Urteile aus der Vertragspraxis

30.03.1984

Von Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemünd

Urteil des LG Bochum vom 27. August 1982 (14 0 45/81)

Verfrühte Nachfristsetzung

Nichtamtliche Leitsätze

1. Zur Frage, inwieweit bei Verzug des Lieferanten die Vereinbarung eines Termins, zu dem der Lieferant endlich liefern will, die Vereinbarung eines neuen Liefertermins beinhaltet, so daß der Verzug entfällt.

2. Zum Beginn der Verjährungsfrist, wenn ein wichtiger Teil einer EDV-Anlage erst später als die EDV-Anlage im übrigen geliefert worden ist.

3. Zur Frage der Wirksamkeit von Zusicherungen der Lieferanten, wenn seine AGB eine Schriftformklausel enthalten und seine Auftragsbestätigung auf die Zusicherung nicht eingeht.

Paragraphen

BGB: ° 127, ° 326, ° 459, ° 462, ° 477 ABG-Gesetz: ° 9

Stichworte

Auftragsbestätigung, Kauf - Verjährungsbeginn; Nachfristsetzung; Nebenabreden, mündliche; Schriftformklausel; Verjährungsbeginn; Vertragsurkunde - Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit; Verzug - Nachfristsetzung; zugesicherte Eigenschaften.

Tatbestand

"Die Klägerin betreibt ein Inkassobüro. Zur effektivsten Gestaltung ihrer Betriebsabläufe trug sie sich mit dem Gedanken, anstelle ihres bisherigen Magnetkontencomputerns eine modernere Computeranlage zu erwerben. Nach längeren Verhandlungen mit der Beklagten, der sie ihre Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit der anzuschaffenden Anlage dargelegt hatte, bestellte sie einen X-Computer. Die Beklagte bestätigte die Bestellung mit Bestätigungsschreiben vom 13. 11. 1979 zu ihren Verkaufs- und Lieferungsbedingungen.

Als Liefertermin wurde der 1. Februar 1980 vorgesehen, wobei die Anlage zunächst vereinbarungsgemäß bei einer Programmierfirma aufgestellt und nach Durchführung der Programmierarbeiten von der Beklagten anschließend im Hause der Klägerin installiert werden sollte.

Nach dem Vertrage war die Computeranlage mit zwei 200-Mio-Bytes-Magnetplattenlaufwerken auszurüsten. Insoweit kamen die Parteien jedoch überein, daß anstelle dieser Laufwerke zwei 300-Mio-Bytes-Laufwerke installiert werden sollten.

Nachdem die Programmierungsarbeiten im Softwarehaus abgeschlossen waren und die Anlage am 3./4. 9. 1980 im Hause der Klägerin installiert worden war, baute die Beklagte am 17. 10. 1980 die größeren Laufwerke ein. Bei Speicherung der Daten in die neue Anlage zeigte sich, daß der freie Zugriff auf die Datei mit mehr als 32 Mio Stellen nicht möglich war.

Zur Lösung dieses Problems wurde die Lieferung eines veränderten Betriebssystems durch die Beklagte zum Ende Februar 1981 vereinbart. Die Lieferung wurde von der Beklagten angekündigt. Das Betriebssystem wurde von der Klägerin jedoch nicht mehr abgenommen.

Die Klägerin verwendet in ihrem Betrieb inzwischen einen anderen nicht von der Beklagten gelieferten Computer.

Mit der am 4. März 1981 eingereichten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz. Sie stützt ihren Anspruch auf Nichterfüllung des Vertrages, hilfsweise auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften und führt hierzu aus:

Bei den Vertragsverhandlungen hätte die Beklagte ihre Anforderungen an die Leistungsmöglichkeiten des Computers genau gekannt. Es hätte gewährleistet sein müssen, daß im direkten Zugriff die Daten von ca. 150 000 Personen hätten sortiert werden können... sei ein Zugriff auf Dateien mit mehr als 32 Mio Stellen nicht möglich gewesen. Dieser Mangel hätte durch die Lieferung eines neuen Betriebssystems durch die Beklagte bis Ende Februar 1981 beseitigt werden sollen. Da sie bezüglich der Lieferung immer wieder vertröstet worden sei, hätte sie durch Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten vom 13. 2. 1981 unter Ablehnungsandrohung eine Nachfrist bis zum 28. 2. 1982 gesetzt. Diese Frist sei nutzlos verstrichen.

Die Beklagte hätte ausdrücklich zugesichert, daß die von ihr angebotene Anlage die Dateien problemlos verarbeiten würde. Das sei jedoch nicht der Fall.

Die Beklagte ist der Ansicht, ... die an der Anlage aufgetretenen Probleme hätten ihre Ursache in der Falschprogrammierung durch das Softwarehaus. Bei richtiger Programmierung hätte die Anlage auch diesen Voraussetzungen genügt. Sie genüge diesen auch unter Verwendung des jetzigen Programms, wenn das neue Betriebssystem hätte installiert werden können.

Mit der ursprünglichen Lieferung habe sie ihre Vertragspflichten voll erfüllt. Wenn sie später aufwendige Änderungen durchgeführt habe, so hätte sie das im Wege der Kulanz in der Hoffnung getan, in der Inkassobranche durch die Lieferung an die Klägerin Fuß fassen zu können.

Im übrigen erhebe sie hinsichtlich der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche die Einrede der Verjährung.

Die Anlage sei vereinbarungsgemäß Anfang März 1980 beim Programmierbüro aufgestellt worden. Damit sei die Anlage an die Klägerin übergeben gewesen. Die Verpflichtung, die Anlage bei diesem Büro nach Durchführung der Programmierung abzuholen und bei der Klägerin aufzustellen, sei nur eine Nebenpflicht gewesen. Die Gefahr sei auf die Klägerin mit der Übergabe an das Softwarehaus übergegangen. Die Gewährleistungspflicht betrage 6 Monate. Klage sei jedoch erst am 4. 3. 1981 erhoben worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Aufgrund der vertraglichen Gestaltung der Beziehungen der Klägerin mit der Beklagten... kann die Klägerin gegen die Beklagte grundsätzlich auf Schadensersatzansprüche nach ° 326 BGB wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages geltend machen.... steht der Klägerin mangels Vorliegens der in dieser Vorschrift normierten Voraussetzungen gegen die Beklagte ein solcher Schadensersatzanspruch nicht zu.

Dieser setzt voraus, daß die Beklagte mit einer von ihr zu erbringenden Leistung in Verzug geraten wäre. Ferner hätte die Klägerin eine angemessene Nachfrist mit der Erklärung setzen müssen, daß nach Fristablauf die Leistung abgelehnt werde.

Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht dargelegt.

Die Klägerin führt hierzu aus, daß vereinbarungsgemäß von der Beklagten zur Erreichung der vollen Funktionstüchtigkeit der Computeranlage zu Ende Februar 1981 ein neues Betriebssystem hätte geliefert werden sollen und sie ihr, nachdem sie bezüglich der Lieferung immer wieder vertröstet worden sei, deswegen am 13. Februar 81 eine Nachfrist zum 28. 2. 1981 mit Ablehnungsandrohung gesetzt hätte.

Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erfolgte also zu einem Zeitpunkt, als der vereinbarte Liefertermin noch gar nicht gekommen war.

Es kann offen bleiben, ob, wie die Beklagte meint, der Kaufvertrag ihrerseits bereits mit der Lieferung der ursprünglich gelieferten Anlage und der 300-Mio-Bytes-Magnetplattenlaufwerke voll erfüllt war und die zugesagte Lieferung eines Betriebssystems ein reines Kulanzangebot war und schon deswegen bei nicht rechtzeitiger Lieferung dieses Systems sich keine Schadensersatzverpflichtungen der Beklagten ergeben konnten.

Selbst wenn die Beklagte zur endgültigen Vertragserfüllung oder ihr obliegender Nachbesserungspflichten das neue Betriebssystem bis zum 28. Februar 1981 hätte liefern müssen, konnte sie frühestens an diesem Tage mit der Erfüllung ihrer Vertragspflicht in Verzug geraten. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vor Verzugseintritt kann nicht die Folge auslösen, daß die Beklagte mit Verzugseintritt zu Schadensersatz, der sich aus dem Verzuge ergebe, herangezogen werden kann. Schon begrifflich kann eine Nachfristsetzung erst nach Verzugseintritt erfolgen und bei fruchtlosem Ablauf der Frist die Folgen des ° 326 BGB auslösen.

Daß ausnahmsweise eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt. Somit steht der Klägerin schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch gemäß ° 326 BGB zu.

Sie kann Schadensersatzansprüche auch nicht aus ° 480 Abs. II BGB herleiten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre ein solcher Anspruch allerdings nicht verjährt. Denn als Ablieferungsdatum der gekauften Computeranlage kann nicht vom Zeitpunkt der Installation der Anlage bei der Programmierfirma im März 1980 ausgegangen werden. Unstreitig gelangte die Anlage erst im September 1980 zur Klägerin. Dort wurden am 17. Oktober 1980 vereinbarungsgemäß die von der Beklagten zu liefernden 300-Mio-Bytes-Magnetplattenlaufwerke eingebaut. Erst danach konnte die Klägerin die nunmehr den Vertragsvereinbarungen entsprechende Anlage auf ihre Funktionstüchtigkeit prüfen. Als Ablieferungsdatum im Sinne von ° 477 BGB kann daher erst von letztgenanntem Datum ausgegangen werden. Durch Klageerhebung am 4. 3. 1981 ist daher die wegen der Gewährleistungspflicht laufende Verjährungsfrist von 6 Monaten wirksam unterbrochen worden.

Die Beklagte hat der Klägerin jedoch keine Eigenschaften zugesichert, die die Computeranlage nicht hatte.

Auszugehen ist von den schriftlichen Vereinbarungen der Parteien,

die zunächst den Beweis der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich haben und den unstreitig vereinbarten Verkaufs- und Lieferungsbedingungen der Klägerin, nach denen Nebenabreden und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen.

Die Auftragsbestätigung der Klägerin verhält sich nur über Art und Umfang der zu liefernden Anlage. Zusicherungen im Hinblick auf deren Leistungsfähigkeit, insbesondere darauf, daß die Dateien von 120 000 oder gar 150 000 Schuldnerdateien nach 15 Suchbegriffen im freien Zugriff verwalten könne, enthält die Auftragsbestätigung nicht; auch hat die Klägerin keine späteren Schriftstücke vorlegen können, die derartige Zusicherungen der Beklagten enthielten.

Zwar mag sie davon ausgegangen sein, daß aufgrund der vorangegangenen Besprechungen, deren Gegenstand insbesondere auch die in den Computer gesetzten Erwartungen waren, eine derartige Zusicherung gegeben worden sei. Aus der Auftragsbestätigung ging jedoch einwandfrei hervor, daß die Lieferung zu den Verkaufs- und Lieferungsbedingen der Beklagten erfolgte. Als Kaufmann war die Klägerin, wenn ihr diese Bedingungen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekanntgewesen sein sollten, gehalten, sich um diese Bedingungen zu kümmen. Dann hätte sie unverzüglich der Auftragsbestätigung der Beklagten widersprechen und darauf drängen können, daß eventuell mündlich gegebene Zusicherungen in schriftlicher Form Vertragsinhalt hätten werden können.

Bei der von der Beklagten gewählten Schriftformklausel handelt es sich keineswegs um eine unter Kaufleuten überraschende Klausel, die Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche. Sie ist daher wirksam.

Selbst wenn also die von der Klägerin behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Zusicherungen gemacht worden sein sollten, kann die Klägerin sich hierauf mangels schriftlicher Erteilung dieser Zusicherungen nicht berufen.

Gegen derartige Zusicherungen spricht insbesondere die von der Klägerin unwidersprochene Behauptung der Beklagten, die Anlage hätte ursprünglich nur nach 3 bis 5 Suchbegriffen die Schuldnerdateien verwalten sollen. Erst dem Programmierbüro gegenüber sei der Wunsch geäußert worden, nach bis zu 15 Suchbegriffen die Verwaltung der Schuldnerdateien vorzunehmen. Dadurch und durch den späteren Wunsch der Klägerin, 4 Bildschirme mehr als ursprünglich vorgesehen an die Anlage anzuschließen, wurde naturgemäß die Kapazität der ursprünglichen Anlage überfordert, weshalb es ausgeschlossen erscheint, daß die Beklagte Zusicherungen der von der Klägerin behaupteten Art überhaupt gemacht hat.

Die Klägerin kann sich, unterstellt, Zusicherungen der von ihr behaupteten Art seien gemacht worden, auch nicht darauf berufen des Schriftformerfordernisses der Zusicherungen bedürfe es deswegen nicht, weil sie mit Rücksicht auf die langwierigen und umfangreichen Besprechungen vor Vertragsabschluß auf die Wirksamkeit mündlich erteilter Zusicherungen hätte vertrauen dürfen. Mit diesem Einwand könnte sie allenfalls gehört werden, wenn sie dargelegt hätte, daß die Zusicherungen nur von seiten der Beklagten hierzu berechtigten Personen gemacht worden wären, die auch insoweit mit Wirkung für und gegen die Geschäftsleitung der Beklagten handeln durften. Das aber trägt die Klägerin nicht vor.

Eine wirksame Zusicherung der Eigenschaften der von der Beklagten gelieferten Anlage liegt somit nicht vor.

Anmerkung

Auf der Grundlage des vom Gericht festgestellten Sachverhalts ist dem Landgericht weitgehend zuzustimmen. Dubios ist das Verhalten des Lieferanten: Wer liefert mal eben größere Plattenlaufwerke oder entwickelt mal eben eine neue Version eines Betriebssystems - alles angeblich aus Kulanz?

Was die fehlerhafte Nachfristsetzung anbelangt, so sei auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 25. November 1975 (K/M-2) verwiesen: Aus der Abklärung, wann die verspätete Leistung erfolgt, wird sehr schnell ein neuer Liefertermin.

Überzeugend sind die - kurzen - Ausführungen zur Verjährungsfrist: Sie soll erst dann beginnen, wenn der Lieferant soviel geliefert hat, daß der Käufer die Vertragsgemäßheit der Leistung auch prüfen kann. Nicht ganz zu halten sind die Ausführungen zu mangelnder Schriftlichkeit der -eventuellen - mündlichen Zusicherungen von Eigenschaften, daß die Berufung auf mündliche Klauseln mangels Schriftform ausgeschlossen sei: Gemäß ° 4 AGB-Gesetz gelten mündliche Nebenabreden - sie müssen aber erst einmal bewiesen werden, und das bei einer solch qualifizierten Schriftformklausel wird der Situation bei EDV-Beschaffungen, wo die Anforderungen des Auftraggebers u. U. ausführlich durchgesprochen, aber grundsätzlich nichts davon in eine Auftragsbestätigung aufgenommen wird, nicht gerecht. Bei den weiteren Vereinbarungen, die das LG zitiert, - größere Plattenlaufwerke, neue Version des Betriebssystems - ist die Schriftform anscheinend auch nicht eingehalten worden.