Urteile aus der Vertragspraxis

12.02.1982

2-8-1 Urteil des Kammergerichts Berlin vom 11. April 1975 (14 U 2355 / 74)

Vorsicht bei Leasing

Nichtamtliche Leitsätze

1. Es verstößt bei Leasing nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Leasinggeberin das Risiko der Sachmängel und das der Realisierbarkeit der sich aus solchen Mängel ergebenden Forderungen nahezu vollkommen auf die Leasingnehmerin abwälzt, weil dies den wirtschaftlichen Interessen der Parteien entspricht.

2. Es widerspricht nicht Treu und Glauben, daß der Leasingvertrag keine Ansprüche gegen die Leasinggeberin vorsieht, wenn sie der Leasingnehmerin sämtliche Gewährleistungsansprüche aus dem von ihr mit dem Lieferanten geschlossenen Kaufvertrag abtritt.

Der Tatbestand laßt sich wie folgt zusammenfassen:

"Durch Vertrag vom 15./28. Juli 1971 beauftragte die Beklagte (Leasingnehmerin) die Klägerin (Leasinggeberin), bei der (Lieferantin) X gemäß deren Angebot vom 10. Juli 1971 und zu deren Lieferungsbedingungen einen Büro-Computer zum Preise von DM 81 000, - (einschl. der Software) zu kaufen. Zugleich erklärte die Beklagte, den Computer für 54 Monate bei einer monatlichen Rate von DM 2005, - zuzüglich MwSt. zu mieten.

In den Allgemeinen Mietbedingungen (AMB) der Klägerin heißt es u. a.:

5. Der Vermieter tritt seine gegenwärtigen bzw. zukünftigen Ansprüche gegen den Lieferanten, ... hinsichtlich des Mietgegenstandes, insbesondere aus Sachmängelhaftung und positiver Vertragsverletzung an den Mieter ab. Weitere Ansprüche gegen den Vermieter sind ausgeschlossen.

Der Mieter erkennt die Liefer- und Gewährleistungsbedingungen des Lieferanten als für ihn gegenüber dem Vermieter verbindlich an und verpflichtet sich, die abgetretenen Ansprüche gegen den Lieferanten geltend zu machen....

15. Dieser Vertrag ist unkündbar . . . Aus wichtigem Grund kann der Vermieter diesen Vertrag fristlos kündigen, insbesondere, wenn der Mieter seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag trotz Mahnung durch eingeschriebenen Brief innerhalb von 14 Tagen nicht nachkommt.... Mit der Kündigung werden sämtliche für die restliche Mietzeit noch ausstehenden Mieten sofort fällig. Ziff. 3 Abs. 4 gilt entsprechend....

Der Vermieter hat den durch eine etwaige Verwertung des Mietgegenstandes während der restlichen Mietzeit erzielten Nettoerlös auf den vom Mieter gemäß vorstehender Ziff. 15 Abs. 3 geschuldeten Betrag anzurechnen.

Am 15. Dezember 1971 wurde der Computer geliefert. Beim Einsatz zeigten sich zahlreiche Mängel, und in der Zeit nach dem 20. Januar 1972 rügte die Beklagte diese auch gegenüber der Lieferfirma, die sich wiederholt um deren Beseitigung bemühte.

Am 17. April 1974 lehnte die Beklagte im Hinblick auf die behaupteten Mangel jedwede Zahlung für die Zukunft ab und kündigte Schadensersatzansprüche an."

Anmerkung: Die Beklagte hatte die Mängel also 2 Jahre lang hingenommen!

"Die Klägerin wies am folgenden Tage auf ihre Geschäftsbedingungen sowie darauf hin, daß der Beklagten die Ansprüche aus Sachmängelhaftung abgetreten seien und es in ihrem, der Klägerin, Interesse liege, wenn die Beklagte berechtigte Anspräche gegenüber der Lieferantin geltend mache. Nachdem die Klägerin nochmals gemahnt hatte, kündigte sie am 17. Mai 1974 fristlos gemäß Nr. 15 Abs. 2 AMB den Vertrag und verlangte Zahlung der restlichen Mieten.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, daß der Computer da, er nicht mehr hergestellt wird und unverkäuflich ist, nur noch Schrottwert hat.

Die Beklagte ist der Ansicht, es sei ihr in Anbetracht der gravierenden und nicht zu beseitigenden Mängel unzumutbar, die Leasing-Raten weiter an die Klägerin zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen."

Das Kammergericht (OLG Berlin) hat auf die Berufung der Klägerin das abweisende Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Klageanspruch bejaht.

Entscheidungsgründe

"Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nach Nr. 15 Abs. 2 AMB zu. Da sich die Beklagte geweigert hat, die ihr nach dem Leasing-Vertrag obliegende Verpflichtung zu erfüllen, konnte die Klägerin Zahlung der gesamten noch ausstehenden Raten auf einmal verlangen.

Die Beklagte war nicht berechtigt unter Berufung auf Treu und Glauben die nach ihrer Behauptung bestehenden Mangel des Computers dem auf den Leasing-Vertrag gestützten Zahlungsbegehren der Klägerin entgegenzuhalten. Beim Leasing-Geschäft ist zwischen dem Kaufvertrag, der vom Leasing-Geber mit dem Lieferanten geschlossen wird und dem Mietvertrag, der durch die Geschäftsbedingungen des Leasing-Gebers modifiziert ist, zu unterscheiden. Die vom gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages abweichende Gestaltung des Leasing-Geschäftes ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, und die hier zu beurteilenden formularmäßigen Geschäftsbedingungen der Klägerin lassen keine Besonderheiten erkennen, die zur Versagung der von ihr erhobenen Forderung führen müßten:

Die Klägerin hat das Risiko der Sachmängel und das der Realisierbarkeit der sich aus solchen Mängel ergebenden Forderungen nahezu vollkommen auf die Beklagte als Leasing-Nehmerin abgewälzt. Diese vom Leitbild des Mietvertrages abweichende Regelung verstößt deshalb jedoch nicht gegen ° 242 BGB, weil sie den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten entspricht. Es handelt sich um ein sogenanntes Finanzierungs-Leasing, bei dem der Leasing-Geber eine Investition finanziert und zu diesem Zwecke das Investitionsgut erwirbt und es dem Leasing-Nehmer zur Nutzung überläßt. Der Leasing-Nehmer selbst hat sich den Lieferanten und den Kaufgegenstand ausgesucht und hat - wie der hier geschlossene Mietvertrag eindeutig zeigt - den Leasing-Geber beauftragt, das Leasing-Gut zu kaufen. Es ist daher nur gerecht, wenn den Leasing-Nehmer das Risiko einer Leistungsstörung trifft. Einwendungen, die sich auf Sachmängel stützen, kann er dem Leasing-Geber ebenso wenig entgegenhalten wie einer Bank, bei der er ein Darlehen zum Zwecke der Anschaffung des Wirtschaftsgutes aufgenommen hätte.

Auch im übrigen enthalten die Bedingungen der Klägerin keine Bestimmung, die es angezeigt sein ließe, ihren Rechtsstandpunkt, wonach der Leasing-Vertrag - unabhängig von dem Kaufgeschäft - keine Ansprüche gewährt, als mit Treu und Glauben unvereinbar zu charakterisieren.

Die Klägerin hat nämlich der Beklagten nicht lediglich das Recht, vom Lieferanten Nachbesserung zu verlangen, abgetreten, vielmehr war die Beklagte nach Nr. 5 AMB in der Lage, sämtliche Gewährleistungsansprüche - zu denen auch das unter Umständen wieder auflebende Recht auf Wandlung zahlt - geltend zu machen. Die Beklagte war demnach nicht nur darauf beschränkt, Nachbesserungsansprüche, die zu keinem befriedigenden Ergebnis führten, zu verfolgen, sondern konnte auch die Rückgängigmachung des Kaufes im Wege der Wandlung verlangen. Ihr war also nicht eine im Verhältnis zu den gegen sie gerichteten Ansprüchen der Klägerin bedeutungslose Rechtsposition zugewiesen."

Anmerkung:

Dieses Urteil ist inzwischen gefestigte Rechtsprechung. Jeder Leasing-Nehmer sollte sich ganz klar darüber sein, daß er vom Lieferanten kaufen wollte und den Leasing-Geber nur der Finanzierung wegen eingeschaltet hat. Er soll sich deswegen auf Kaufrecht einstellen. Danach verjähren die Gewährleistungsansprüche grundsätzlich nach 6 Monaten. Hätte er im Falle eines Kaufs bereits gezahlt wäre das Geld nach Ablauf der Gewährleistungsfrist verloren (hätte er das noch nicht getan, könnte der unter Umständen die Zahlung zurückhalten). Das ist bei Leasing im Verhältnis zum Verkäufer nicht anders nur muß der "anteilige Kaufpreis" (rechtlich exakter: der monatliche Mietzins) noch jahrelang an den Leasing-Geber gezahlt werden.

Ob das AGB-Gesetz eine Besserstellung des Leasing-Nehmers gegenüber dem Leasing-Geber in ° 11 Nr. 10 b gebracht hat, ist höchst umstritten. Kein Leasing-Nehmer sollte sich darauf verlassen.