Münchner Systemanalytiker wegen Verdacht auf Software-Diebstahl in Atlanta festgenommen:

US-Abenteuer der SPO Lethoff mündet in Fiasko

26.08.1983

ATLANTA/MÜNCHEN - Differenzen zwischen dem Münchner Softwarehaus SPO Lethoff GmbH und dessen amerikanischer Tochtergesellschaft in Raleigh, North Carolina, brachten den deutschen Systemanalytiker Josef Reiter in das Räderwerk der US-Sicherheitsbehörden. Der 32jährige SPO-Mitarbeiter wurde Mitte Juli auf dem Hartfield Airport in Atlanta festgenommen, als er mit Betriebssystemsoftware für die IBM-Kasse 3680 die Vereinigten Staaten verlassen wollte. Ein anonymer Anrufer, dem Vernehmen nach der US-Statthalter der Münchner, hatte Reiter beim Federal Bureau of Investigation (FBI) belastet, Magnetbänder gestohlen zu haben, auf denen sich das 3680-Betriebssystem befand.

Für Josef Reiter stellten sich die letzten Wochen wie ein Alptraum dar. Dreizehn Tage verbrachte der Münchner DV-Spezialist in amerikanischer Untersuchungshaft, 14 weitere Tage war er bei Mitarbeitern des deutschen Konsulats in Atlanta untergebracht, weil er die Vereinigten Staaten nicht verlassen durfte. Inzwischen befindet sich Reiter wieder in Deutschland. Seine Unschuld sei definitiv bewiesen, bekräftigt der Bayer.

Als der SPO-Analytiker Anfang des Jahres von seinem Arbeitgeber nach North Carolina beordert wurde, hatte er den Auftrag, bei der noch jungen US-Tochter ein Softwarepaket für Restaurantbetriebe auf dem IBM-Kassensystem 3680 zu entwickeln. Das Paket sollte später sowohl jenseits des großen Teiches als auch in Deutschland vermarktet werden. Doch anscheinend liefen die Geschäfte nicht so, wie vom GmbH-Management erhofft. "Wegen eigener Unzulänglichkeiten", so heißt es in München, manövrierte sich die US-Depandance schließlich in eine finanzielle Sackgasse und mußte Konkurs anmelden. In dieser Phase entschloß sich Reiter, nach Deutschland zurückzukehren. Vom geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH, Reinhard Biedermann, erhielt er den Auftrag, die Bänder mit dem 3680-Betriebssystem nach München zu überführen. Das Softwareprodukt, das bereits seit einigen Jahren in Deutschland vertrieben wird, sei in Raleigh "entscheidend verbessert" worden, sagt Reiter.

Dem Vernehmen nach hatte aber US-Geschäftsführer Hans Hellmig sowohl etwas gegen die Schließung der SPO Limited als auch gegen die Ausführung des 3680-Betriebssystems. Als sich Reiter jedenfalls auf dem Atlanta-Airport für seinen Flug nach München mit zwei 16-Inch-Tapes einchecken wollte, nahmen ihn Agenten des Costumer Service und des FBI sogleich in Empfang.

Daß Hellmig die Verhaftung des Softwerkers veranlaßt hat, ist nicht bewiesen. Indes sprechen nach Aussagen von SPO-Chef Biedermann wesentliche Indizien dafür, daß der US-Statthalter die Aktion eingefädelt hat. Konkret wird der Münchner freilich nicht. Er räumt jedoch ein, daß diese Angelegenheit noch ein Nachspiel für seinen US-Counterpart haben könnte. Rechtsanwälte seien bereits eingeschaltet, um der "Verleumdung" nachzugehen.

Einen Grund für seine Verhaftung sieht Reiter auch in der derzeitigen Sensibilisierung der US-Behörden gegenüber dem Transfer von Computer-Know-how. Die ganze Angelegenheit sei denn auch in der US-Presse "politisch etwas hochgeschaukelt" worden, unterstreicht Biedermann. "Es ist nicht das erste Mal", so der SPO-Geschäftsführer, "daß Mitarbeiter unseres Hauses Bänder mit aus den USA nach Deutschland genommen haben."

Systemanalytiker Reiter empfindet seine Verhaftung als eine Farce. Er habe lediglich den Auftrag seines Chefs Biedermann ausgeführt. Da es sich bei dem 3680-Betriebssystem um SPO-Eigentum handele, sei er zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, daß sein Datentransfer eine kriminelle Handlung darstellen könnte. Unter heutigen Gesichtspunkten sei er jedoch völlig aus dem Schneider.

Die konfiszierten Bänder befinden sich nach Auffassung von Biedermann noch immer beim FBI. Er werde nun alles daransetzen, diese wiederzubekommen. Welche Ansprüche indes US-Manager Hellmig auf die SPO-Software haben könnte, kann Biedermann nicht beantworten.