Urteile aus der Vertragspraxis

25.03.1983

Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemünd

3-5-PatG-2 Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 21. April 1977 (X ZB 24/79)

Straken

Amtlicher Leitsatz

Rechenprogramme für elektronische Datenverarbeitungsanlagen, bei deren Anwendung lediglich von einer in Aufbau und Konstruktion bekannten Datenverarbeitungsanlage der bestimmungsgemäße Gebrauch gemacht wird, sind auch dann nicht patentfähig, wenn das bei der Anwendung der Programme erzielte Ergebnis auf technischem Gebiet verwendbar ist (Ergänzung zu BGHZ 67, 22 - Dispositionsprogramm).

Der Tatbestand läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß die Erteilung eines Patents auf ein DV-Programm zur Berechnung der Linienschar zur Beschreibung der Oberfläche eines Körpers abgelehnt wurde.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

". . . II. 3. a) Wie der Senat in der Entscheidung

"Dispositionsprogramm" dargelegt hat, können bloße Rechenregeln, zu denen Algorithmen der hier in Rede stehenden Art regelmäßig zu zählen sind, keinen Patentschutz erlangen, da sie zu ihrer Anwendung ihrem Wesen nach auch dann nicht den Einsatz technischer Mittel, das heißt vom menschlichen Geist beherrschbarer Naturkräfte, voraussetzen, wenn sie in einer Sprache abgefaßt sind, die bereits auf den Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gerichtet ist.

b) Die Rechtsbeschwerde zieht diesen Ausgangspunkt, an dem festzuhalten der Senat keine Bedenken trägt, nicht in Zweifel. Sie glaubt nur, den technischen Charakter der Anmeldung daraus herleiten zu können, daß das Ergebnis der Anwendung des aufgefundenen Rechenverfahrens eine Benutzung auf technischem Gebiet, zum Beispiel bei der Herstellung von Schiffsrümpfen und Autokarosserien, gestatte. Sie glaubt, sich für ihre Auffassung auf den in der Entscheidung "Dispositionsprogramm" enthaltenen Hinweis berufen zu können, daß die Lehre, eine Datenverarbeitungsanlage nach einem bestimmten, aus dem gefundenen Algorithmus ableitbaren Rechenprogramm zu betreiben, patentfähig sein könne, wenn ihm die Anweisung zu entnehmen sei, die Anlage auf eine neue, bisher nicht übliche und auch nicht naheliegende Art und Weise zu benutzen.

C) Die angeführte Bemerkung ist aber nicht in dem von der Rechtsbeschwerde gemeinten Sinne zu verstehen. Sie zielt allein darauf ab, den Weg zu einer Patentierung einer neuen, erfinderischen Brauchbarkeit einer in ihren Elementen und ihrem Aufbau bekannten elektronischen Datenverarbeitungsanlage offen zu halten, falls sich eine solche im Einzelfall ohne weiteres erfinderisches Bemühen aus der Angabe des Algorithmus oder des auf ihm beruhenden Rechenprogramms herleiten lassen sollte. Die vom beschließenden Senat gewählte Formulierung geht dagegen nicht in die Richtung, daß für die Patentierbarkeit einer neuen, für sich gesehen des technischen Charakters entbehrenden Rechenregel (eines Rechenprogramms) allein die Verwendbarkeit der mit Hilfe der Regel (des Programms) erzielten Ergebnisse auf technischem Gebiet ausreichen könne.

. . . ergibt sich, daß ein seiner Natur nach untechnischer Erfindungsgegenstand nicht durch den technischen Charakter oder die technische Verwertbarkeit seiner Anwendungsergebnisse zu einem technischen Gegenstand werden kann, da diese Anwendungsergebnisse selbst nicht Bestandteil der erfinderischen Aufgabenlösung sind.

d) Bei der angemeldeten Erfindung handelt es sich um eine solche, die ihrem Wesen nach untechnisch ist, während das Gebiet des Technischen erst im Verlauf ihrer nicht erfinderischen Anwendung betreten wird.

aa) Wie die Anmelderin selbst einräumt, beschreibt der Algorithmus - ebensowenig wie die diesem entsprechende Befehlsfolge - nicht den Aufbau einer neuen elektronischen Datenverarbeitungsanlage; vielmehr genügt zur Ausführung der durch die Rechenregel und die Folge der Programmschritte gekennzeichneten rechnerischen Operationen die Benutzung einer handelsüblichen Datenverarbeitungsmaschine, ohne daß daran konstruktive oder sonstige Änderungen von erfinderischer Qualität vorgenommen werden müßten. Ebensowenig ist der Lehre der Patentanmeldung eine Anweisung zu entnehmen, eine in Konstruktion und Aufbau bekannte Anlage auf eine neue, erfinderische Art zu benutzen.

bb) Die letztlich technische Zielrichtung der Anwendung des erfindungsgemäßen Rechenverfahrens ist nicht Gegenstand der Erfindung: Zwar steht die Angabe einer mathematischen Formel - entsprechendes gilt für eine Befehlsfolge in einer problem- oder maschinenorientierten Programmsprache - zur Kennzeichnung des Gegenstands der Erfindung dessen Patentierbarkeit nicht schlechthin entgegen. Es gibt Fälle, . . . . Die Rechenregel hat in einem solchen Falle aber eine ausschließlich beschreibende Funktion. Sie kann, ebenso wie das beschreibende Wort, als ein untechnischer Gegenstand nicht selbst Bestandteil der geschützten Lehre sein. Gegenstand des patentrechtlichen Schutzes ist dann vielmehr ausschließlich der durch die mathematische Formel umschriebene Gegenstand.

In dem zur Entscheidung stehenden Fall beschreiben indes weder der Algorithmus noch die Programmfolge einen konkreten Gegenstand. Formel und Befehlsfolge sind vielmehr nur abstrakte Denk- und Rechenschemata, mit deren Aufstellung die Erfindung abgeschlossen ist. "

3-5-PatG-3 Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1977 (X ZB 20/74)

Prüfverfahren

Amtlicher Lehrsatz:

Zur Frage der Patentfähigkeit eines Verfahrens zur Prüfung des Programmablaufs einer programmgesteuerten Datenverarbeitungsanlage.

Der Tatbestand läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß das Bundespatentamt ein Patent für ein Prüfverfahren auf der Grundlage eines DV-Programmes für die Prüfung von Programmabläufen erteilt hat. Das Bundespatentgericht hat es auf eine Beschwerde hin aufgehoben. Der

GH hat die Sache zur erneuten Prüfung an das Bundespatentgericht zurückgewiesen. Eine Patenterteilung sei möglich.

Entscheidungsgründe:

"Wie der Senat in BGHZ 67, 22 - Dispositionsprogramm - ausgeführt hat, kommt es für den technischen Charakter und damit die Patentierbarkeit einer Lehre nicht auf deren sprachliche Einkleidung an, insbesondere nicht darauf, ob die Lehre in den Patentansprüchen unter ständiger Verknüpfung mit den zu ihrer Ausführung zweckmäßig heranzuziehenden technischen Einrichtungen formuliert worden ist. Entscheidend ist vielmehr, welches der sachliche Gehalt der beanspruchten Lehre ist, auf welchem Gebiet ihr erfinderischer Kern liegt. Erschöpft sich die erfundene Neuerung in der Auffindung einer Regel, deren Befolgung den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte außerhalb des menschlichen Verstandes nicht gebietet, dann ist sie nicht technisch, auch wenn zu ihrer Ausführung der Einsatz einer Maschine zweckmäßig oder gar allein sinnvoll erscheint und dieser Einsatz von dem Patentsucher auch vorgeschlagen wird. Umgekehrt wird eine technische, auf den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte gerichtete Regel nicht dadurch ihres technischen Charakters entkleidet, daß sie ihre sprachliche Darstellung in einer äußerlich von technischen Merkmalen freien Ausdrucksweise findet.

. . .

Auch die von dem BeschwGer. vorgenommene Unterscheidung zwischen Computerprogramm und Prüfverfahren führt nicht zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Anmeldung technischer Natur ist. Es mag zutreffen, daß sich der Anmeldungsgegenstand als ein Prüfverfahren charakterisieren läßt und daß in der Rechtsprechung und Erteilungspraxis einzelne Prüfverfahren als patentfähig angesehen worden sind. Damit ist aber nicht gesagt, daß ein Verfahren schon dann als technisch anzuerkennen ist, wenn es der Prüfung eines - technischen oder untechnischen - Verfahrensablaufs oder Verfahrensergebnisses dient. Es bedarf vielmehr für jedes einzelne Prüfverfahren gesonderter Untersuchung, ob es technischer Natur ist. Auf der anderen Seite hat der Senat keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, daß Computerprogramme schlechthin nicht patentierbar seien. An einer solchen generellen Aussage würde sich der Senat schon deshalb gehindert sehen, weil sich nicht absehen läßt, welche Arten von Aufgaben in Zukunft einer Lösung mit Hilfe des Einsatzes datenverarbeitender Maschinen zugeführt werden können. "