Urteile aus der Vertragspraxis

31.07.1981

Von Dr. Christph Zahrnt

Urteil des Hanseatischen OLG und das Revisionsurteil des BGH dazu

Ewige Probleme bei Software-Projekten (IV)

In den bisher abgedruckten Teilen der Urteile haben die Gerichte entschieden, daß der Beklagte, der ein DV-Programm zu erstellen verpflichtet gewesen sei, in Verzug gekommen und deswegen schadensersatzpflichtig sei.

Aus den Entscheidungsgründen

OLG: "II. Der Höhe nach ist die Klage nur zum Teil begründet.

A. Leistungsantrag

1. Als Ersatz für die Honorarausfälle fordert der Kläger 26 441,- DM. "Der Kläger hatte mit seinen Mandanten eine Honorarkürzung entsprechend seiner Minderleistung, die sich aus dem Fehlen des DV-Programms ergab, vereinbart."

b) Der Honorarausfall des Klägers ist mit dem von ihm erlittenen Schaden identisch.

Es liegt auf der Hand, daß der Kläger die berechneten Honorarverluste nicht erlitten hätte, wenn er nach ordnungsgemäßer Erfüllung der den Beklagten ihm gegenüber obliegenden Pflichten zur entsprechend ordnungsgemäßen Bedienung seiner Mandanten in der Lage gewesen wäre. Der Schaden ist demnach in vollem Umfang infolge des Verzuges der Beklagten entstanden.

c) Aus der festgestellten Höhe des Schadens folgt nun allerdings noch nicht notwendig, daß die Beklagten diesen Schaden auch in vollem Umfang zu erstatten haben.

aa) Der Kläger hat mit seinen Kunden bestimmte Honorarnachlässe vereinbart. Wenn hierfür auch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten bestimmend war, so durfte der Kläger dabei doch nicht etwa auf Kosten der Beklagten besonders großzügig sein. Hätte er seinen Mandanten Nachlässe gewährt, die das nach den Umständen angemessene Maß überstiegen, so hätte er damit gegen seine Obliegenheit verstoßen, den Schaden möglichst gering zu halten, und hätte, soweit die Ermäßigung der Honorare nicht geboten war, gemäß ° 254 Abs. 2 BGB keinen Ersatzanspruch.

Alle Umstände indessen, aus denen zu folgern wäre, daß der Kläger sich gegenüber seinen Mandanten in einer durch die Umstände nicht gerechtfertigten Weise großzügig verhalten habe, wären von den Beklagten darzulegen und zu beweisen gewesen.

An einem ausreichenden Sachvortrag in dieser Richtung fehlt es.

bb) Die Beklagten beanstanden, daß der Kläger die ihm bereits im Februar 1967 gelieferten Buchhaltungslistenunstreitig- nicht an seine Mandaten weitergeleitet habe, obwohl diese - wie sie behaupten und unter Beweis stellen - zur Aufstellung der Einkommensteuererklärungen ausgereicht hätten.

Dieses Vorbringen reicht nicht aus: Wie schon unter I. ausgeführt, haben die Beklagten nicht hinreichend substantiiert, daß die von ihnen im Februar 1967 gelieferten Listen den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger auch nur in den wesentlichen Punkten entsprachen. Die Aussage des Zeugen S., auf den sie sich beziehen, spricht eindeutig gegen ihre Darstellung. Wenn der Kläger jene - unstreitig fehlerhaften - Listen nicht seine Mandanten weitergab, so geschah dies nach der Überzeugung des Senats, weil er als Steuerbevollmächtigter erkannte, daß die Mandanten die Fehler und Unvollkommenheiten der Listen bemerken und diese ihm als ihrem Vertragspartner zuschreiben würden, wenn er ihnen für mangelhafte Leistungen ein höheres als das ohnehin gezahlte Honorar berechnet hätte. Der Kläger mußte befürchten, daß die Mandaten ihm sodann kein weiteres Vertrauen entgegenbringen und die Betreuungsverträge sogleich aufkündigen würden.

Der Kläger durfte erwägen, daß es in seinem und damit zugleich im Interesse der Beklagten ratsamer sei die Mandanten mit fehlerhaften Auswertungen zu verschonen und ihnen in der Hoffung auf alsbald nachzuliefernde ordnungsgemäße Unterlagen für eine Übergangszeit Honorarnach lässe zu gewähren. Der Kläger konnte im Februar 1967 nicht wissen, daß es sieben Monate dauern würde, bis die Beklagten die von ihnen übernommene Programmierung ordnungsgemäß ausgeführt haben würden. Wie er zweckmäßig verfahren wäre, wenn er dies gewußt hätte, kann deshalb auf sich beruhen. Solange der Kläger erwarten durfte, nach jeweils kurzer Zeit Unterlagen zu erhalten, die den getroffenen Vereinbarungen entsprachen, war es jedenfalls eine vertretbare, ihm nicht als Verschulden anzurechnende Entscheidung, wenn er auf ordnungsgemäße Unterlagen wartete und sich durch Honorarnachlässe darum bemühte, seine Mandanten nicht wie bereits Ende März 1967 den Mandanten A - ganz zu verlieren, was einen noch weit höheren Schaden bedeutet hätte...

ee) Schließlich kann ein mitwirkendes Verschulden des Klägers auch nicht darin erblickt werden, daß er die Mängel des Programms nicht hinreichend nachdrücklich gerügt oder die Zusammenarbeit mit den Beklagten nicht zu einem früheren Zeitpunkt beendet hätte. Der Kläger hat, wie die von den Parteien vorgelegte Korrespondenz erkennen läßt, seit dem 10 Februar 1967 häufig und sehr nachdrücklich auf Vertagserfüllung gedrängt und dabei auch wiederholt auf die drohenden großen Schäden hingewiesen. Die Beklagten haben ihn daraufhin stets vertröstet und niemals eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie noch für längere Zeit nicht in der Lage sein würden, ihren übernommenen Verpflichtungen nachzukommen. Es kann dem Kläger deshalb nicht verdacht werden, daß er bis zum Herbst 1967 hoffte, die Zusammenarbeit mit den Beklagten würde sich noch einspielen, und eine Auflösung des Vertrages werde zu vermeiden sein. Einer Fristsetzung unter Androhung der Erfüllungsablehnung bedurfte es entgegen der von den Beklagten anscheinend vertretenen Ansicht weder zur Begründung noch zur Erhaltung der Schadensersatzansprüche aus § 286 BGB."

BGH: Keine Bedenken.

OLG: "2. Weitere 4000,- DM begehrt der Kläger mit der Begründung, ihm sei infolge des Versagens der Beklagten ein erheblicher Arbeitsmehraufwand innerhalb und außerhalb seines Büros entstanden, zunächst insofern, als die von den Beklagten gelieferten fehlerhaften Auswertungen hätten geprüft und berichtigt werden müssen; diese Arbeit habe eine hochqualifizierte Kraft erfordert. Ferner habe er die Umsatzsteuerberechnungswerte manuell aus den Eingabeprotokollen ermitteln lassen, was ebenfalls viel Zeit erfordert habe. Hinzu komme, daß er selbst durch häufige Besprechungen mit wechselnden Mitarbeitern der Beklagten, Besprechungen zur Beschwichtigung seiner Mandanten usw. zeitlich erheblich in Anspruch genommen sei, so daß er mit seinen normalen Finanzierungs- und Steuererklärungsarbeiten in Rückstand geraten sei und einen freien Mitarbeiter habe einsetzen müssen. Der Kläger Verlangt etwa ein Drittel des Gehalts für einen solchen Mitarbeiter für die Monate Januar bis August 1967, d.h. 8 x 500,- DM = 4000,- DM.

Dieser Anspruch ist nur zu einem geringen Teilbetrag begründet.

a) Der Kläger verkennt, daß die Beklagten nicht versprochen hatten, sofort ein fehlerfreies Programm zu liefern, das keinerlei Korrekturen und Ergänzungen mehr erfordert hätte.

Die Beklagten hatten sich nach den getroffenen Vereinbarungen einen Zeitraum von über vier Monaten ausbedungen, der der Entwicklung geeigneter Programme dienen sollte. Auch waren Testarbeiten verabredet worden. Unter diesen Umständen mußte der Kläger von vornherein damit rechnen, daß während eines längeren Zeitraums zahlreiche Besprechungen und Versuche erforderlich werden würden, bevor ein abgeschlossenes taugliches Programm vorlag."

Der BGH bestätigt die weiteren Ausführungen des OLG und faßt sie wie folgt zusammen:

BGH: "B I 1. ... c) Das Berufungsgericht hat die Behauptung des Klägers, er sei auch deshalb nicht zur Erledigung seiner sonstigen Arbeiten gekommen, weil er zur Beschwichtigung seiner Mandanten Besprechungen mit diesen habe abhalten müssen, als so wenig substantiiert angesehen, daß nicht festgestellt werden kann, ob und inwieweit gerade durch verzugsbedingte Besprechungen der Einsatz einer Hilfskraft erforderlich gewesen sein sollte.

2. Nicht als berechtigt angesehen hat das Berufungsgericht die Forderung des Klägers auf Ersatz weiterer 997,40 DM (Aufwand für die im Juli 1967 mit Hilfe einer Buchungsmaschine außerhalb seines Büros aufgearbeiteten Daten).

Die dafür gegebene Begründung ist gleichfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zu Recht verweist das Berufungsgericht darauf, daß der Kläger entweder den gewährten Honorarnachlaß als Schaden ersetzt verlangen kann oder die Erstattung dieser Kosten, aber nicht beides nebeneinander.

Diesen Punkt kann der Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer von ihm zur Schadensminderung für notwendig gehaltenen Aufwendung ersetzt verlangen. Er hat nicht dargelegt, daß ein größerer Schaden entstanden wäre, d.h. er den Mandanten noch weiter hätte entgegenkommen müssen oder daß diese das Vertragsverhältnis gekündigt hätte, wenn er diese Aufwendungen nicht gemacht hätte.

3. Als nicht begründet angesehen hat das Berufungsgericht schließlich auch die Forderung des Klägers auf Erstattung der von ihm an die N für die Ausarbeitung eines neuen Programms gezahlten 11 800,- DM.

a) Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß der Kläger insoweit Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert. Es handelt sich dabei nicht um Aufwendungen, die ihm durch den Verzug bei der Fertigstellung eines tauglichen Datenverarbeitungsprogramms entstanden sind. Diese Aufwendungen hat er nicht gemacht, um während des Lieferverzuges sein Interesse anderweitig zu befriedigen. Sie sind vielmehr entstanden, weil der Kläger schon während des Bestehens des Vertrages Vorbereitungen getroffen hat, um sich vom Vertrag lösen zu können.

Der Anspruch auf Ersatz der 11800,- DM könnte daher nur unter den Voraussetzungen des ° 326 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden. Das setzt aber voraus, daß der Kläger eine Nachfrist gesetzt und erklärt hätte, daß er die Erfüllung nach Ablauf der Frist ablehnen werde. Das hat er aber gerade nicht getan, wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt. Er hat immer wieder gedrängt, daß das bestellte Programm fertiggestellt würde. Mit der Fortsetzung der Arbeit durch die Beklagten hat er sich auch nach Ablauf von ihm gesetzter Fristen ausdrücklich einverstanden erklärt. Die Beklagten haben das Programm dann auch schließlich, wenn auch mit erheblicher Verspätung, fertiggestellt und die Auswertungen geliefert. Ersatzansprüche hat er stets nur in Bezug auf die Schäden angemeldet, die ihm durch den Verzug entstanden waren. Solche Ersatzansprüche bestehen neben dem Anspruch auf Erfüllung. ...

b) Zu Recht verweist das Berufungsgericht darauf, daß die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 BGB nicht vorliegen."

Anmerkung: § 326 Abs. 2 BGB lautet: ,,Hat die Erfüllung des Vertrages infolge des Verzugs für den anderen Teil kein Interesse, so stehen ihm die ... Rechte zu, ohne daß es der Bestimmung einer Frist bedarf."

Der Kläger hat sein Interesse an der Erfüllung nicht deshalb verloren, weil die Beklagten in Verzug gekommen waren, sondern weil er ein Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, dessen Erfüllung bevorstand. Das rechtfertigt aber die Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB nicht.

c) Der Kläger kann aus den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegten Gründen diese Kosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt für die Schadensminderung erforderlich gehaltender Aufwendungen ersetzt verlangen. Er hat sie nicht aufgewandt, um den Verzugsschaden zu mindern, sondern um bei einer Auflösung des Vertrages in der Lage zu sein, die Datenverarbeitung durch ein anderes Rechenzentrum vornehmen zu lassen."