Urteile aus der Vertragspraxis

02.09.1983

Ekkehard zur Megede Rechtsanwalt in Lübeck

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. März 1983

Aktenzeichen: VIII ZR 33581 angewandte Vorschriften: §§ 398, 404, 433, 781 BGM

Sachgebiet: Kauf von EDV-Anlagen Hardware

Amtlicher Lei (...)

(...) e Beklagte von der Notwendigkeit, allen Wartungsstationen die jeweils erforderlichen Neuteile auf Lager zu halten, um dem Verlangen der Kunden auf sofortige Reparatur ihrer Computeranlage nachkommen zu können. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, zur Ersparung von Kosten der Ersatzteillagerhaltung zurückgeführte und generalüberholte Austauschteile in Anlagen der Kunden einzubauen. Denn der Vorrat an Ersatzteilen bzw. an einbaufähigen Austauschteilen steigert die Effizienz ihres Kundendienstangebotes. Freilich folgt daraus nicht die Berechtigung, die Entscheidung ob Neu- oder Austauschteile einzubauen sind, einseitig der Beklagten zu überlassen. Zwar spricht für den Kunden, daß die Austauschteile generalüberholt sind und nach der Behauptung der Beklagten in ihrer Funktionsfähigkeit und ihrer Qualität den Neuteilen nicht nachstehen und daß die Beklagte selbst in ihrer Gewährleistung keinen Unterschied zwischen neuteilen und Austauschteilen macht. All dies stützt nicht das einseitige Bestimmungsrecht der Beklagten; denn wenn sich durch die Klauselbestimmung die typischen Unternehmerrisiken, den Kunden mangels Vorratshaltung von Neuersatzteilen nicht seinen Wünschen entsprechend schnell bedienen zu können, auf den Kunden ab, wobei die allgemeine Formulierung der Klausel die Gefahr eröffnet, daß der Verwender das Bestimmungsrecht einseitig nach seinen betrieblichen Möglichkeiten und seinem Gewinnstreben ausübt. Damit aber weicht die Regelung von dem Grundkonzept des Werkvertrages und der in diesem festgelegten Aufteilung der Risiken zwischen Unternehmen und Auftraggeber entscheidend ab, so daß die Klausel als unangemessen im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 AGBG anzusehen und deshalb unwirksam ist. Auch die Klausel "Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten" widerspricht dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages und ist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG als unangemessen unwirksam. Inhalt der Klausel ist nämlich, das typische Werkunternehmerrisiko, nämlich die Bereitstellung und Zurverfügunghaltung eines technischen Kundendienstes am Wartungsort, auf den Vertragspartner abzuwälzen. Der Unternehmer schuldet diese Werkvertragsleistung. Die Fahrtkosten zum Kundendienst können deshalb lediglich als Nebenkosten nach tatsächlichem Aufwand in Rechnung gestellt werden; denn nach dem Leistungsprinzip des Werkvertrages sind nach § 632 Abs. 2 BGB nur die tatsächlich entstandenen Kosten zu vergüten.

Keinen rechtlichen Bedenken unterliegen hingegen die weiter angegriffenen Klauseln: "Angefangene Stunden werden als (?) Stunde berechnet. Bei der Berechnung von Fahrtweg und Fahrtweg L wird grundsätzlich von einem Einsatz des Technikers ab seiner Geschäftsstelle ausgegangen."

Bei der erstgenannten Klausel handelt es sich um eine Preisgestaltungsklausel, die nach § 8 AGBG grundsätzlich der Inhaltskontrolle entzogen ist.

Keinen Erfolg hat die Klage auch hinsichtlich der letztgenannten Klausel. Gegenstand der Vorschrift ist zwar eine Preisnebenabsprache, die nach dem oben Ausgeführten gemäß § 9 AGBG der Inhaltskontrolle unterliegt. Auch widerspricht der Inhalt der Regelung an sich dem Leistungsprinzip des Werkvertrages nach welchem die Fahrtkosten nach dem tatsächlichen Aufwand abzurechnen sind. Gleichwohl erscheint eine Pauschalisierung zur Vereinfachung der Abrechnung unter Abwägung der Interessen der Vertragspartner nicht unangemessen. Denn es ist auch im Interesse aller Kunden durchaus zweckmäßig, die Kosten für Fahrtweg und Fahrtzeit zu pauschalisieren, um die Abbuchung zu vereinbaren. Dabei ist die von der Beklagten in ihren Geschäftsbedingungen vorgeschlagene Lösung ein möglicher Weg, der jedenfalls keine erhebliche unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers nach sich zieht."

Anmerkung:

1. Das Gericht stellt in der - noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung in aller Deutlichkeit klar, daß ein Wartungsvertrag ein Werkvertrag ist. Bei der Einzelwartung wird ein bestimmter Erfolg, nämlich Fehlerbeseitigung, geschuldet, nicht lediglich die Untersützung bei der Fehlersuche.

Die Entscheidung befaßt sich nicht mit Dauerwartungsverträgen; die gewählten Formulierungen lassen aber darauf schließen, daß möglicherweise das Oberlandesgericht Frankfurt einen solchen Vertrag ganz ähnlich bewerten wird. Den verschiedentlich in der Branche vorhandenen Vorstellungen, der Wartungsvertrag sei - ausschließlich - ein Dienstvertrag, wird hier eine eindeutige Absage erteilt. In den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) der öffentlichen Hand über Pflege von Programmen wird auch der Dauerwartungsvertrag als Werkzeug ausgestaltet.

2. Inwieweit jedoch das Verbot der Verwendung von Klauseln über das Wahlrecht der Benutzung von Neu- bzw. Austauschteilen und "Fahrtzeit gilt als Arbeitszeit" praktikable Konsequenzen haben wird, erscheint fraglich.

Wenn die Fahrtzeit nicht mehr gesondert in Rechnung gestellt werden darf, wird eben die Kalkulation für die Bezahlung der Arbeitszeit so geändert werden, daß im Ergebnis der Kunde genausoviel zahlt wie vorher auch.

Hinsichtlich des jetzt untersagten Wahlrechts bei der Verwendung von Ersatzteilen führt das Gericht zwar alle wesentlichen Gründe auf, die für die Gestattung einer solchen Klausel sprechen. Was aus dem Verbot praktisch folgt, bleibt abzuwarten. Wenn ein Anbieter von Anfang an sagt, er verwendet nur Neu- oder Austauschteile, dürfte eine solche Klausel zulässig sein; ebenso ein Hinweis nach der Prüfung der Anlage, er könne jetzt Neu- oder Austauschteile einsetzen Ob durch ein solches Vorgehen dem Hauptinteresse des Kunden gedient ist, die Anlage möglichst schnell wieder einsetzen zu können, erscheint mehr als zweifelhaft. Bei der Verwendung lediglich von Neuteilen wird sich schließlich die Preiskalkulation andern, was auch sicherlich nicht zum Vorteil des Kunden geschehen wird, der eigentlich durch die Vorschriften des AGBG geschützt werden soll.