine Maschine zur Verarbeitung von 10 Milliarden Befehlen pro Sekunde.

"Kleinere" Computerriesen, mit mehr als 100 Millionen Befehlen pro Sekunde Kapazität, sind für die US-Militärs in den vergangenen Jahren uentbehrlich geworden. Sie verfolgen beispielsweise U-Boote auf ihrem Weg durch die sieben Weltmeere oder werden darauf getrimmt, bei einem Raketenangriff sogleich zwischen scharfen Flugkörpern und "Ködern", die nur Abwehrkräfte binden sollen zu unterscheiden.

Doch auch zivilen Zwecken können diese Superrechner dienen, so etwa der Erforschung der globalen Wettervorgänge, der Simulation von Windkanalversuchen oder auch den Plasmaphysikern, die das Ziel des Fusionsrektors verfolgen.

Die 64 Prozessoren des ILLIAC IV - dieses Konzept sah ursprünglich sogar 256 Prozessoren vor - erreichen bereits 150 Millionen Befehle pro Sekunde und sollen nach Meinung der Experten auch für das doppelte Tempo gut sein. Ein "Kollege" namens PEPE (Parallel Element Processing Ensemble) lief bereits mit 100 Millionen Befehlen und in einer Simulation sogar mit dem achtfachen Tempo.

Was die USA nun mit "Phoenix anstreben, wird erst plastisch, wenn man sich allein die gegenwärtigen Aufgaben der vor zehn Jahren vorgestellten ILLIAC IV - auch diese Maschine steht im Ames-Forschungszentrum - betrachtet. Gleich zu Beginn ihrer Karriere half sie der Marine im Rahmen des streng geheimen Projekte "Seaguard", U-Boote auf Grund ihrer individuellen akustischen "Fingerabdrücke" zu verfolgen. Dazu wurde sie mit akustischen Detektoren rund um die Ozeane gekoppelt die ihre vorverarbeiteten Meldungen aber kommerzielle Nachrichtensatelliten nach Kalifornien funkten. Mit noch immer geheimgehaltenen Methoden eliminierte man dort das ozeanische Hintergrund-Rausien, um aus den signifikanten Rest-Daten dann die Position der angepeilten Boote zu errechnen. Dabei scheinen Methoden zum Zuge zu kommen, die aus der Radartechnik sowie der Seismologie her bekannt sind.

Der PEPE-Reiner wiederum wurde auf die schon erwähnte Verfolgung und Identifizierung einfliegender Fernraketen spezialisiert. Es handelt sich dabei um eine Netzstruktur parallel arbeitender Computer mit assoziativem Spricherzugriff, die auch dann weiterarbeiten kann, wenn ein Teil der Komponen ausfällt. Wie ILLAC, so wurde auch PEPE nie ganz planmäßig fertiggestellt: 288 Prozessor-Einheiten samt Ein- und Ausgabekreisen waren ursprünglich von der Armee geplant worden, dem Etatgriffel fielen aber 77 Prozessoren zum Opfer.

Ein Beispiel aus dem zivilen Bereich zeigt eindrucksvoll, welch gewaltige Datenmengen allein PEPE schon bewältigen kann, vom futuristischen Phoenix ganz zu schweigen: Man will damit errechnen, wie eine riesige Solarzellen-Station in Arizona das Wetter in der mehr als 1000 Kilometer entfernten "Kornkammer" Kansas beeinflussen würde.

* Egon Schmidt ist freier Wissenschaftsjournalist

_AU:Egoll Schmidt*