EDV und Recht:

Urteile aus der Vertragspraxis

18.09.1981

Von Dr. Christoph Zahrnt Rechtsanwalt in Neckargemünd

3 - 1 - 8 - 4 Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 1977 (21 U 75/77)

Laufzeit eines herkömmlichen Rechenzenrumsvertrages

Nichtamtliche Leitsätze

1. Zur Einbeziehung von AGB in einen Vertrag.

2. Eine Mindestvertragsdauer von 36 Monaten in AGB eines RZ kann sehr wohl Treu und Glauben entsprechen.

3. Bei unberechtigter Vertragslösung durch den Auftraggeber kann das RZ die Vergütung für die Restlaufzeit nach Maßgabe von ° 649 BGB verlangen.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Beklagte übertrug der Klägerin im Januar 1974 die elektronische Lohn- und Gehaltsabrechnung. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurde eine Mindestvertragszeit von 36 Monaten vorgesehen.

Seit August 1974 erstellte die Klägerin keine Abrechnungen mehr, weil die Beklagte die erforderlichen Mitteilungen unterlassen und ihre Leistungen nicht mehr abgerufen habe.

Auf eine Rückfrage der Klägerin vom 26. März 1975 teilte die Beklagte ihr unter dem 4. April 1975 mit, daß sie die Abrechnung der Gehälter über das Rechenzentrum der Klägerin nicht mehr fortsetzen wolle.

Die Klägerin belastete die Beklagte für die restliche Vertragszeit von 29 Monaten mit der voraussichtlichen Vergütung abzüglich 15% ersparter Aufwendungen. Diesen Betrag hat sie eingeklagt....

Die Beklagte hat die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bestritten und sich auf ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen mangelhafter Leistungen der Klägerin berufen.

Das Landgericht hat der Klage .. . stattgegeben.

Entscheidungsgründe

"Die Parteien hatten einen Vertrag auf die Dauer von 36 Monaten geschlossen, von dem die Beklagte sich ohne rechtfertigenden Grund vorzeitig losgesagt hat. Deswegen schuldet sie der Klägerin die eingeklagten DM . . ., sei es als restliche Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, sei es als Schadensersatz in gleicher Höhe.

1. Die Parteien hatten einen Vertrag mit einer festen Laufzeit von 36 Monaten geschlossen . . .1. .

2. Das Landgericht hat die Vereinbarung der Parteien als Werkvertrag angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem in vollem Umfang zu folgen ist. Es spricht manches dafür, jedenfalls für die Kündigung eines solchen Vertrages und deren Rechtsfolgen das Recht des Werkvertrages direkt oder entsprechend anzuwenden. Das braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Die Klage erweist sich unabhängig hiervon als begründet.

3. Für den Vertrag war eine feste Laufzeit von 36 Monaten vereinbart.

Es spielt keine Rolle, ob das ausdrücklich abgesprochen worden ist. Die Parteien haben in rechtswirksamer Weise die ,Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Lohnarbeiten im Rechenzentrum' der Klägerin (im folgenden: AGB der Klägerin) zum Inhalt ihres Vertrages gemacht und damit auch die dort niedergelegte Bestimmung, daß die Mindestlaufzeit des Vertrages 36 Monate ab vollständiger Übernahme des Auftrags betrage. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen die Verbindlichkeit dieser Klausel in den AGB der Klägerin für das Vertragsverhältnis der Parteien sind nicht begründet.

a) Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, daß die AGB der Klägerin ihrem Schreiben vom 17. Januar 1974 nicht beigelegen haben. Sie sind dennoch Vertragsbestandteil geworden. Für die Beklagte war unmißverständlich erkennbar, daß die Klägerin ihre AGB dem Schreiben vom 17. Januar 1974 beilegen und daß sie den Vertrag auf der Grundlage dieser AGB abschließen wollte. In dem Schreiben vom 17. Januar 1974 hatte die Klägerin auf Seite 2 unten vermerkt:

Anlage:

Allg. RZ-Geschäftsbedingungen'.

Die Beklagte hätte dem Hinweis der Klägerin auf die AGB und deren Geltung widersprechen müssen, sofern sie diese Bedingungen nicht anerkennen oder jedenfalls zuvor Kenntnis von ihnen nehmen wollte. Zumindest hatte sie die Klägerin darauf hinweisen müssen, daß die AGB nicht beigefügt worden seien und sie gegebenenfalls anfordern müssen. Das war ihr zuzumuten, und hierzu war sie im Rahmen der angebahnten vertraglichen Beziehungen auch verpflichtet. Ihr Schweigen war von dem - insoweit maßgeblichen - Empfängerhorizont dahin zu verstehen, daß sie keine Einwendungen gegen die von der Klägerin vorgeschlagene Geltung ihrer AGB erhebe (1).

b) Die Bezugnahme der Klägerin auf ihre - unterstelltermaßen nicht beigefügten - AGB deckt auch die Bestimmung über die Mindestvertragsdauer von 36 Monaten. Diese Klausel hält der gebotenen Inhaltskontrolle stand. Es handelt sich hierbei nicht um eine unangemessene und überraschende Klausel, mit welcher die Klägerin einseitig ihre Interessen in rechtlich zu mißbilligender Weise verfolgt hat. Gegenstand des Auftrages an die Klägerin waren Leistungen, die ihrer Natur nach über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht werden. Erst wenn der Computer der Klägerin geraume Zeit nach dem eingespeicherten Programm arbeiten konnte, hier also die programmierten Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Beklagte erstellen konnte, erwies sich sein Einsatz als wirtschaftlich und insbesondere der naturgemäß verhältnismäßig höhere Anfangsaufwand bei der Programmierung als gerechtfertigt und wirtschaftlich sinnvoll. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin für ihre Verträge eine Mindestlaufzeit vorgesehen hat. Das entsprach ihren berechtigten Interessen. Immerhin macht auch die Beklagte nicht geltend, daß sie nicht bereit gewesen sei, einen derartigen Vertrag auf längere Zeit abzuschließen. Sie ist selbst davon ausgegangen, daß die Klägerin auf Dauer die elektronische Lohn- und Gehaltsabrechnung für sie übernehmen sollte.

Die Mindestlaufzeit von 36 Monaten ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist durch die berechtigten Interessen der Klägerin gedeckt. Eine solche Vertragszeit stellt sich bei einem Vertrag, wie er hier geschlossen worden ist, nicht als einseitig und rechtlich zu mißbilligende Verfolgung der eigenen Interessen der Klägerin dar. Die Beklagte wurde durch diese zeitliche Bindung nicht in unbilliger und unangemessener Weise belastet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ihr trotz dieser Festlegung der Vertragszeit auf drei Jahre des Recht zur jederzeitigen Kündigung aus wichtigem Grund verblieb ....

II. Dieser Vertrag ist vorzeitig beendet worden, . . . dadurch, daß die Beklagte durch ihr Schreiben vom 4. April 1975 weitere Leistungen durch die Klägerin abgelehnt hat. Das Schreiben ist als Kündigungserklärung zu werten.

III. Die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses hat die Beklagte jedoch nicht von ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung einer restlichen Vergütung entbunden.

1. Dabei kann zwar zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daß ihr grundsätzlich das Recht zustand, den Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund und damit ,"vergütungsfrei" zu kündigen, wozu der Auftraggeber sowohl im Recht des Werkvertrages als auch nach dem Recht des Dienstvertrages berechtigt ist.

Ein solches Kündigungsrecht konnte die Beklagte jedoch nicht in Anspruch nehmen. Sie hatte keinen wichtigen Grund zur Kündigung.

a) Die Beklagte konnte im Jahre 1975 ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht mehr damit begründen daß der Klägerin unstreitig bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung im Juli 1974 ein Fehler unterlaufen war. Ein einmaliger Fehler stellt bei solchen Verträgen ohnedies regelmäßig keinen wichtigen Kündigungsgrund dar. Das kann aber auf sich beruhen.

Wenn die Beklagte in dieser Fehlleistung einen wichtigen Grund zu einer fristlosen Kündigung gesehen hätte, so hätte sie diese Kündigung unverzüglich erklären müssen. Nur dann hätte davon ausgegangen werden können, daß sie jedenfalls aus ihrer Sicht wegen dieses Fehlers eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin als unzumutbar angesehen hätte. Das hat die Beklagte jedoch nicht getan. Noch in ihrem Kündigungsschreiben vom 4. April 1975 beruft sie sich nicht auf diesen Fehler. Das zeigt hinreichend deutlich, daß diese Fehlleistung der Klägerin auch aus ihrer Sicht kein Grund für eine fristlose Kündigung war.

b) Andere Gründe für die von ihr erklärte Kündigung hat die Beklagte nicht geltend gemacht . . .

2.... Dabei kann es auf sich beruhen ob diese "Zahlungs-"Verpflichtung hier unmittelbar aus ° 649 BGB zu entnehmen ist oder ob die Parteien durch die Vereinbarung einer Mindestvertragsdauer auch diese gesetzliche Bestimmung abbedungen haben. War das der Fall, so schuldet die Beklagte der Klägerin die Zahlung der vereinbarten und um die ersparten Aufwendungen gekürzte Vergütung als Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung; die unberechtigte vorzeitige Lossagung vom Vertrag stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende schwere positive Vertragsverletzung dar (2).

Dabei ist die Klägerin in diesem Fall nicht darauf beschränkt, als Schaden lediglich den entgangenen Gewinn zu fordern. Der ihr zu ersetzende Schaden liegt vielmehr in dem ihr entgangenen Vergütungsanspruch, der lediglich um die ersparten Aufwendungen zu kürzen ist (3).

IV. ... 1. Die Klägerin ... hat ... für ersparte Aufwendungen einen Abzug von 15% an der vereinbarten Vergütung vorgenommen. Das Landgericht ist dieser Berechnung zu Recht gefolgt. Die Beklagte behauptet nunmehr, die Ersparnisse der Klägerin infolge der Nichtausführung des Auftrages beliefen sich auf mindestens 30%. Dieses Vorbringen ist verspätet (wird ausgeführt).

3. Die Forderung der Klägerin ist auch insoweit berechtigt, als sie den Zeitraum vor der Vertragskündigung zum Gegenstand hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte dem Vergütungs- oder Schadensersatzverlangen der Klägerin für diese Zeit mit einem Schadensersatzanspruch hätte entgegentreten können, sofern die Klägerin gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen haben sollte, als sie in dieser Zeit Lohn- und Gehaltsabrechnungen nicht erstellte. Einen solchen Schadensersatzanspruch macht die Beklagte nicht geltend. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, daß die Beklagte nach den Vereinbarungen der Parteien ohnedies verpflichtet war, der Klägerin die erforderlichen Daten monatlich zur Verfügung zu stellen."

(1) vgl.BGHZ 7, 187,190; 11, 1, 3; 20 149, 151;BGH Betrieb 1971,2106; WM 1969, 1452; OLG Düsseldorf NJW 1965, 762 und Betrieb 1963, 929, OLG Bamberg Betriebsberater 1972, 1341 und 1384

(2) BGH in ständiger Rechtssprechung, vgl. EBE 1977, 407, 408; 1976, 396, 397; 1974, 170 = LM 284, Nr. 20; MDR 1969, 385

(3) BGH NJW 1969, 419, 420

Anmerkung

An der Beurteilung der AGB-Fragen hat sich durch den Erlaß des AGB-Gesetzes nichts geändert:

- gegenüber Kaufleuten kann die Einbeziehung von AGB auch weiterhin vereinbart werden, ohne daß die AGB dem Vertragspartner zur Kenntnis gebracht werden müssen (° 2 in Verbindung mit ° 24 AGBG).

- gegenüber Kaufleuten ist weiterhin allgemein zu überprüfen, ob AGB mit Treu und Glauben vereinbar sind, ° 9 Abs. 1 AGBG. ° 9 Abs. 2 AGBG stellt nur zusätzlich zwei allgemeine Beurteilungsmaßstäbe zur Verfügung.

Der Teil des Urteils des LG Duisburg, in dem dieses den Vertrag als Werkvertrag einstuft, worauf das OLG unter 1.2 der Entscheidungsgründe hinweist, lautet wie folgt: "Nach der Kündigung des Vertrages durch die Beklagte kann die Klägerin die Klagesumme als den vereinbarten Werklohn . . . abzüglich . . . verlangen (° 649 BGB). Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung ist ein Werkvertrag, nach dem die Klägerin die Lohn- und Gehaltsabrechnung durchzuführen hatte. Er hatte eine Mindestlaufzeit von 3 Jahren . . . (Urteil vom 1. Februar 1977 AZ: 16 0 8/76).