Zeugen der Verteidigung müssen Aussagen korrigieren

US-Ankläger sammeln weiter Punkte gegen Microsoft

05.03.1999
MÜNCHEN (CW) - Im Antitrust-Prozeß gerät Microsoft zunehmend in die Defensive. Unter dem Druck des Chefanklägers mußten mehrere Zeugen der Verteidigung Teile ihrer Aussagen korrigieren. Nachdem beide Parteien nun jeweils zwölf Zeugen präsentiert haben, folgt eine sechswöchige Verhandlungspause bis 12. April.

Im Kreuzverhör mit Chefankläger David Boies vergangene Woche mußte ein weiterer hochrangiger Mircrosoft-Manager ursprünglich gemachte Aussagen teilweise revidieren. Erneut ging es dabei um ein Treffen zwischen Vertretern von Microsoft und Netscape am 21. Juni 1995. Die Anklage wirft der Gates-Company vor, dem Konkurrenten Netscape eine illegale Aufteilung des Browser-Marktes vorgeschlagen und Druck auf das Unternehmen ausgeübt zu haben.

"Finanzielle Anreize" für den Rivalen Netscape

Daniel Rosen, General Manager für neue Technologien bei Microsoft, hatte zunächst behauptet, in dem besagten Treffen sei es nur darum gegangen, Netscape zu überzeugen, für seine Internet-Software zum Teil auf Microsoft-Techniken zurückzugreifen. Als dieses Vorhaben zu scheitern drohte, habe man versucht, "Netscape zu beeinflussen", nicht mit den eigenen Produkten zu konkurrieren. Gleichwohl habe es keinerlei Drohungen gegeben.

Im Kreuzverhör gestand Rosen aber ein, Microsoft habe Netscape "verschiedene finanzielle Anreize" für den Fall geboten, daß der Hersteller in seinen Programmen Microsoft-Techniken einsetzt. Boies gelang es darüber hinaus, die Glaubwürdigkeit Rosens weiter in Frage zu stellen. Anhand mehrerer E-Mails konnte der Staatsanwalt teilweise Falschaussagen Rosens belegen, als es um die Frage ging, wie Microsoft die Kontrolle über den Browser-Markt erlangen könne. Der Manager mußte daraufhin seine unter Eid abgegebene Aussage korrigieren.

Ähnlich wie im Fall Netscape wehrte sich Microsoft auch gegen Vorwürfe, die Verbreitung von Apples Multimedia-Software "Quicktime" sabotiert zu haben. Bereits im November 1998 hatte Apples Vice-President Avie Tevanian ausgesagt, Microsoft hätte absichtlich Fehlermeldungen in die Version 4.0 des "Internet Explorers" eingebaut. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, Apples Quicktime-Software funktioniere nicht einwandfrei mit dem eigenen System. Microsofts General Manager für Multimedia- Produkte, Eric Engstrom, wies diese Vorwürfe als "völlig unbegründet" zurück und schob Apple den Schwarzen Peter zu. Die zur Fehlerbehebung notwendigen Informationen seien von Apple nicht geliefert worden.

Nach der Darstellung Tevanians strebte der Redmonder Softwarekonzern eine Aufteilung des Marktes für Multimedia- Software an. Apple sollte dazu gebracht werden, seine Quicktime- Playback-Software, die mit Microsofts "Netshow"-System konkurriert hätte, nicht für Windows zu entwickeln. Statt dessen sollte sich Apple auf Authoring-Produkte konzentrieren. Engstrom bestritt demgegenüber, jemals Druck auf Apple ausgeübt zu haben.

Als weiteren Zeugen der Verteidigung präsentierte Microsoft den Manager Joachim Kempin, der unter anderem für die Lizenzierung des Windows-Betriebssystems an Hardwarehersteller verantwortlich zeichnet. In einem vor der Vernehmung abgespielten Video versuchte Microsoft zu beweisen, wie flexibel PC-Hersteller bei der Konfiguration des Betriebssystems auf ihren Rechnern vorgehen könnten. Die Anklage wirft dem Konzern hingegen vor, PC-Hersteller unter Druck gesetzt zu haben, um diese davon abzuhalten, mit Microsoft-Produkten konkurrierende Software einzusetzen. Darüber hinaus sollten PC-Anbieter daran gehindert werden, Microsofts Internet-Software aus dem Betriebssystem zu entfernen.

Ankläger Boies präsentierte dem Gericht eine Reihe von Dokumenten, die solche und ähnliche Praktiken belegen. In einem Fall verwies Boies auf ein internes Memorandum, in dem von einer Strafaktion gegen Gateway die Rede ist, weil der PC-Hersteller Netscape- Programme auf seinen Rechnern einsetzte. Außerdem sagte ein Mitarbeiter Gateways unter Eid aus, von Microsoft unter Druck gesetzt worden zu sein. Kempin räumte ein, von Gateway höhere Lizenzgebühren für Windows zu fordern als von dessen Konkurrenten Dell. Dies habe aber nichts mit Gateways Plänen hinsichtlich der Netscape-Software zu tun.

Microsoft hat unterdessen Unterlagen zu der geplanten Übernahme Netscapes durch America Online und der damit verbundenen Kooperation dieser Firmen mit Sun Microsystems angefordert. Die Gates-Company will belegen, daß ihr mit dem Deal ein ernstzunehmender Konkurrent entsteht. Dies betrifft insbesondere den Markt für kommerziell genutzte Internet-Software. Wird der Kauf von der US-Kartellbehörde genehmigt, würde AOL zwei der vier meistbesuchten Internet-Portal-Seiten kontrollieren. "Der Deal zeigt, daß Wettbewerb im Markt viel eher den Interessen der Konsumenten dient als jegliche Einmischung von seiten der Regierung", kommentierte Microsoft-Sprecher Jim Cullinan. Richter Jackson hat Microsofts Ansinnen, entsprechende Unterlagen von den beteiligten Unternehmen für die Verwendung vor Gericht anzufordern, zugestimmt.

Erste Phase abgeschlossen

Als letzter der zwölf Zeugen der Verteidigung wurde Bob Muglia vernommen, der als Senior Vice-President für Microsofts Applications and Tools Group zuständig ist. Muglia versuchte die Vorwürfe der Ankläger zu widerlegen, Microsoft trachte danach, durch proprietäre Erweiterungen von Suns Programmiersprache Java potentielle Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Doch auch diese Einlassungen konnte Boies durch die Vorlage unternehmensinterner Dokumente erschüttern.

Mit der Vernehmung Muglias ist die erste Phase des nunmehr seit 19. Oktober 1998 dauernden Prozesses gegen Microsoft abgeschlossen. Nach einer sechswöchigen Verhandlungspause haben beide Parteien Gelegenheit, jeweils zwei weitere Zeugen zu benennen. Das Verfahren wird am 12. April fortgesetzt.