Urteile aus der Vertragspraxis

04.06.1982

Rechtsanwalt in Neckargemünd

1-1-° 9-2 Urteil des LG Köln vom 19. Dezember 1980 (17 O 16/80)

Immer wieder Verjährung

Nichtamtliche Leitsätze

1. Bezeichnet ein Leasinggeber einen Vertrag über die Erstellung eines DV-Programms formularmäßig als Kaufvertrag, so ist dennoch Werkvertragsrecht anzuwenden, weil das erstens der von den Parteien gewollte Vertragsgegenstand ist und zweitens das Formular auf das typische Beschaffungsgeschäft eines Leasingvertrags zugeschnitten ist. Das Formular ist deswegen nicht maßgeblich.

2. Der Schaden, der in der Zahlung von Leasinggebühren an den Hardwarelieferanten liegt, ist unmittelbar durch den Mangel des Programms verursacht Auf diesen Schadensersatzanspruch findet die kurze Verjährungsfrist des ° 638 BGB Anwendung.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Die Klägerin, eine Finanzierungsgesellschaft zwischen Hersteller und Leasingnehmer, vermietete im Dezember 1977 mit gleichlautenden Verträgen an zwei Krankenkassen einen Software-Komplex auf unbestimmte Zeit." In den Mietvertragsbedingungen trat die Klägerin alle Gewährleistungsansprüche gegen die Lieferanten an die Mieterinnen ab. "Da das Programm auf die Bedürfnisse der Krankenkassen nicht zugeschnitten war, schloß die Klägerin mit dem Beklagten am 14. 12. 1977 einen Vertrag, worin sich der Beklagte zur" Anpassung des Programms an die Bedürfnisse der Krankenkassen "verpflichtete. . . .

In diesem Vertrag war die Lieferzeit mit "freibleibend" bezeichnet. Das Vertragsformular zwischen den Parteien enthielt keine Regelung einer Lieferzeit. Die von den Krankenkassen unterzeichnete Übernahmebestätigung enthielt den Vermerk:

Übernahmetermin 1. 1. 1978 innerhalb 10 Monaten. Die Erstellung der Programme durch den Beklagten verzögerte sich. Mit Schreiben vom 3. 7. 1979 setzte die Krankenkasse 1 dem Beklagten schriftlich eine Frist zur Fertigstellung unter Ablehnungsandrohung bis zum 15. 7. 1979. Mit Schreiben vom 29. 8. 1979 kündigte sie den Leasingvertrag mit der Klägerin fristlos. Mit Schreiben vom

21. 9. 1979 setzte die Krankenkasse 2 der Klägerin eine Fertigstellungs-Frist bis zum 20. 10. 1979. Nach Fristablauf kündigte sie den Leasingvertrag gegenüber der Klägerin. Im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens der Krankenkasse 1 gegen die

Parteien erstellte der Sachverständige am 11. 1. 1980 das Gutachten. Die Krankenkasse trat am 16. 10. 1980 ihre Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche an die Klägerin wieder zurück ab.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Programme nicht innerhalb der vereinbarten 10 Monate erstellt, darüber hinaus seien diese mangelhaft und unvollständig. Es sei, kein Teilprogramm funktionsfähig erstellt. Ferner seien abgetreten worden Schadensersatzansprüche der Kassen gegen den Beklagten wegen bereits gezahlter Leasinggebühren an die Klägerin für die Software sowie an ... bezüglich der Hardware." Die Klägerin klagt diesen Schaden ein.

"Der Beklagte behauptet, die Parteien seien sich bei Vertragsabschluß darüber einig gewesen, daß die Entwicklung der Software 1 1/2 bis 2 Jahre dauern werde. Die Verzögerung sei nicht von ihm zu vertreten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz, sei es aus eigenem oder aus abgetretenem Recht.

Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht standen der Klägerin nicht zu, da sie diese gemäß den Verträgen vom 6. 12. 1977 an die Krankenkassen abgetreten hatte. . . .

Schadensersatzansprüche aus a getretenem Recht waren im Zeitpunkt der Abtretung vom 16. 10. 1980 verjährt. Soweit die Ansprüche der 1 betroffen sind, trat die Verjährung bereits Ende Juli 1980 ein. Dies deshalb, weil einmal der Verjährungsbeginn spätestens nach Erstellung des Gutachtens vom 11. 1. 1980 einschl. seiner Zustellung aus dem Beweissicherungsverfahren anzusetzen ist; zum zweiten hier die 6monatige Verjährung des ° 638 BGB eingreift, da der die Software-Herstellung betreffende Vertrag zwischen den Parteien als Werkvertrag zu qualifizieren ist.

Dem steht nicht entgegen, daß der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten mit "Kaufvertrag" überschrieben ist. Insoweit kommt es einmal nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien, sondern auf den von ihnen gewollten Vertragsgegenstand an, zum 2. handelt es sich um ein Vertragsformular, das auf die typischen Vertragsformen eines Leasinggebers, der das Leasinggut bei Drittfirmen noch zu besorgen hat, also auf einen Kaufvertrag, zugeschnitten ist. Die vorliegende Erstellung des Software-Programms durch den Beklagten ist aber schon der Natur der Sache nach, die ein langsames Erarbeiten derselben mit vielen Probeläufen erfordert, der Herstellung eines Werkes gleichzusetzen.

Der Krankenlasse 1 standen nach der Fristsetzung und Ablehnungsandrohung vom 3. 7. 197S, welches die Klägerin sich zurechnet, auch nur noch die Gewährleistungsrechte und keine Ansprüche wegen Nichterfüllung zu, da sich bei Werkverträgen der Erfüllungsanspruch nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung auf das hergestellte Werk konzentriert, mit der Folge, daß nur noch die Gewährleistungsrechte der °° 633 ff BGB zur Anwendung kommen (Palandt vor ° 633 Anm. 3a, 4a)."

Anmerkung:

Für Ansprüche aus Nichterfüllung nach ° 326 BGB gilt eine längere Verjährungsfrist.

"Auch die Ansprüche der Krankenkasse 2 waren infolge der kurzen 6monatigen Verjährung vor der Rückabtretung verjährt, wobei der Verjährungsbeginn im Zeitpunkt der Kündigung der 2 anzusetzen ist.

Denn die Kündigung ist der endgültigen Verweigerung und der Abnahme gleichzusetzen, was aber den Beginn der Verjährung auslöst (Palandt, ° 638 Anm. 1, BGH WPM 1974, 200). Dem steht nicht entgegen, daß die Kündigung im Verhältnis 2 - Klägerin erfolgte. Denn die Kündigung ist hier deshalb als Abnahmeverweigerung auch im Verhältnis der Prozeßparteien zu werten, weil der Beklagte lt. Vertrag vom 14. 2. 1977 verpflichtet war, seine Erfüllungspflichten aus dem Vertrag mit der Klägerin gegenüber den Kassen und nicht der Klägerin zu erbringen. Verweigert aber die Person, deren sich der Gläubiger einer Leistung zum Empfang derselben bedient, deren Annahme, so ist ihm dieses Verhalten wie eigenes zuzurechnen.

Auch die übrigen abgetretenen Schadensersatzansprüche der Kassen bezüglich der an die Klägerin sowie die (Hardwarelieferantin) gezahlten Leasinggebühren sind entsprechend vorstehenden Ausführungen verjährt. Auf diese Ansprüche findet die kurze Verjährung des ° 638 BGB deshalb Anwendung, weil der in der Zahlung der Leasinggebühren liegende Schaden ein solcher im Sinne des ° 635 BGB ist und unmittelbar durch den Mangel des Werkes, nämlich des zumindest nicht vollständigen Programms verursacht worden ist."

Anmerkung:

Das Urteil steht nicht im Widerspruch zu dem des LG Siegen (2-4-° 9-2). Das LG Siegen stellt zu recht darauf ab, daß die Übernahmeerklärung hinsichtlich des Standardprogramms noch keine Abnahme beinhaltet, sondern daß die Abnahme erst nach erfolgter Anpassung erfolgen soll. In diesem Fall haben die Krankenkassen anscheinend mit Wirkung für die Klägerin Nachfrist wegen Mängeln und nicht wegen Nichtlieferung gesetzt. Damit begann die Verjährungsfrist zu laufen. Sollte das LG allerdings die Nachfristsetzung aus ° 326 BGB durch die °° 633ff für ausgeschlossen gehalten haben, wäre das falsch, wie ° 636 I.2 BGB zeigen würde.

3-4-UrhG-1 Urteil des Koblenz vom 5. Februar 1980 (2 o 208/79)

Urheberrechte an Programmen bei Arbeitsvertrag

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Bei einem Arbeitsvertrag übertragt der Arbeitnehmer die Urheberrechte an den Arbeitsergebnissen seinem Arbeitgeber bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung nur in dem im Vertrag verfolgten Zweck. Im Zweifel ist davon auszugehen, daß der Urheber ein Nutzungsrecht nur in demjenigen Umfang einräumen will, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. (Im konkreten Fall kann dahingestellt bleiben ob EDV-Programme urheberrechtsfähig sind.)

2. Soll der Arbeitnehmer ein Programm für seinen Arbeitgeber entwickeln, läßt sich daraus allein nicht entnehmen, daß der Arbeitnehmer - Urheberrechte am Programm unterstellt - mit der Überlassung der Programme an Dritte einverstanden ist (hier in dem Falle, daß sich mehrere Anwender die von ihnen entwickelten Programme gegenseitig zugänglich machen).

3. Der Arbeitnehmer stimmt der Weitergabe stillschweigend zu, wenn sie ihm wiederholt vom Arbeitgeber mitgeteilt wird und er auch an ihr mitwirkt, ohne auf seine Rechte hinzuweisen.

Der Tatbestand läßt sich wie folgt zusammenfassen: "Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis. Der Vertrag enthält keine Nebenabreden, insbesondere keine Vereinbarungen bezüglich der Nutzung etwaiger urheberrechtlich geschützter Werke des Klägers.

Der Kläger leitet als technischer Angestellter das Referat "...-prüfung und -überwachung" sowie Berechnungen. Er entwickelte im Laufe der Jahre ein sogenanntes . . . -informationssystem, dem ca. 100 Computerprogramme zuzuordnen sind. Zweck dieses Systems war es, neben der Umstellung bisher manuell durchgeführter Verwaltungsvorgänge eine Vielfalt von Abfragemöglichkeiten über den . . . Bestand, Einzelheiten über ... aufzuwendende Kosten und ähnliches zu liefern. Die vom Kläger entwickelten Programme wurden in dieser Weise bisher erstmals erstellt; die Arbeiten sind jedoch auf langjährige Planung zurückzuführen.

Nachdem Aufträge zur Programmerstellung zunächst an private Programmierbüros vergeben worden waren, denen der Kläger fachtechnische Voraussetzungen auf seinem Arbeitsgebiet geliefert hatte, wurden die Arbeiten später größtenteils von den Datenverarbeitungsabteilungen der Beklagten selbst erledigt, und zwar unter der Leitung des Klägers."

Da andere Benutzer Interesse an dem Einsatz der Programme hatten sollte X, die diese Benutzer unterstützte, diese Programme überarbeiten und eine "ausführliche Dokumentation" vornehmen. Hierfür wurden von der Beklagten einige vom Kläger entwickelte Programme an die X zur Nutzung überlassen.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 31.0kt. 1978 gegen die beabsichtigte Weitergabe und verlangte unter ausdrücklichem Hinweis auf seinen Urheberrechtsschutz eine angemessene Beteiligung an der von der X geplanten Dokumentation im Rahmen einer Nebentätigkeit. Er macht mit der Klage urheberrechtliche Ansprüche hinsichtlich der der X übertragenen Computerprogramme geltend.

Der Kläger trägt vor: Das von ihm erstellte ...-informationssystem erfülle die Voraussetzungen einer schutzwürdigen Schöpfung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes.

Die fachliche Grundlage sei aufgrund seiner Ideen erarbeitet worden, wozu er im Rahmen systemanalytischer Arbeiten auch Forschungsarbeiten habe vornehmen müssen. Er sei bereits am 1. Januar 1970 mit der hier in Frage stehenden Aufgabe betraut worden.

Bei einer Vielzahl von möglichen Methoden habe er ganz bestimmte entwickelt, wobei ihm bei der Auswahl ein gedanklich weiter Spielraum zur Verfügung gestanden habe.

Die Beklagte trägt vor: Bei dem vom Kläger aufgebauten ...-informationssystem handele es sich lediglich um Organisations- und Rechenprogramme im Sinne von, "Gebrauchs anweisungen", also um Programme für den bestimmungsgemäßen Gebrauch bekannter Datenverarbeitungsanlagen. Ihre Erstellung verlange zwar Fachkenntnisse; die Programme seien jedoch nicht als eigenpersönliche Leistung mit der für den Urheberrechtsschutz erforderlichen schöpferischen Eigenart anzusehen.

Selbst wenn man der Ansicht sein sollte, daß die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes vorliegend Anwendung finden müßten, sei die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages berechtigt gewesen, die Programme der X zu überlassen.

Es habe in den letzten Jahren eine Zusammenarbeit mit anderen (Benutzern) stattgefunden, in deren Verlauf die jeweils von ihnen entwickelten Programme gegenseitig zugänglich gemacht worden seien. Von diesem Austausch habe der Kläger Kenntnis gehabt und sei damit auch einverstanden gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage war abzuweisen. Hierbei konnte dahingestellt bleiben, ob das von dem Kläger geschaffene . . . -informationssystem dem ° 2 Nr. 1 oder Nr. 7 des Urheberrechtsgesetzes zuzuordnen ist. Die Beweisaufnahme hat nämlich ergeben, daß sich der Kläger - zumindest stillschweigend - mit einer Überlassung der hier in Frage stehenden Programme durch die Beklagte an X einverstanden erklärt hat.

Die Kammer teilt zwar nicht die Ansicht der Beklagten, wonach diese bereits aufgrund des Sinnes und Zweckes des Arbeitsvertrages berechtigt war, die hier in Frage stehenden Programme der X zur Nutzung zu überlassen.

In dem Dienstvertrag ist keine ausdrückliche Bestimmung bezüglich der Nutzung etwaiger urheberrechtlich geschützter Werke des Klägers enthalten. Gemäß ° 34 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz bedarf die Übertragung eines Nutzungsrechts grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers.

Für den Umfang der Rechtseinräumung gilt bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung grundsätzlich die "Zweckübertragungstheorie", d. h., daß sich der Umfang der Nutzung nach dem im Vertrage verfolgten Zweck richtet. Im Zweifel ist davon auszugehen, daß der Urheber ein Nutzungsrecht nur in demjenigen Umfang einräumen will, den der Vertragszweck unbedingt erfordert (vgl. Fromm-Nordemann ° 32 Anm. 9 u. ° 43 Anm. 3 b). Jeder Übertragungsakt ist so eng wie möglich auszulegen Demnach ist es in der Regel verfehlt, darauf abzustellen, was "üblich" ist; bei Zweifeln hinsichtlich einer stillschweigenden Rechtseinräumung ist grundsätzlich zu Gunsten des Urhebers zu entscheiden (vgl. Fromm-Nordemann ° 32 Anm. 9 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall wurde der Kläger im Laufe seiner Tätigkeit damit beauftragt, für die Beklagte ein ...-informationssystem zu entwickeln. Hieraus allein läßt sich nicht entnehmen, daß der Kläger damit einverstanden war, daß die Beklagte die Nutzung dieses Systems auch Dritten überlassen würde.

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, daß sich der Kläger - zumindest stillschweigend - mit der Überlassung der von ihm entwickelten Programme an X einverstanden erklärt hat.

Ihm war bekannt, daß die hier in Frage stehenden Programme anderen (Benutzern) angeboten wurden. Er hat dem Y selbst ein entsprechendes Angebot gemacht. Der Kläger ist von dem Zeugen in der Folgezeit mehrfach darüber unterrichtet worden, daß die Programme anderen (Benutzern) angeboten werden sollten. Der Kläger hat hiergegen niemals Einwände erhoben. Ihm war auch bekannt, daß die hier in Frage stehenden Programme der X überlassen werden sollten. Er wurde hierüber von dem Zeugen unterrichtet. Auch hiergegen hat er keine Einwände geltend gemacht. Er wußte auch, daß die Programme von den anderen (Benutzern) nur nach entsprechenden Abänderungen genutzt werden konnten. Der Kläger gehörte selbst der entsprechenden Projektgruppe an, die die Aufnahme des von ihm entwickelten Systems durch andere Benutzer vorbereiten sollte".

Anmerkung:

Dem Urteil ist nichts hinzuzufügen. Es soll nur betont werden, daß es um eine Weitergabe von Programmen zwischen Benutzern im Rahmen einer Übereinkunft ging, nach der jeder Programme ohne gesonderte Vergütung weitergeben sollte. D. h., daß von dem Ergebnis in diesem Urteil nicht auf die Interessenlage zwischen einem Programmierer/Organisator als Arbeitnehmer und einem Software-Unternehmen als Arbeitgeber und damit auf die Auslegung solcher Verträge geschlossen werden darf.