Urteile aus der Vertragspraxis

25.09.1981

Von Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemünd

3-1-§ 8-5 Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. 10. 1975 (35 0 67/75)

Meckern reicht nicht

Nichtamtliche Leitsätze

1. Herkömmliche RZ-Verträge sind Dienstleistungsverträge.

2. Zur Frage, ob bei einem Dienstvertrag die Vergütung wegen mangelhafter Leistung gekürzt werden kann.

3. Bei unberechtigter Vertragslösung durch den Auftraggeber kann das RZ die Vergütung für die Restlaufzeit nach Maßgabe von § 324 BGB verlangen.

4. Zur Frage, wie detailliert der Beweispflichtige Fehler darzulegen hat.

Der Tatbestand läßt sie wie folgt zusammenfassen:

"Durch einen im Oktober 1973 zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, für die Beklagte in dem von ihr betriebenen Rechenzentrum Lohnarbeiten auszuführen.

Das Vertragsverhältnis, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde gelegt wurde, begann am 1. Januar 1974. Die Beklagte lieferte der Klägerin ihre Daten und diese erstellte die entsprechenden Abrechnungen. Als Laufzeit des Vertrages waren 36 Monate vorgesehen. Die Beklagte zeigte sich jedoch schon alsbald mit den Leistungen der Klägerin unzufrieden. Im Juni 1974 erklärte sie eine außerordentliche Kündigung des Vertrags, die die Klägerin jedoch nicht anerkannte. In der Folgezeit stellte die Beklagte der Klägerin keine Daten mehr zu Verfügung, so daß auch die Klägerin keine Abrechnungen mehr erstellte.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Bezahlung ihrer bereits geleisteten Arbeiten.... Darüber hinaus fordert die Klägerin ihre Vergütung auch für diejenigen Arbeiten, die sie mangels Datenmaterial nicht mehr erbringen konnte, letztere jedoch unter Abzug von 15% ersparter Aufwendungen." Diese Forderungen klagt sie ein.

"Die Beklagte behauptet: Die von der Klägerin geleisteten Arbeiten seien von vornherein unvollständig, unrichtig und zu einer ordnungsgemäßen Buchführung ungeeignet gewesen. Die von der Klägerin gelieferten Buchhaltungsunterlagen seien derart unvollständig gewesen, daß sogar der Wirtschaftsprüfer es abgelehnt habe, die Unterlagen zu überprüfen. Insbesondere sei die Klägerin nicht fähig gewesen, eine ordnungsgemäße Umstellung der Buchhaltung zum 31. 12. 1973 vorzunehmen. Auch sei sie nicht in der Lage gewesen, monatliche Gewinn- und Verlustrechnungen vorzulegen, obwohl gerade dies zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart gewesen sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Klageforderungung steht der Klägerin aus § 611 BGB sowie aus § 324 BGB zu.

Unstreitig haben die Parteien im Oktober 1973 einen Vertrag miteinander geschlossen. . . . Diese von der Klägerin übernommenen Lohnarbeiten stellen Dienstleistungen dar, für deren Erbringung die Klägerin die vereinbarte Vergütung verlangen kann. Ebenso kann sie die Gegenleistung für diejenigen Arbeiten fordern, die sie wegen des Verhaltens der Beklagten nicht mehr hat leisten können.

Soweit die Klägerin tatsächlich durchgeführte Arbeiten bezahlt verlangt, wird ihre Leistung als solche nicht bestritten. Gegen die Richtigkeit der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Auch läßt sich nicht erkennen, daß die Beklagte bestreiten will, daß die Klägerin die in den Rechnungen aufgeführten Arbeiten - wenn auch nach dem Beklagtenvortrag mangelhaft - gemacht hat. Damit ist der Lohnanspruch der Klägerin entstanden. Die Einwendungen der Beklagten sind nicht geeignet, diesen Anspruch wieder zu Fall zu bringen.

Es kann dahinstehen, ob und inwieweit etwaige Fehler der von der Klägerin geleisteten Arbeiten überhaupt zu einem Wegfall ihres Lohnanspruches führen können. Immerhin schuldete die Klägerin lediglich Dienstleistungen, die sie auch erbracht hat. Irgendeinen bestimmten Erfolg hat sie ersichtlich nicht garantiert.

Irgendwelche Rechtswirkungen können aus dem Sachvortrag der Beklagten jedoch schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil dieser zu unsubstantiiert ist, um konkrete Tatsachenfeststellungen zu ermöglichen.

Die Darlegungen der Beklagten erschöpfen sich im wesentlichen darin, daß sie pauschal behauptet, die Arbeiten der Klägerin seien "unvollständig", "unrichtig" oder "völlig ungeeignet" gewesen. Diese zum Teil mehrfach verwendeten Schlagworte ersetzen jedoch keinen spezifizierten Sachvortrag über konkrete Mängel der geleisteten Arbeiten. Sie stellen vielmehr letztlich bereits weitgehend Wertungen dar, deren tatsächliche Rechtfertigung sich nicht ersetzen läßt.

Um ihren Darlegungspflichten zu genügen, hätte die Beklagte im einzelnen mitteilen müssen, welche genauen Fehler denn die von der Klägerin gelieferten Abrechnungen aufgewiesen haben sollen. Insbesondere hätte sie sich auch damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit das von ihr selbst beigebrachte Datenmaterial fehlerlos gewesen ist und eine einwandfreie Verarbeitung zuließ. Ohne eine genaue Bezeichnung und nähere Beschreibung unzutreffender Berechnungen der Klägerin, falscher Zahlenangaben oder etwaiger Lücken in den erstellten Abrechnungen im einzelnen ist es jedoch nicht möglich, irgendwelche der Klägerin vorwerfbaren Fehlleistungen sicher festzustellen.

Damit muß davon ausgegangen werden, daß sich schwerwiegende Mängel der von der Klägerin geleisteten Arbeiten nicht ermitteln lassen. Sofern wirklich nicht alle Berechnungen der Klägerin von vornherein zweifelsfrei verwendbar gewesen sein sollten, so steht jedenfalls nicht fest, in wessen Einflußbereich die Fehlerquellen entstanden sind. Überdies ist seitens der Beklagten auch nicht dargetan, daß sie die in den Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbarte Reklamationsfrist von 14 Tagen eingehalten hat. Aus Reklamationen lassen sich daher insgesamt keine Rechte zugunsten der Beklagten herleiten. Auch aus der Tatsache, daß die Klägerin nicht von vornherein eine monatliche Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt hat, lassen sich die von der Beklagten geltend gemachten Rechte nicht entnehmen. Es ist bereits fraglich, ob eine dahingehende Verpflichtung der Klägerin überhaupt bestanden hat, nachdem eine - nach den Geschäftsbedingungen erforderliche - schriftliche Bestätigung dieser Verpflichtung nicht erfolgt war. Auf jeden Fall jedoch müssen die insoweit eingetretenen Verzögerungen zu den Anlaufschwierigkeiten gerechnet werden, hinsichtlich deren sich die Klägerin in ihren Bedingungen Terminüberschreitungen vorbehalten hat, wie überhaupt zweifelhaft erscheint, ob angesichts des kurzen Zeitraumes, in dem die Klägerin für die Beklagte tätig gewesen ist, bereits ein eindeutiges Urteil über die Qualität der von der Klägerin geleisteten Arbeiten gefällt werden konnte.

Damit hat die Beklagte die von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen zu bezahlen.

Zu einem anderen rechtlichen Ergebnis würde es im übrigen auch nicht führen, wenn der von den Parteien abgeschlossene Vertrag als Werkvertrag eingestuft würde; denn auch insoweit ließen sich aus den genannten Gründen Gewährleistungsansprüche nicht feststellen.

Soweit die Klägerin ihre Vergütung für die Zeit verlangt, in der sie ihre Dienstleistungen bereits nicht mehr erbringen konnte, rechtfertigt sich ihr Anspruch aus § 324 BGB.

Irgendein Grund, das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen, hat der Beklagten nicht zur Seite gestanden. Eine solche Kündigung scheitert ebenso an einer ausreichenden Darlegung etwaiger Kündigungsgründe wie die Gewährleistungsansprüche an der Darlegung von Mängeln. Damit hat der Vertrag zwischen den Parteien auch über die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung hinaus fortbestanden. Eine weitere Erfüllung dieses Vertrags durch die Klägerin hat die Beklagte jedoch schuldhaft unmöglich gemacht, indem sie das zur Durchführung der Arbeiten erforderliche Datenmatrial nicht mehr zur Verfügung gestellt hat. Damit ist die Klägerin von ihrer Leistungspflicht freigeworden, hat aber den Anspruch auf die Gegenleistung abzüglich ersparter Aufwendungen behalten.

Ihre abzuziehende Eigenersparnis hat die Klägerin mit einem Anteil von 15% des vereinbarten Dienstlohnes berücksichtigt. Gegen die sachliche Richtigkeit dieses Abzuges sind Einwände nicht erhoben worden. Er kann daher der Berechnung der Klageforderung zugrunde gelegt werden.

Anmerkung

1. Das LG lehnt die Kürzung der Vergütung auf Grund angeblicher Fehler nicht nur wegen mangelnder Substantiierung ab, sondern betont darüber hinaus auf der Basis eines Dienstvertrages, daß Fehler wohl kaum zum Wegfall der Vergütung führen könnten, da die Klägerin die geschuldeten Dienstleistungen erbracht hat. Die Rechtsprechung lehnt die Kürzung der Vergütung wegen fehlerhafter Arbeit bisher grundsätzlich ab und verweist den Dienstberechtigten auf Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Schlechterfüllung. Dieser Anspruch könne die (gezahlte) Vergütung umfassen (s. dazu Roth, Der Vergütungsanspruch bei schlechter Leistung im Recht der freien Berufe, Versicherungsrecht 1979, 494 ff).

Mit Vorsicht ist der Satz zu verstehen, daß sich auch bei einer Einstufung des Vertrags als Werkvertrag "aus den genannten Gründen Gewährleistungsansprüche nicht feststellen" ließen. Grundsätzlich kann die Vergütung bei Werkverträgen wegen Fehlern nach Nachfristsetzung gekürzt (gemindert) werden. Auf Verschulden hinsichtlich der Verursachung der Fehler kommt es dabei nicht an.

2. Eine wenig befriedigende Anwort gibt das Urteil auf die Frage, wie detailliert Fehler vorgetragen (substantiiert) werden müssen. Angesichts der Schwierigkeit der Materie bietet es sich geradezu an, ziemlich pauschale, dafür aber für das Gericht verständliche Tatsachenbehauptungen aufzustellen, zum Beispiel "Die von der Klägerin gelieferten Buchhaltungsunterlagen sind so unvollständig gewesen, daß sie nicht verwertbar waren (natürlich nicht: "daß sogar der Wirtschaftsprüfer es abgelehnt habe, die Unterlagen zu überprüfen"); dabei hat der Beklagte feherlfreie Eingabedaten geliefert. Beweis: Sachverständigengutachten."

Das Gericht verlangt hingegen, daß die beweispflichtige Partei "im einzelnen mitteilen müsse, welche genauen Fehler denn die von der Klägerin gelieferten Abrechnungen aufgewiesen haben sollen", insb. auch um feststellen zu können, "in wessen Einflußbereich die Fehlerquellen entstanden sind". Das beschwört die Gefahr herauf, das Gericht mit Details zu verwirren beziehungsweise bei EDV-spezifischen Details, das Gericht zu überfordern. Es droht auch, den Anwender zu überfordern, wie das LG Siegen zu Recht ausgeführt hat (2-4-§ 9-2).